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Das "Budget für Arbeit"
Mehr Hilfen für die berufliche Eingliederung

300.000 Menschen arbeiten derzeit in Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Viele wünschen sich eine Chance auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - allerdings sind die Eingliederungsquoten der Werkstätten verschwindend gering. Das bundesweite "Budget für Arbeit" soll künftig helfen - hat jedoch noch einige Unstimmigkeiten.

Von Cornelia Schäfer |
    Ein Mensch mit Behinderung fährt am 20.02.2017 in Bielefeld mit seinem Rollstuhl an dem aufgestellten Wort "Arbeit" entlang.
    Viele Menschen mit Behinderung wünschen sich eine Chance in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes (dpa / Friso Gentsch)
    Besuch in den Franz Sales Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Essen. In der Schreinerei werden Möbel für Schulen und Kindertagesstätten hergestellt. Etwa ein Dutzend Beschäftigte arbeitet an Fräsen, Kreissägen und Bohrmaschinen. Die einzige Frau in der Holzwerkstatt ist in einer ruhigeren Ecke für die Lackierarbeiten zuständig. Aber sie lässt ihre Arbeit bereitwillig ruhen, um dem Besuch das fertige Produkt in der Lagerhalle nebenan zu präsentieren.
    "Kommen Sie mit! Also, das hier sind die Schulmöbel, das hier sind die Walzen, die werden einmal gewalzt, dann werden sie leicht angeschliffen, dann werden sie nochmal lackiert, und anschließend werden sie leicht angeschliffen und dann ab lackiert, sprich: mit Klarlack."
    Die Lackiererin heißt Noemi Heck, sie ist 28 Jahre alt und sichtlich stolz auf die Bewegungs- und Lernlandschaft des "Mobilen Klassenzimmers". Das ist - zusammen mit einem Orthopäden - in den Franz-Sales-Werkstätten selbst entwickelt worden.
    "Alle sämtlichen bunten Farben haben wir: von Grün auf Rot, Blau und Gelb. Und dazu gehören auch Regale, die bauen wir auch selber.
    Bevor die schlanke Frau mit dem roten Haarschopf in die Werkstatt kam, hatte sie schon eine lange Förderstrecke durchlaufen: Nach der Schule absolvierte sie eine Berufsvorbereitung für lernbehinderte Jugendliche. Sie arbeitete in einer Wäscherei und wurde in einer Einrichtung der Diakonie auf das selbstständige Wohnen vorbereitet. Vor kurzem ist Noemi Heck in eine eigene Wohnung gezogen. Und in den Franz-Sales-Werkstätten hat sie ihren Traumberuf gefunden.
    "Schreiner ist eben halt der Beruf, der mich von klein auf schon fasziniert hat."
    Nun möchte sich die ehrgeizige Lackiererin am liebsten auf dem ersten Arbeitsmarkt bewähren.
    "Ja, ich würde das auch mal gern ausprobieren. Lackieren kann ich ja jetzt schon sehr, sehr gut. Ich würde jetzt aber auch so mehr andere Sachen ausprobieren, wie auf Montage gehen, so richtig bauen, so alles Drum und Dran, was richtig dazugehört so. Hach! Da kriegt man schon ganz Gänsehaut davon!"
    Teilhabe und Förderung
    Die Integrationsmanager der Franz-Sales-Werkstätten haben Noemi Heck schon auf ihrer Liste von Personen, deren Eingliederung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sie forciert betreiben wollen. Werkstätten für Menschen mit Behinderung, kurz WfbM, haben nämlich nicht nur die Aufgabe, ihrer Zielgruppe Teilhabe am Arbeitsleben durch die Beschäftigung in der Werkstatt zu bieten. Sie sollen sie auch so fördern, dass sie - wenn möglich - wieder oder erstmals in den allgemeinen Arbeitsmarkt eingegliedert werden können.
    Der Werkstattbeschäftigte Denis Berger steht am 8.12.2016 in Dachau in der Caritas Werkstatt in der Holzbearbeitungswerkstätte an einer Kreissäge. 
