Die geradezu besessene Rachsucht, mit der der Putsch-General und Diktator Francisco Franco seine einstigen republikanischen Gegner verfolgen und vernichten ließ, verblüfft. Das mörderische Wüten der Sieger spielte sich nicht nur - wie im Fall des Dichters Federico García Lorca - unmittelbar nach der Besetzung des jeweiligen Ortes im Bürgerkrieg ab, es zog sich mindestens bis weit in die 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts hin. Sehr viele von jenen, die da kurzerhand abgeholt und dann abgeknallt wurden, liegen in Massengräbern verscharrt. Wie viele dieses Schicksal ereilt hatte, darüber gab es immer nur vorsichtige Schätzungen. Es ist keine zehn Jahre her, da bezifferte man die Erschossenen und Verschwundenen auf etwa 30.000. In jüngster Zeit vermuteten Historiker bereits 100.000 Opfer. Jetzt wurde der erste Versuch einer tatsächlichen und gründlichen Zählung vorgestellt. Sie ergab eine schockierende, dabei auch nur vorläufige Zahl.
143.353 Fälle nennt Empar Salvador, Sprecherin eines Zusammenschlusses von Hinterbliebenenverbänden, die seit Jahren in allen Regionen Spaniens nach Massengräbern forschen und sie ausheben. Die Hinterbliebenen wollen ihre Vorfahren identifizieren, um sie in würdiger Weise bestatten zu können. Die mühseligen Nachforschungen dieser privat organisierten Verbände waren es, die zu der jetzt veröffentlichten Opferzahl führten. In einem gleichzeitig publizierten Manifest, verlesen von der andalusischen Vertreterin Paqui Maqueda, mahnen diese Verbände dringlich den eigentlich Zuständigen für die Aufklärung des Geschehenen, nämlich den Staat, endlich zu handeln.
"Es ist an der Zeit, dass die spanische Gesellschaft diese Angelegenheit mit Reife und Gerechtigkeit angeht, so wie es in Argentinien, Chile oder Südafrika geschehen ist. Die tausenden Opfer - die unter Gewaltanwendung Verschwundenen oder die willkürlich Erschossenen - sind die großen Vergessenen Spaniens. Wir fordern das Eingreifen der Justiz, um dieses Kapitel zu beenden, um den Schmerz der Angehörigen zu lindern, die nichts über den Verbleib ihrer Vorfahren wissen. Wir wollen diese Seite unserer Geschichte umblättern, um in die Zukunft sehen zu können."
Die Justiz immerhin ist aktiv geworden, wenn auch auf nicht unumstrittene Weise: Der schillernde Untersuchungsrichter Baltasar Garzón vom Nationalen Gerichtshof hatte die Angelegenheit angestoßen, als er Anfang September mehrere Ministerien, Stadtverwaltungen, aber auch die Konferenz der katholischen Bischöfe aufforderte, ihm Dokumente zu den Repressalien während des Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur zukommen zu lassen. Nach Sichtung des Materials, so Garzón, wolle er entscheiden, ob er eine förmliche Ermittlung in Gang setzen werde. Die ersten, die nun ihre Dokumentation zur Verfügung gestellt haben, sind die Hinterbliebenenverbände, auf deren Initiative hin Richter Garzón auch aktiv geworden war.
Höchst umstritten ist dabei, ob diese juristische Aufarbeitung überhaupt funktionieren kann: Eine Generalamnestie aus dem Jahr 1977, die sämtliche möglichen Gesetzesverstöße von Francos Amtsträgern straffrei stellt, aber auch Verjährungsfristen sprechen dagegen. Sollte es freilich gelingen, die Franco-Repressalien im juristischen Licht eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder Völkermord zu betrachten, könnte das durchaus anders aussehen. Womöglich zielt der Coup des Richters aber auch ohnehin in eine andere Richtung: nämlich mit Hilfe der jetzt entfachten öffentlichen Debatte die Regierung zu zwingen, endlich ihre administrativen Möglichkeiten auszuschöpfen, um das dunkelste Kapitel der Franco-Diktatur aufzuklären. Und damit das im vergangenen Jahr verabschiedete "Gesetz zur historischen Erinnerung" nun auch mit Inhalten und Handlungen zu füllen.
143.353 Fälle nennt Empar Salvador, Sprecherin eines Zusammenschlusses von Hinterbliebenenverbänden, die seit Jahren in allen Regionen Spaniens nach Massengräbern forschen und sie ausheben. Die Hinterbliebenen wollen ihre Vorfahren identifizieren, um sie in würdiger Weise bestatten zu können. Die mühseligen Nachforschungen dieser privat organisierten Verbände waren es, die zu der jetzt veröffentlichten Opferzahl führten. In einem gleichzeitig publizierten Manifest, verlesen von der andalusischen Vertreterin Paqui Maqueda, mahnen diese Verbände dringlich den eigentlich Zuständigen für die Aufklärung des Geschehenen, nämlich den Staat, endlich zu handeln.
"Es ist an der Zeit, dass die spanische Gesellschaft diese Angelegenheit mit Reife und Gerechtigkeit angeht, so wie es in Argentinien, Chile oder Südafrika geschehen ist. Die tausenden Opfer - die unter Gewaltanwendung Verschwundenen oder die willkürlich Erschossenen - sind die großen Vergessenen Spaniens. Wir fordern das Eingreifen der Justiz, um dieses Kapitel zu beenden, um den Schmerz der Angehörigen zu lindern, die nichts über den Verbleib ihrer Vorfahren wissen. Wir wollen diese Seite unserer Geschichte umblättern, um in die Zukunft sehen zu können."
Die Justiz immerhin ist aktiv geworden, wenn auch auf nicht unumstrittene Weise: Der schillernde Untersuchungsrichter Baltasar Garzón vom Nationalen Gerichtshof hatte die Angelegenheit angestoßen, als er Anfang September mehrere Ministerien, Stadtverwaltungen, aber auch die Konferenz der katholischen Bischöfe aufforderte, ihm Dokumente zu den Repressalien während des Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur zukommen zu lassen. Nach Sichtung des Materials, so Garzón, wolle er entscheiden, ob er eine förmliche Ermittlung in Gang setzen werde. Die ersten, die nun ihre Dokumentation zur Verfügung gestellt haben, sind die Hinterbliebenenverbände, auf deren Initiative hin Richter Garzón auch aktiv geworden war.
Höchst umstritten ist dabei, ob diese juristische Aufarbeitung überhaupt funktionieren kann: Eine Generalamnestie aus dem Jahr 1977, die sämtliche möglichen Gesetzesverstöße von Francos Amtsträgern straffrei stellt, aber auch Verjährungsfristen sprechen dagegen. Sollte es freilich gelingen, die Franco-Repressalien im juristischen Licht eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder Völkermord zu betrachten, könnte das durchaus anders aussehen. Womöglich zielt der Coup des Richters aber auch ohnehin in eine andere Richtung: nämlich mit Hilfe der jetzt entfachten öffentlichen Debatte die Regierung zu zwingen, endlich ihre administrativen Möglichkeiten auszuschöpfen, um das dunkelste Kapitel der Franco-Diktatur aufzuklären. Und damit das im vergangenen Jahr verabschiedete "Gesetz zur historischen Erinnerung" nun auch mit Inhalten und Handlungen zu füllen.