Am Markusplatz und der Riva degli Schiavoni schaukeln die Gondeln im Wasser und bieten einen traumhaften Blick auf die Lagune. Die Turmuhr und der Glockenschlag des Torre dell´Orologio am Markusplatz teilte die Zeit und die Lebensabläufe der Venezianer in Stunden, Monate, Jahre und in diesem Fall sogar in Jahrhunderte. Aber, was bedeutet Zeit in Venedig?
Wir wollen heute ein Haus besuchen, das bereits 160 Jahre stand, als das Uhrwerk in diesem Turm neben der Basilica San Marco am 1. Februar 1499 zu ticken begann. Dieses Haus, das wir nun besuchen wollen, war zur damaligen Zeit der Palazzo einer Dogen Familie. Heute ist dieser Palazzo das Hotel Danieli. Silver Carpanese, der Resident-Manager des Hotels begrüßt uns lächelnd vor dem Eingangsportal.
"Wir betrachten das Danieli wie ein Museum wegen seiner bedeutsamen Geschichte. Der Palazzo wurde im frühen 14. Jahrhundert von der Dogen-Familie Dandolo gebaut. Zu dieser Zeit war es wohl das schönste Gebäude in Venedig."
Drehtür in eine andere Welt
Das Portal ist tatsächlich eine Drehtür. Direkt hinter den Flügeltüren blicken wir in das faszinierende gotische Atrium mit wunderbaren Murano-Glas Lüstern. Großzügige Treppen führen offen bis in die die beiden Nobel-Etagen. Neben der Drehtür wartet der Concierge auf uns, der die goldenen Zimmerschlüssel mit den roten Quasten hütet.
Das Schlüsselbord gruppiert sich um das Ziffernblatt einer großen goldenen Uhr, die auch in diesem Haus, so manch aufregende Zeit gesehen hat. Eine davon war offensichtlich der kleine Junge Filippo. Heute ist Filippo Bollani der Chefconcierge des Danieli. Die Uhr am Schlüsselbord hat Filippo an dieser Drehtür schon gesehen, als er noch ein Kind war.
"Fünf Brücken auf der linken Seite, da geht eine Straße rein, dort wohnten meine Großeltern, die ich einmal in der Woche als Kind besucht habe. Auf dem Rückweg bin ich immer mit der Drehtür des Hotels Danieli Karussell gefahren. Der Concierge hat dann immer geschimpft. Heute bin ich selbst der Concierge und ich schimpfe natürlich auch mit den Kids, ich weiß, das ist nicht so nett."
Angelina Jolie und Johnny Depp zu Gast
Filippo lacht über das Danieli Drehtür-Karussell. Diese Tür ist tatsächlich der einzige Eingang in den Palazzo Dandolo außer einem Anlegesteg am Seitenkanal für die Schiffe. Die Drehtür, sein Concierge Desk und das Schlüsselbord waren 2010 Kulisse für den Hollywoodfilm "Der Tourist" mit Angelina Jolie und Johnny Depp, die sich genau hier anmeldeten. Filippo wurde im Film von einem Schauspieler dargestellt, er selbst war während der Dreharbeiten hinter der Kamera und beobachtet den Moment, als sein Arbeitsplatz großes Filmtheater wurde.
"Das war eine nette Atmosphäre, als Angelina Jolie und Johnny Depp das Check-In in unserer Lobby drehten. Die Sekunden, die man im Film sieht, brauchten hier am Set einen halben Tag. Am Concierge Desk war alles abgesperrt. Überall lagen Kabel und große Scheinwerfer haben die Szene ausgeleuchtet. Wir haben während dieser Zeit den Hotelbetrieb im Hintergrund genial gelöst. Ich konnte mich auch mit Johnny nett unterhalten, er war sehr witzig und unkompliziert."
Der Doge Dandolo bringt von Reisen viele Reichtümer mit
Im Film schreiten Angelina Jolie als Elise Ward und Johnny Depp die Treppe hoch, auf dem Weg zur Dogen Suite. Der Bau des Palazzo wird dem Dogen Andrea Dandolo zugeschrieben. Er war der 54igste Doge und regierte von 1343 bis 1354. Der berühmteste Doge aus der Familie Dandolo war Enrico, der 1205 in Konstantinopel starb, erzählt Eva Reidt, die uns durch die wirklich historischen Räumlichkeiten begleitet.
"Er hat von seiner Reise viele Reichtümer mit zu seiner Familie mit nach Venedig gebracht, und diese Reichtümer sind heute noch im Hotel Danieli zu finden. Alte Gemälde, alte Teppiche, alte Statuen, alte Spiegel, viele Sachen, die dann wieder den Gesamteindruck entstehen lassen, dass das Hotel Danieli eigentlich eher einem Museum gleicht, als einem Hotel."