    Das "Budget für Arbeit" soll die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Menschen voranbringen, die aufgrund ihrer Behinderung ein Anrecht auf einen Werkstattplatz haben. (dpa / Felix Hörhager)
    Seit der Landschaftsverband Rheinland als überörtlicher Sozialhilfeträger 2011 ein Förderprogramm aufgelegt hat, das er übergreifend "LVR-Budget für Arbeit" nennt, sind die Chancen, dass das gelingt, in den rheinischen Werkstätten gestiegen.
    "Es gibt eine Menge Unterstützungsinstrumente, die wir individuell zusammenstellen können", erklärt Klaus-Peter Rohde vom Integrationsamt des Landschaftsverbandes Rheinland das rheinische Fördermodell.
    "Das ist einmal natürlich Geld. Finanzielle Förderung für Arbeitgeber, also wenn Arbeitsplätze geschaffen werden, Zuschuss zu Investitionen. Das können sein: Lohnkostenzuschüsse. Dann bieten wir aber auch eine Beratung, eine sehr individuelle, über die Integrationsfachdienste, sowohl im Hinblick auf: Was ist möglich am Arbeitsplatz? Aber auch: Was sind die Auswirkungen der jeweiligen Behinderungen? Bis hin zu einer langfristigen Begleitung sowohl des Übergangs als auch des zukünftigen Arbeitsplatzes. Also, dass jemand in den Betrieb kommt und über einen längeren Zeitraum wirklich sehr individuell mit dem Betroffenen, aber auch mit den Kollegen, mit den Vorgesetzten arbeitet, um die Arbeitsprozesse einzustudieren, um die Kommunikation einzustudieren am Arbeitsplatz."
    Niedrige Eingliederungsquoten
    Auch einige andere Bundesländer haben Lohnkostenzuschüsse für die Arbeitgeber, Beratungsleistungen und Jobcoaching zu Modellprogrammen geformt und damit auf den Missstand reagiert, dass die Eingliederungsquoten der Werkstätten schon lange bei unter einem Prozent dahindümpeln. Aber die Mehrheit der Bundesländer lässt solche besonderen Anstrengungen bislang vermissen.
    Deshalb ist das bundesweite "Budget für Arbeit", das der Gesetzgeber im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes geschaffen hat, eine Initiative mit Potential. Das neue Förderinstrument muss 2018 in allen Bundesländern etabliert werden und soll die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Menschen voranbringen, die aufgrund ihrer Behinderung ein Anrecht auf einen Werkstattplatz haben.
    Was davon zu erwarten ist, zeigt ein Blick auf die Erfahrungen etwa im Rheinland. Dort konnten mithilfe des LVR-Budgets für Arbeit in gut sechs Jahren 654 Menschen in Arbeit oder Ausbildung vermittelt werden. Das ist angesichts von rund 33.000 Werkstattbeschäftigten nicht spektakulär, aber doch eine konkrete Hoffnung für Menschen, die sich nicht mit der Arbeit in der Werkstatt zufriedengeben möchten.
    "Also, weg von der Grundsicherung - verdiene ich richtiges Geld. War immer mein Traum. Aber ich dachte, das klappt nie. Und dann hat’s doch geklappt", freut sich etwa Pietro Vignogna, der von den Essener Franz-Sales Werkstätten in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis in einer Textilfabrik wechseln konnte.
    Seit sie das Förderprogramm des Landschaftsverbandes im Rücken hat, bringt die Werkstatt jedes Jahr zwischen fünf und zehn ihrer insgesamt knapp 700 Beschäftigten in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes unter.
    Längst nicht alle hier träumen von einem Wechsel. Bei rund einem Dutzend Gewerken unter dem Dach der Werkstatt, von der Bäckerei über die Druckerei und Landschaftspflege bis hin zum Metallbau, haben die Beschäftigten viele Möglichkeiten, Vorlieben und Talente bei sich zu entdecken und Fähigkeiten zu entwickeln.
    Eine Frau arbeitet am 15.02.2017 in der Behindertenwerkstatt der Barmherzige Brüder in Straubing an alten Polizeihemden. 
