Das Gelächter kommt ganz unvermittelt aus der absoluten Dunkelheit. Fremde Hände berühren den Rücken, die Schultern. Gut 20 Körper drängeln sich in dem kleinen Spiegelkabinett. Willkommen in der Brechtgeisterbahn Augsburg. Alle 30 Minuten ein neuer Durchgang. Soll heißen: Geisterbahn soll hier nicht ganz so wörtlich genommen werden. Wir sind ja auf einem Brecht-Festival, da heißt es, aktiv werden, Geistern folgen und einmal tatsächlich über Leichen zu gehen beziehungsweise zu stolpern:
Wozu in der Augsburger Off-Location Orangerie in den kommenden Tagen eingeladen wird, gleicht eher einem opulent kostümierten Ghostwalk, einem Panoptikum für wagemutige Literaten. Gleich um die Ecke wuchs er auf vor genau 100 Jahren, versetzte die Bürgerschaft und später die Frauen mit frechen Jugendgedichten in Aufruhr. Ein Unruhe-Geist, den Augsburg am liebsten aus der Stadtgeschichte gestrichen hätte.
Eilends huscht man oder wird von Geisterhand aus dem ersten Eingangsdunkel in einen schummrigen zweiter Raum geschoben. Auf einem kleinen Tisch liegen Dolche, Pistolen und eine adrette Handguillotine, ein Muss im Geschäft von Zirkusgeist Fabio:
Was nun beginnt, gleicht Brechts Dreigroschenoper – aber nur entfernt. An einer mannshohen Drehscheibe wird ein Mädchen erdolcht. In der einen Ecke lehnt die bleiche Seeräuberjenny, singt fahl ihr Lied. Gegenüber steht Mackie Messer, bleckt die Zähne, umkreist die Besucher, träumt von Ruhm und Reichtum.
Erst, wenn man weiß, dass das ein bayerischer Landtagsabgeordneter mit Hang zum Morbiden ist, der da den Londoner Underdog gibt, ist klar: Die Brechtgeisterbahn hat viele Bedeutungsebenen. Anspielungen auf Brecht-Werke, auf seine umfangreiche Biografie, Anspielungen auf den Brecht-Geist von Augsburg. Aber auch Anspielungen darauf,
"dass der Umgang mit Brecht und seinem Erbe doch gruselig ist. Warum also nicht gleich eine Geisterbahn machen. Das hat uns gereizt, dass wir einen anderen, humorvolleren Umgang finden mit Brecht."
So Regisseurin Christina Maria Pichler von der 15-köpfigen Off-Theatercompagnie "bluespots production". Unvermittelt springt eine vermeintliche Brecht-Erbin durch die Szene, erhebt detailversessen Einspruch gegen den lockeren Umgang mit Brecht-Texten, reagiert schockiert über die nächste Szene, das Hinterzimmer eines Kurpfuschers, eine stöhnende Frau, die ein Kind von Brecht abtreibt.
Nichts für schwache Nerven, aber doch Teil des Menschen Brecht, der Frauen aus Augsburg benutzte und vor den Kopf stieß.
"Also, das ist ein Gedicht von Brecht und das heißt 'Erinnerung an Maria A'. Ja, wir das hatten das im Unterricht, im Leseunterricht."
Brecht als Lernstoff, auch das gehört zu den Geistern dieses Abends, weiß die jüngste Schauspielerin Annika Kigle. Eine strenge Lehrerin mit Rohrstock. Eine Ecke, in der die Schülerin stehen muss. Ein gruseliger Umgang mit Berthold Brechts Texten, der noch heute in abgeschwächter Form üblich ist. Kein Wunder, dass sich Augsburgs großer Sohn im wortwörtlich Grab umdreht, gemeinsam mit Nachbarskelett Helene Weigel.
Anspruchsvoller wird es letztlich doch noch. Die Baal-Klage am Schluss. Ein schwarzer Sarg, der vergebliche Todeswunsch von Brechts wohl bekanntester Figur, dem Lebemann Baal, hier nur noch ein Schatten, ein Zombie seiner selbst, der sich schließlich in die Reihe der Geister einreiht, in einem Schlussthriller frei nach Michael Jackson.
