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Das Digitale Logbuch
Hunde-Handy Teil 9

Hunde zerrten einmal dumm an Leinen herum, dann emanzipierten sie sich von den Menschen. Der Pinscher aber weiß, dass man abtreten muss, wenn es am schönsten ist.

Von Maximilian Schönherr |
    "Zusammen mit den Labradorinnen habe ich beschlossen, dass alle Hunde wieder nach Hause in die Menschenhäuser gehen."
    "Zusammen mit den Labradorinnen habe ich beschlossen, dass alle Hunde wieder nach Hause in die Menschenhäuser gehen." (Hans-Jörg Brehm / epict)
    Hallo, ich bin der Pinscher, ein ziemlich kleiner, voll durchdigitalisierter Köter. Weil das Gedächtnis von Ihnen Menschen schwach, unseres aber stark ist, erinnere ich gern daran, dass wir Hunde einmal dumm an Leinen herumzerrten. Wir haben uns dank der Mobiltelefone aus Tante Annis Phoneshop nicht nur von unseren bescheuerten Herrchen und Frauchen emanzipiert, sondern meine Freundinnen, die Labradorinnen und ich, die wir uns immer heimlich auf dem Friedhof trafen, befreiten mit der Hunde VZ die gesamte Hundewelt. Es gibt weit und breit keinen Haushalt mehr, in dem Hunde gefangen gehalten werden wie Tiere!
    Ich, der Hund aller Hunde, der Pinscher, weiß, dass man abtreten muss, wenn es am schönsten ist. Deswegen verkünde ich meinem Volk und von mir aus den Menschen: Ab sofort ist Schluss mit der Hunde VZ und all den Leck-Apps. Zusammen mit den Labradorinnen habe ich beschlossen, dass alle Hunde wieder nach Hause in die Menschenhäuser gehen. Wir waren zu lange weg gewesen, das ganze soziale Gefüge von Mensch und Hund geriet durcheinander, weil keiner mehr da war, der anschlug, wenn der Briefträger einen Brief vorbeibrachte.
    Natürlich wenden alle ein: Warum aufgeben? Warum keine Hunde VZ 2.0, die uns von Körbchen nach Bäumchen beamen könnte? Unter uns: Das wäre schon gegangen, aber wir hatten da ein Problem: Unsere Hunde VZ wurde dauernd gehackt. Es fing an mit DDoS-Attacken, da waren wir dann einige Tage lang nicht mehr funktionsfähig, gähnende Leere oben am Friedhof, selbst bei Vollmond. Schließlich übernahmen die Angreifer das ganze Portal und beschimpften uns Hunde: "Drecksköter stinken" stand da in Knallgelb auf der Startseite, ausgerechnet in Gelb, wo wir für Gelb so empfindlich sind. Wir konnten lecken und schnüffeln, wie wir wollten, es ging nicht weg. "Drecksköter sind laaangweilig". Mit drei a.
    Auf meinem hündisch unterwürfigen Weg nach Hause zu Herrchen schaue ich beim Friedhof vorbei. Die Labradorinnen, die eigentlich längst bei ihrer Herrin, der Frau mit dem grünen Mantel, im trauten Heim oben in der Siedlung sein müssten, lungern an der Kirchenmauer herum. "Keine Ahnung, warum sie uns nicht rein lässt, die Ziege", sagt mit einem traurigen Blick Wendy, die Schönere von beiden. Und Tara, die Klügere von beiden, hält mir, vor innerem Schmerz heulend, das Handy hin: "Drecksköter sind blöd", steht darauf, und sie kriegt es nicht weg, obwohl sie die App und alles programmiert hat.
    Was so euphorisch begann, hat damit ein Ende. Ich trotte runter, am alten Audi vorbei, mit dem wir so geile Fahrten unternommen hatten und der jetzt unter der Laterne vor sich hin vergammelt. Dann erreiche ich das Haus meines geliebten Herrchens. Bloß: Der wohnt da nicht mehr. Ich kann ihn nicht riechen. Ich rieche stattdessen: Katzen. Und Kater, iih!