    In der Behindertenwerkstatt der Barmherzige Brüder in Straubing werden alte Polizeiuniformen zu Taschen und Rucksäcken umgenäht (dpa / Armin Weigel)
    Brücken zwischen Werkstatt und Betrieben
    Aber viele wünschen sich eben doch eine Chance in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes. Um geeigneten Kandidaten Wege dorthin zu bahnen, versuchen die Integrationsmanager der Werkstatt Kontakte zu Betrieben in der Region zu knüpfen und die Potenziale der Wechselwilligen dort bekannt zu machen. Martin Butzer leitet die Integrationsabteilung. Der hochgewachsene Sozialpädagoge hat im ersten Beruf Beton- und Stahlbetonbau gelernt - gute Voraussetzungen dafür, Brücken zwischen Werkstatt und Betrieben zu bauen.
    "Da ist das Thema Fachkräftemangel ein sehr großes Thema geworden. Das heißt, Fachkräfte entlasten von artfremden Tätigkeiten, damit die sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren können. Und diese Nebentätigkeiten können auch durchaus von schlechter qualifizierten Menschen verrichtet werden."
    Schon in mehrere Betriebe haben die Integrationsmanager so genannte Außenarbeitsgruppen vermittelt. In ihnen arbeiten behinderte Menschen, die für die Werkstatt eigentlich schon zu stark sind, unter Anleitung eines Gruppenleiters noch als Beschäftigte der WfbM, aber eben vor Ort in einem Betrieb des ersten Arbeitsmarktes.
    Auch die Gebrüder Colsman nutzen seit mehreren Jahren die Dienste einer Außenarbeitsgruppe der Behindertenwerkstatt. In ihrer Weberei in Essen-Kupferdreh bestücken acht bis zwölf Werkstattbeschäftigte das so genannte Gatter Schwarz für technische Gewebe mit sechs Kilo schweren Garnspulen. Der schwarze Faden wird danach maschinell abgeschert und in mehreren Arbeitsschritten für die Weberei weiterbearbeitet, je nachdem, in welcher Stärke er dort benötigt wird.
    "Daraus wird dann irgendwann Klebeband. Das benutzt man auch fürs Auto. Da sieht man dann schwarzes Klebeband im Auto, und dann wissen Sie, dass es von Colsman ist."
    "Wer wünscht sich nicht einen festen Job?"
    Christine Alberts arbeitet gern in der Weberei- obwohl der Geräuschpegel in der großen Halle hoch ist und ihr im Winter schon mal die Kälte zusetzt. Aber ihr Anleiter aus der Werkstatt sei cool, findet die zierliche junge Frau, und die Außenarbeitsgruppe ein richtig gutes Team. Wenn nun noch der Wechsel in ein reguläres Arbeitsverhältnis bei Colsman gelänge.
    "Das wäre natürlich das Optimale. Wer wünscht sich das nicht heutzutage, einen festen Job?"
    Herr über die Fertigungshallen in Essen-Kupferdreh und weitere Produktionsstätten in Deutschland und China ist Alexander Colsman, Geschäftsführer im Familienunternehmen, das Futterstoffe, technische Textilien und Webketten, ein Vorprodukt für Webereien, herstellt. Die Zusammenarbeit mit der Werkstatt sei aus einem schon länger bestehenden Gedankenaustausch entstanden, sagt der schlanke Unternehmer im eleganten Anzug.
    "Da besteht auch ein Vertrauensverhältnis. Und, ja gut, der Wirtschaftsdruck ist einfach da. Wir können es uns nicht leisten, nur Spezialitäten zu machen, sondern wir brauchen auch Mengen, um eine Produktionsstätte wie eine Weberei zu füllen. Wir haben für die Automobilindustrie einen bestimmten Artikelbereich, wo wir selber Ketten herstellen, in größeren Mengen auch fertigen müssen. Das sind im Wesentlichen gleichbleibende Aufgaben, die aber zuverlässig erledigt werden müssen. Und deswegen passt da beides ganz gut zusammen. Und aus eigener Erfahrung, weil wir selber auch einen behinderten Sohn haben, weiß ich, dass diese Menschen sehr engagiert sind und auch wirklich gewillt sind, ihren Beitrag zu bringen und letzten Endes auch eine menschliche Bereicherung sind. Das muss man also auch ganz klar sagen."