Für absolute Laien nicht immer nachvollziehbar, aber unterhaltsam, für Brecht-Kenner stellenweise zu pauschal geraten. Die Originaltexte in der Intimität der kleinen, verschachtelten Räume entfalten dennoch eine Sogwirkung. Geister haben das so an sich – sie sind flüchtig und wenig greifbar, trotzdem verbreiten sie eine wohlig verstörende Aura, die lange nachwirkt.
Wozu in der Augsburger Off-Location Orangerie in den kommenden Tagen eingeladen wird, gleicht eher einem opulent kostümierten Ghostwalk, einem Panoptikum für wagemutige Literaten. Gleich um die Ecke wuchs er auf vor genau 100 Jahren, versetzte die Bürgerschaft und später die Frauen mit frechen Jugendgedichten in Aufruhr. Ein Unruhe-Geist, den Augsburg am liebsten aus der Stadtgeschichte gestrichen hätte.
Eilends huscht man oder wird von Geisterhand aus dem ersten Eingangsdunkel in einen schummrigen zweiter Raum geschoben. Auf einem kleinen Tisch liegen Dolche, Pistolen und eine adrette Handguillotine, ein Muss im Geschäft von Zirkusgeist Fabio:
Was nun beginnt, gleicht Brechts Dreigroschenoper – aber nur entfernt. An einer mannshohen Drehscheibe wird ein Mädchen erdolcht. In der einen Ecke lehnt die bleiche Seeräuberjenny, singt fahl ihr Lied. Gegenüber steht Mackie Messer, bleckt die Zähne, umkreist die Besucher, träumt von Ruhm und Reichtum.
Erst, wenn man weiß, dass das ein bayerischer Landtagsabgeordneter mit Hang zum Morbiden ist, der da den Londoner Underdog gibt, ist klar: Die Brechtgeisterbahn hat viele Bedeutungsebenen. Anspielungen auf Brecht-Werke, auf seine umfangreiche Biografie, Anspielungen auf den Brecht-Geist von Augsburg. Aber auch Anspielungen darauf,
"dass der Umgang mit Brecht und seinem Erbe doch gruselig ist. Warum also nicht gleich eine Geisterbahn machen. Das hat uns gereizt, dass wir einen anderen, humorvolleren Umgang finden mit Brecht."
So Regisseurin Christina Maria Pichler von der 15-köpfigen Off-Theatercompagnie "bluespots production". Unvermittelt springt eine vermeintliche Brecht-Erbin durch die Szene, erhebt detailversessen Einspruch gegen den lockeren Umgang mit Brecht-Texten, reagiert schockiert über die nächste Szene, das Hinterzimmer eines Kurpfuschers, eine stöhnende Frau, die ein Kind von Brecht abtreibt.
Nichts für schwache Nerven, aber doch Teil des Menschen Brecht, der Frauen aus Augsburg benutzte und vor den Kopf stieß.
"Also, das ist ein Gedicht von Brecht und das heißt 'Erinnerung an Maria A'. Ja, wir das hatten das im Unterricht, im Leseunterricht."
Brecht als Lernstoff, auch das gehört zu den Geistern dieses Abends, weiß die jüngste Schauspielerin Annika Kigle. Eine strenge Lehrerin mit Rohrstock. Eine Ecke, in der die Schülerin stehen muss. Ein gruseliger Umgang mit Berthold Brechts Texten, der noch heute in abgeschwächter Form üblich ist. Kein Wunder, dass sich Augsburgs großer Sohn im wortwörtlich Grab umdreht, gemeinsam mit Nachbarskelett Helene Weigel.
Anspruchsvoller wird es letztlich doch noch. Die Baal-Klage am Schluss. Ein schwarzer Sarg, der vergebliche Todeswunsch von Brechts wohl bekanntester Figur, dem Lebemann Baal, hier nur noch ein Schatten, ein Zombie seiner selbst, der sich schließlich in die Reihe der Geister einreiht, in einem Schlussthriller frei nach Michael Jackson.
Für absolute Laien nicht immer nachvollziehbar, aber unterhaltsam, für Brecht-Kenner stellenweise zu pauschal geraten. Die Originaltexte in der Intimität der kleinen, verschachtelten Räume entfalten dennoch eine Sogwirkung. Geister haben das so an sich – sie sind flüchtig und wenig greifbar, trotzdem verbreiten sie eine wohlig verstörende Aura, die lange nachwirkt.