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Das deutsche Konjunkturwunder 2011

Die Eurokrise dominierte das Wirtschaftsgeschehen 2011. Dennoch wuchs die deutsche Wirtschaft um drei Prozent und machte damit ihrem Ruf als Wachstumslokomotive alle Ehre. Zum Jahresende rechnen allerdings einige Volkswirte mit einer leichten Schrumpfung.

Von Brigitte Scholtes | 27.12.2011
    Optimistisch waren die meisten Auguren ja zu Beginn des laufenden Jahres schon für die deutsche Wirtschaft. Aber dass die deutsche Wirtschaft um drei Prozent wachsen würde, damit hatten sie nicht gerechnet. Die langen Reformjahre und die Lohnzurückhaltung haben sich gelohnt, meint Andreas Scheuerle, Volkswirt der Dekabank:

    "Wir haben in diesem Jahr die Früchte einer mehr als zehn Jahre währenden Phase von Reformen und Restrukturierung ernten können. Deutschland hat sich neu aufgestellt, die Unternehmen haben sich wettbewerbsfähig aufgestellt, und haben das mit guten Zahlen belohnt bekommen".

    Und die Unternehmen haben auch aus der letzten Krise gelernt, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank:

    "Die Bilanzen der deutschen Unternehmen sind sehr, sehr solide. Sie haben in diesem Jahr gute Gewinne gemacht und die Gewinne vor Steuern und Zinsen sind fast so hoch wie die Finanzschulden der Unternehmen. Sie sind also relativ gering verschuldet und sind recht ertragsstark. Das macht sie widerstandsfähig"

    So blicken am Jahresende die wichtigsten deutschen Industriebranchen auch zufrieden zurück, so der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie, Klaus Engel, Hauptgeschäftsführer Klaus Mittelbach vom Zentralverband der Elektroindustrie und Ralph Wiechers, Chefvolkswirt des Maschinenbauverbandes:
    "2011 war ein gutes Jahr für die chemische Industrie in Deutschland. Es wird ein weiteres Rekordjahr der Branche werden. Für die Elektroindustrie geht eines der sehr erfolgreichen Jahre zu Ende. Produktionswachstum von 14 Prozent, Umsatz auf insgesamt 180 Milliarden wieder. Damit sind wir fast wieder auf der Höhe, die wir vor der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 hatten, angekommen. Besonders sind natürlich die Bereiche gewachsen in China, in Brasilen. Die Emerging Markets haben kräftig nach Investitionsgütern gesucht und sie bei uns gefunden."

    Auch die Autoindustrie meldete neue Umsatzrekorde. Das Besondere an diesem Jahr aber war weniger die rege Investitionsgüternachfrage, meint Volkswirt Scheuerle von der Deka-Bank:

    "Eine starke Nachfrage nach Bauinvestitionen, die war teilweise noch Nachläufer des Konjunkturprogramms, aber sie wird mehr und mehr auch dadurch angetrieben, dass die Zinsen niedrig sind und dass die Einkommensperspektiven der Haushalte gut sind. Und das bringt uns zur letzten Komponente, dem privaten Konsum. Der war das Erfreulichste im letzten Jahr: Eine starke Arbeitsmarktentwicklung, zunehmend höhere Löhne und eine zumindest im Verlauf wieder sich abbauende Inflationsrate tragen zu diesem starken Konsum bei."

    Auf drei Prozent schätzt die Deutsche Bundesbank den Zuwachs im laufenden Jahr. Die dynamische Entwicklung hatte ihren Preis: Die Lebenshaltungskosten werden im Jahresdurchschnitt wohl um 2,5 Prozent zugelegt haben. Ein vorübergehendes Phänomen, hoffen die Experten. Das Jahr hatte stark begonnen, zum Jahresende jedoch rechnen einige Volkswirte mit einer leichten Schrumpfung. Denn völlig emanzipieren kann sich die deutsche Wirtschaft nicht von der Schuldenkrise, meint Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer:

    "Die von der Staatsschuldenkrise ausgehende Unsicherheit ist sehr, sehr hoch, sie hat begonnen, sich wie Mehltau auf die Konjunktur zu legen".

    Die Bundesbank hofft aber, dass die deutsche Wirtschaft noch einmal davonkommt, die Delle also nicht zu tief ausfallen wird. Dafür sprechen die jüngsten Auftragseingänge und vor allem verbesserte Stimmungsindikatoren. Zweimal hintereinander ist der ifo-Geschäftsklimaindex in den letzten beiden Monaten gestiegen. Das Konsumklima bleibt gut. Das macht Hoffnung. Schließlich geben sich auch die großen Branchen recht optimistisch. Sie wissen, dass Wirtschaft auch viel mit Stimmung zu tun hat.