    Drei besonders leistungsfähige Mitglieder der Außenarbeitsgruppe, einer von ihnen ist Pietro Vignogna, hat Alexander Colsman inzwischen als Mitarbeiter in seinen Betrieb übernommen, und auch das rechnet sich für den Unternehmer. Denn zu den Lohnkosten gibt’s einen Zuschuss vom Landschaftsverband Rheinland in Höhe von bis zu 80 Prozent des Arbeitnehmerbruttolohnes.
    Nicht viel mehr als Mindestlohn
    Werkstattbeschäftigte erwartet nach dem Wechsel auf einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz allerdings nicht unbedingt finanzieller Wohlstand. Wenn sie gering qualifiziert sind, werden sie nicht viel mehr als den Mindestlohn verdienen. Und verzichten müssen sie dann auf das Privileg, bereits nach 20 Jahren in der Werkstatt eine Rente in Höhe von 80 Prozent der monatlichen Durchschnittsrente beziehen zu können. Aber in den rheinischen Werkstätten müssen sie sich mit einem Durchschnitts-Entgelt von rund 170 Euro begnügen. Und Integrationsmanager Martin Butzer sieht auch noch andere als finanzielle Vorteile durch die berufliche Inklusion.
    "Was man zum Beispiel sieht durch die Arbeit draußen, ist, dass das Selbstbewusstsein der Beschäftigten stark steigt. Weil, sie erfahren eine ganz andere Wertschätzung, als das vorher in der Werkstatt der Fall war. Und wir sehen, dass durch dieses gesteigerte Selbstbewusstsein ein sichereres Auftreten der Fall ist und in der Regel auch eine viel bessere Selbstvertretungskompetenz."
    Rollstühle stehen am 27.11.2012 vor einer Brandschutztür in der Werkstatt für behinderte Menschen Praunheim in Frankfurt am Main.
    Viele Werkstattbeschäftigte verdienen unter 200 Euro im Monat. Aber auch nach dem Wechsel auf einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz erwartet sie nicht unbedingt finanzieller Wohlstand. (dpa / Felix Frieler)
    Warum also bekommen nicht mehr Menschen mit Behinderung die Chance auf berufliche Inklusion?
    Vieles hängt am Engagement der Werkstätten
    "Eine Steigerung ist theoretisch natürlich möglich. Das ist keine Frage der finanziellen Ressourcen - derzeit zumindest", versichert Klaus Peter Rohde vom Integrationsamt des "Landschaftsverband Rheinland": "Es ist eben eine Frage: Wieviel Personen aus den Werkstätten bekommen wir in dieses System, in diesen Übergangsprozess? Aber auch: Wieviel Arbeitgeber finden wir, die bereit sind, diese Personen aufzunehmen?"
    Vieles hängt am Engagement der Werkstätten. Wenn diese ein gutes Verhältnis zu Betriebsleitungen aufbauen, können sie ihnen die Angst nehmen, mit der Einstellung eines behinderten Menschen ein unabsehbares Wagnis einzugehen. Längst nicht alle Einrichtungen aber haben – wie die Essener Franz-Sales-Werkstätten - eine Integrationsabteilung, die sich um solche Kontakte zur Wirtschaft kümmert und Beschäftigte für einen Arbeitsplatz dort fit macht. Kritiker sprechen denn auch von der Werkstatt als Sackgasse und argwöhnen, diese behalte ihre besten Leute lieber selber für lukrative Aufträge aus der Wirtschaft.