Auf Dandolo folgen die Familien Gritti und Dal Niel
Die Dandolos lebten in diesem Palazzo bis 1536, dann verkauften sie ihn an die Familie Gritti. Über die Jahrhunderte wechselten die Besitzer mehrfach. Im Jahr 1822 nutzte dann die Familie Dal Niel zunächst ein Teil des Gebäudes als Hotel, später kauften sie den gesamten Palast.
Einer dieser Kunstschätze, von denen Eva sprach, ist beispielsweise ein großer Spiegel, der die Wand der ersten Nobeletage ziert. Schaut man in diesen Spiegel fragt man sich, wer auch schon über die Jahrhunderte sein Ebenbild darin betrachtet hat.
Auch Goethe wohnte im alten Palazzo
Einer von ihnen könnte Johann Wolfgang von Goethe gewesen sein, der Gast des Hauses war. Als er Venedig im Herbst 1786 zum ersten Mal besuchte, schrieb er: "Venedig ist eine Stadt, die man nur mit sich selbst vergleichen kann". Wie geschichtsträchtig die Dinge hier sind, erzählt uns auch Dr. Roman Bogdan aus Berlin.
"Jahrelanger Gast hier, zurückführend noch aus meiner Studentenzeit. Also ich bin Mediziner und hatte hier im Rahmen der Studiobühne Erlangen, wo ich studiert habe, gespielt. Es gab auch eine Studiobühne in Venedig und ein Dr. Franco Zardo war da Mitglied. Er war schon promovierter Kunstwissenschaftler und der lud uns damals hierher ein. Und der hat mich damals in diese alten Palazzi geführt, so auch in diesen hier. Wer Herr Dandolo war, wussten wir schon. Er war Doge einer berühmten Dogenfamilie. Das Faszinierende für mich ist eben, man wohnt in einem alten Palazzo."
Canaletto porträtiert die Glanzzeiten Venedigs
In Zeiten von unzähligen Smartphone-Fotos fragt man sich, wie dies alles hier, vielleicht auch zur Zeit von Goethes Besuch ausgesehen hat. Erstaunlicherweise hat der Maler Giovanni Antonio, genannt Canaletto, eine Reihe nahezu fotorealistischer Bilder gemalt, die auch den Palazzo Dandolo zu dieser Zeit zeigen.
Der Vorraum der ersten Nobeletage gleicht einer offenen Veranda, die durch Arkadenbögen den Blick nach unten in die Empfangshalle zulässt, sie ist aber auch der Zugang zu den angrenzenden Nobelsuiten. Eva lädt uns zur Callas Suite ein.
"Wir betreten jetzt die Signature Soprano Suite, die ist inspiriert nach Maria Callas. Wir wissen, dass die Maria Callas am 3. September 1957 auf einem Ball im Hotel, der von der bekannten amerikanischen Journalistin Elsa Maxwell organisiert worden ist, den Aristoteles Onassis kennengelernt hat."
Aus den Fenstern des Wohnzimmers der Callas Suite, wenn man das so sagen darf, haben wir einen traumhaften Blick auf die Lagune. Besonders beeindruckend ist aber der Fußboden, dessen Dielen mit reichen Intarsien Ornamenten verziert sind. Dieser Klang des vor langer Zeit kunstvoll gestalteten Holzes, wenn man darüber schreitet, lässt unsere Gedanken schweifen, zum Beispiel zum Klang eines anderen Holzes aus dem Jahr 1710 das ebenfalls mit hoher Kunst bearbeitet wurde. Dieser fast überirdische Klang entstammt einer Violine von Antonio Stradivari.
Wenn wir schon über Musik im Palazzo Dandolo reflektieren, dann sprechen wir auch über Claudio Monteverdi. Claudio Monteverdi war ein enger Freund der Familie Mocenigo, die im 17. Jahrhundert Besitzer des Palastes war. Für die Tochter hatte Monteverdi zur Hochzeit um 1630 während des Karnevals das Madrigal "Der Kampf zwischen Tancredi und Clorinda" uraufgeführt.
Einsturz des Campanile am 14. Juli 1902
Die Uhr des Glockenturms kommt wieder in den Sinn. Kaum vorstellbar, was dieser Palazzo über die Jahrhunderte erlebt hat. Er war mehr als 300 Jahre alt, als schräg gegenüber am Ende des Canale Grande 1,2 Millionen Holzpfähle in den Boden getrieben wurde, um darauf die Basilica Maria della Salute zu bauen.
Oder, man fühlte die Erschütterung im Haus und hörte das Geräusch, als der Campanile am 14. Juli 1902 krachend einstürzte und 1912 an gleicher Stelle in gleicher Form, wie der Stadtrat beschloss, wieder aufgebaut wurde. Den Blick auf den Campanile, aber auch auf die gesamte Lagune genießt man wohl nirgends anders besser, als von der Terrazza des Danieli, dem Dachrestaurant, wo uns der Maître d´Hotel Giorgio Maniero empfängt. Von all den vielen und auch bedeutenden Gästen hier oben wird er eine Szene nie vergessen, erzählt er.