    Annette Esser, die beim Landschaftsverband Rheinland für die Leistungen zur Teilhabe zuständig ist, kann verstehen, dass Werkstätten mit guten Leistungen bei ihren Kunden punkten wollen. Nur so könnten sie ihren Beschäftigten vielfältige Aufgaben und Anspruch auf ein Entgelt bieten. Aber der Landschaftsverband passe auf, dass die Rehabilitation der Werkstattbeschäftigten nicht auf der Strecke bleibe, betont die Leiterin der Abteilung Sozialhilfe I.
    "Also, wir sind ja schon mit den Werkstätten in sehr engem Kontakt. Und über die Kostenträgerschaft für den einzelnen Menschen mit Behinderung bekommen wir einen ganz guten Einblick darein, was er möchte und was er sich zutraut. Wir treffen mit den Werkstätten regelmäßig Zielvereinbarungen über einen Zeitraum von drei Jahren, die beinhalten Übergang auf den ersten Arbeitsmarkt, aber auch betriebsintegrierte Arbeitsplätze oder Rehabilitationsziele für den einzelnen Menschen mit Behinderung. Und die werden auch in jährlichen Bilanzierungsgesprächen mit den Werkstätten nachgehalten, ob diese Ziele erfüllt wurden und wie sie erfüllt wurden."
    Alternativangebote zur Werkstatt
    Dennoch könnte manche Werkstatt engagierter sein, meint Annette Esser. Hoffnung setzt die Abteilungsleiterin in eine Regelung des neuen Bundesteilhabegesetzes. Danach können Menschen mit Behinderung künftig auch bei anderen Rehabilitationsträgern ihr Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben wahrnehmen bzw. sich auf eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vorbereiten lassen.
    "Es erwächst eine Konkurrenz im positiven Sinne zu den Werkstätten, es gibt Alternativangebote. Und um sich dann zu beweisen und auf dem Markt zu bestätigen, werden sich alle ein Stück bewegen müssen."
    Wie solch ein Konkurrenzangebot aussehen könnte, erklärt Monika Labruier. Die Geschäftsführerin der Kölner Projekt-Router-GmbH hat sich beim Landschaftsverband bereits als "Anderer Leistungsanbieter" ins Gespräch gebracht.
    "Als anderer Leistungsanbieter wäre unser Schwerpunkt die inklusive Beschäftigung in Unternehmen. Das heißt, wir haben - anders als Werkstätten - keine eigenen Trainingsbereiche oder Arbeitsbereiche, sondern unsere erste Auflage liegt darin, in privatwirtschaftlichen oder auch öffentlichen Unternehmen Nischenarbeitsplätze für den Bereich der Teilhabe zu suchen und dann so vorzubereiten, dass Menschen da ihren Teilhabeanspruch dann auch umsetzen können."
    "Place and train" heißt das Konzept, nach dem Projekt Router arbeitet. Es bedeutet, dass man eben nicht in einer Werkstatt auf einen eventuellen späteren Wechsel vorbereitet wird, sondern direkt in dem Unternehmen, in dem man dann per "Budget für Arbeit" fest angestellt werden soll. Interessant ist das vor allem für Menschen, die Vorbehalte gegenüber einer Werkstatt für Menschen haben. Psychisch kranke Menschen zum Beispiel, die Manfred Becker vom Integrations-Fachdienst in Köln schon seit 34 Jahren bei der beruflichen Teilhabe unterstützt.
    Das ist ja so, dass gerade Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen sich oft schwer damit tun, psychisch beeinträchtigt zu sein. Und das etikettiert zu bekommen. Und die Werkstatt wird schon sehr als ein Stigma, als ein Etikett begriffen und eben auch als Einrichtung nicht der Teilhabe, sondern der Aussonderung."
    Ein Konstruktionsfehler des Bundesgesetzes?
    Was in Nordrhein-Westfalen und auch in einigen anderen Bundesländern möglich ist: Die großzügig geförderte Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt, ohne vorher den Berufsbildungsprozess einer Werkstatt durchlaufen zu haben, sieht das bundesweite "Budget für Arbeit" nur in Ausnahmefällen vor. Danach kann nur derjenige eine Werkstatt vermeiden, der schon im Arbeitsleben erfolgreich war, bevor er voll erwerbsgemindert wurde. Ein Konstruktionsfehler des Bundesgesetzes, findet Manfred Becker.