"Der wichtigste Gast ... weil ich das zum ersten mal so erlebte... war eine Prinzessin aus Hawaii. Vor ihr schritten 20 Mädchen in einheitlicher Kleidung und streuten Rosenblätter ... das war wie in einem Film ... Sie starteten in den Zimmern 36 und 37, sie kamen die Treppe herauf, die Rosenblätter waren überall ... Sie können sich vorstellen, als sie alle hier oben in der Terrasse ankamen, fragte sich jeder, was passiert hier gerade. Wir sagten: "Das ist die Prinzessin von Hawaii"... alle Gäste erhoben sich spontan und applaudierten, das werde ich nie vergessen."
Seebarsch mit Almond Creme und roten Adzukibohnen
Das ist die Musik der hawaiianischen Königin Lili´uokalini. An Giorgio Maniero´s Terrazza Restaurant grenzt direkt die Küche, und das ist die Musik der Küche. Herr der Pfannen und Töpfe ist heute Sous Chef Giuseppe Ricci, der gerade, und das ist für Venedig fast selbstverständlich, einen ganz besonderen Fisch zubereitet.
"Wir servieren den Seebarsch in zwei unterschiedlichen Farben als eine Art Kontrast zwischen süß und salzig in einer schwarzen und einer weißen Sesam Kruste. Zur weißen Variation geben wir eine Almond Creme und zur schwarzen eine auf Soja basierende Sauce. Diesen schwarz-weiß Kontrast dekorieren wir mit roten Adzukibohnen. Die Krönung des Bildes auf dem Teller ist eine Misticanza, das ist ein Mix verschiedener Salate und Wildkräuter aus der Region von Venedig."
Drei James Bond Filme wurden hier gedreht
Nach dem Genuss venezianischer Köstlichkeiten finden so manche Gäste zum Abschluss des Tages den Weg in die Bar. Und dort hört man von den unzähligen prominenten Persönlichkeiten, die Gäste des Hauses waren. Alleine drei James Bond Filme wurden hier gedreht, und natürlich war auch Sean Connery an dieser Bar, erzählt Roberto Naccari.
"Vespa - Martini hat mehr Süße als die anderen Martini Cocktails. Wir mixen einen Schuss französischen Lillet mit etwas Wodka und Gin. Und wie bei James Bond wird dieser Mix auf Eis geschüttelt und nicht gerührt. Der ist einfach einer meiner liebsten Cocktails."
Silver Carpanese hat sich wieder zu uns gesellt. Er erinnert sich an so manche Geschichte, die in diesem Haus geschah, eine davon rankt sich wiederum um den Film "Der Tourist."
"Es ist unglaublich... Aber wir haben Gäste, die kommen wirklich nur wegen dieses Films. Letztes Jahr kam ein Paar aus Polen. Sie haben den ganzen Film nachgedreht und sie selbst waren die Hauptdarsteller. Genau wie im Film "Der Tourist" reisten sie mit dem Zug an. Am Bahnhof Santa Lucia mieteten sie sich ein Boot und dann übernachteten einige Nächte hier im Danieli in unserer Dogen-Suite. Diesen Film drehten sie tatsächlich nur für sich selbst."
Prunk und Pomp an Karneval
Die Gäste versetzten sich mitunter im Danieli gerne in Szene, natürlich besonders beim "Carneval di Venezia".
"Die Zeit des Karnevals ist hier die verrückteste Zeit im Jahr. Viele Gäste kommen mit wunderbaren Kostümen. In diesem Jahr kam ein Paar aus Frankreich mit 18 Koffern. Sie wechselten ihre Kostüme dreimal am Tag. Für eine Dame, die seit 20 Jahren zu uns kommt, kam für die letzte und wichtigste Nacht eine riesige Box mit dem Privat- Kurier. Die Box war 1,90 mal 1,20 Meter groß ... das war nur der Unterrock... das beste Kostüm zeigt sie immer in der letzten Nacht."
"Venedig - jeden Tag etwas Neues entdecken"
Auch solche glanzvollen Nächte gehen zu Ende im Danieli. Roberto Naccari schließt seine Bar und macht sich auf den Weg nach Hause. Seine Erkenntnisse auf seinem täglichen Heimweg, den er seit Jahren läuft, soll unsere Reise in die Vergangenheit und Gegenwart eines Hauses, das man getrost als ein Juwel von Venedig bezeichnen kann, abrunden.
"Glaube mir, ich sehe jeden Tag ... jeden einzelnen Tag ... etwas Neues, was mir noch nie aufgefallen ist. Es ist unglaublich. Da ist diese Kirche, ich bin ein ganzes Leben einfach vorbei gegangen, ohne sie bewusst zu sehen, oder das Haus an der Kanalbrücke mit den wunderbaren Fensterläden, gestern Abend war es ein alter Brunnen mit einer seltenen Abdeckung. Hier in Venedig kannst Du wirklich jeden Tag etwas Neues entdecken."