    "Also, erstmal finde ich es gut, dass man sagt: Wir brauchen so etwas wie ein "Budget für Arbeit", dass also eine hohe Lohnsubventionierung und eine betriebliche Unterstützung überhaupt erstmal bundesweit ermöglicht wird. Allerdings ein bisschen kurz gesprungen, weil man quasi durch die Werkstatt muss, um das zu erlangen."
    Wenn die Bundesländer das "Budget für Arbeit" des Bundesteilhabegesetzes jetzt in Ausführungsgesetzen verabschieden, werden die je nach Land etwas unterschiedlich ausgestaltet sein. Dabei dürfen die Länder den vom Bundesgesetzgeber festgelegten Standard nicht unterlaufen, wohl aber ihn durch freiwillige Leistungen überschreiten
    Ein Schild für eine Behindertentoilette hängt am 29.10.2014 in der Bundesagentur für Arbeit in Lehrte in der Region Hannover.
    Die geförderte Inklusion für Menschen, die vorher nicht den Berufsbildungsprozess einer Werkstatt durchlaufen haben, sieht das bundesweite "Budget für Arbeit" nur in Ausnahmefällen vor. (dpa / Julian Stratenschulte)
    Bundesweit muss z.B. der maximale Zuschuss zum Arbeitnehmer-Bruttolohn künftig 75 Prozent betragen. Der Deckel, der bei knapp 1.200 Euro liegt, kann aber von den Ländern überschritten werden. Das könnte etwa angebracht sein, wenn ein höher qualifizierter Mensch vermittelt wird, der noch sehr viel Unterstützung braucht.
    Kein Anspruch auf Arbeitslosengeld
    Die fachliche Begleitung sowohl für die Rehabilitanden als auch für die Betriebe ist bundesweit verankert, ebenso wie das Rückkehrrecht in eine Werkstatt, wenn jemand nicht im allgemeinen Arbeitsmarkt bleiben will oder kann. Ein Nachteil dabei: Die Menschen, die vom Budget profitieren, werden auch im Betrieb weiterhin als voll erwerbsgemindert angesehen und deshalb nicht arbeitslosenversichert.
    "Das kann man jetzt für die Gruppe der psychisch Kranken, finde ich das ein bisschen problematisch, das gesetzlich immer festzuschreiben", kritisiert Klaus-Peter Rohde vom Integrationsamt des Landschaftsverbandes. Außerdem würden alle Wiedereingegliederten so in ihren Möglichkeiten beschnitten.
    "Weil, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren, auch ohne eigene Schuld, betriebsbedingte Schließung, dann müssen sie zurück in die Werkstatt, weil sie keinen anderen Anspruch auf Arbeitslosengeld eins oder zwei erworben haben. Das finde ich nicht konsequent."
    Am sozialrechtlichen Status der Geförderten können die Länder als Ausführende des Bundesgesetzes nichts ändern. Der Landschaftsverband Rheinland hat aber schon angekündigt, dass er ansonsten alle über das Bundesgesetz hinausgehenden Regelungen seines "LVR-Budget für Arbeit" beibehalten will. Nicht nur der Übergang in Arbeit, sondern auch in Ausbildung soll zum Beispiel weiter mit dem Budget unterstützt werden. Schülerinnen und Schüler, die eigentlich nur die Werkstatt als Zielperspektive haben, können, sofern ein interessiertes Unternehmen gefunden wird, dort mit Unterstützung durch Integrationsfachleute und mit der nötigen Zeit ihre Ausbildung absolvieren. 67 Schulabgänger wurden in den vergangenen Jahren in eine betriebliche Ausbildung vermittelt, die meisten haben ihre Ausbildung inzwischen erfolgreich beendet und wurden übernommen oder weitervermittelt.
    Es wird abzuwarten sein, ob solche positiven Erfahrungen auch diejenigen Länder inspirieren, die das "Budget für Arbeit" jetzt ganz neu implementieren.