"Wir sind beide 80er-Jahre-Kinder sozusagen. Also, in den 80er-Jahren geboren und in den 90er-Jahren aufgewachsen."
Sonja Deffner. Die 33-Jährige ist die eine Hälfte des Duos "Globus" aus Berlin.
"Da ist man schon noch mit der Kassette aufgewachsen, und auch als Kind war es ein ganz beliebtes Spielzeug."
Ihr musikalischer Mitstreiter bei Globus, Patrick Hohlweck, hat ähnliche Kindheitserinnerungen. Mit dem Kassettenrekorder der Eltern schnitt er Lieder aus dem Radio mit und erinnert sich gut "an die stressige Situation, wenn man an den ersten Tönen erahnte, dass da jetzt ein Song laufen würde, den man gerne aufnehmen würde".
Teletubbies im Weltraum
Insofern ist es kein Zufall, dass die beiden Musiker ihr Debüt als Globus neben einem digitalen Download in einer limitierten Kassettenauflage verticken. Schon seit geraumer Zeit feiert die gute alte Kassette ein kleines Comeback. Selbst Madonna und Mark Ronson veröffentlichten dieses Jahr Musik auf dem Analogmedium, das weder für seinen brillanten Sound noch seine lange Lebensdauer bekannt ist. Eben ein skurriles Liebhaberstück, das im Zeitalter von Musik-Streaming und Skip-Taste herrlich anachronistisch wirkt, angefangen beim Vervielfältigungsprozess.
Sonja Deffner: "Man muss im richtigen Moment auf 'record' drücken. Man muss erstmal einen Klebestreifen draufkleben. Es ist wirklich sehr gebastelt und hat dadurch so etwas Organisches."
Sonja Deffner war drei Jahre lang die Keyboarderin bei Die Heiterkeit und spielt aktuell bei Christiane Rösinger, die als Ikone des deutschsprachigen Indie-Rock gilt. Erst kürzlich stieß Deffner zu PTTRNS, wo Patrick Hohlweck der Sänger und Gitarrist ist. Synth-Pop und Postpunk. Eingängig und tanzbar. Mit bedeutungsschwangeren Albumtiteln wie zuletzt "Material und Geschichte". Als Globus dagegen verzichten Deffner und Hohlweck vollkommen auf Texte. Stattdessen: zuckersüße Synthesizer von früher und heute. Das klingt wie die Musik aus frühen Computerspielen oder nach New-Age-Sounds – und manchmal einfach nur wie die Teletubbies im Weltraum.
Das Naive ist gewollt
Das Duo holt dabei viel an unterschiedlichen Klangfarben heraus - man glaubt mitunter neben synthetischen Streichern und Bläsern sogar ein Banjo, ein Glockenspiel oder Cembalo zu hören. Der Sound von Synthesizern allein über die Länge von acht Stücken ist dennoch anstrengend. Man muss das Instrument schon sehr mögen. Sonst stellt sich unwillkürlich der Wunsch ein, zwischendurch auch mal zu "skippen" - beziehungsweise auf "Vorspulen" zu drücken. Trotzdem muss man über die nölenden, quakenden und pfeifenden Synthesizer immer wieder schmunzeln. Das ist vor allem eins: niedlich und mutig zugleich, denn: Das Naive ist gewollt und frei von jeglicher Ironie.
Sonja Deffner: "Für uns ist es eine sehr positive Musik, die wenig Dunkelheit hat. Also, es ist eigentlich etwas sehr Helles, Lebendiges, das eher am Tag stattfindet."
Deshalb heißt das Album auch "Day Music". Songtitel wie "Das Geschenk" oder "The Green Bridge" sind frei für die Assoziationen der Hörerinnen und Hörer. Von dem Cover, das Sonja Deffner selbst gestaltet hat, winkt eine kleine Weltkugel - beziehungsweise ein Globus, der den Daumen hochhält. Die unschuldig wirkenden Figuren einer frühen Werbewelt aus den 60er- und 70er-Jahren hätten sie dazu inspiriert. Gerade in diesen Jahrzehnten herrschte damals ein Vertrauen in die Technik und ein positiver Fortschrittsglaube in der westlichen Welt. Vielleicht kann auch die Technik von heute dazu beitragen, den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Mit genau diesem Gedanken korrespondiert der Retrosound auf "Day Music".
Patrick Hohlweck: "Das ist sozusagen ein Retro-Optimismus. Wir glauben, dass es nicht so weit trägt zu denken, wir müssen zurück zu irgendeinem Naturzustand, den es nicht mehr geben wird und vielleicht auch nie gab. Sondern wir sollten versuchen – auch als politische Aufgabe – die technische Welt ins Boot zu holen. Und wir sollten eher versuchen mit technischen Errungenschaften, Innovationen oder Neuerungen die Welt zu retten."
Skurril und eigenwillig
"Day Music" ist skurril und eigenwillig. Etwas für Liebhaber. Man möchte auf das Album nicht verzichten. Schon gar nicht in einer Zeit, in der Popstars - was Klimaschutz angeht - auf die große Geste setzen: Massive Attack zum Beispiel wollen eine Studie zum CO2-Verbrauch der Musikbranche finanzieren, Billie Eilish plant auf ihrer Welttour 2020 ein Ökodorf zu errichten. Vor diesem Hintergrund wirkt die kleine Kassette von Globus geradezu unaufgeregt und erfrischend in ihrer Botschaft. Sie setzt nämlich auf etwas, das heute dringend wieder notwendig ist: Leichtigkeit und ...
Patrick Hohlweck: "... Optimismus, der uns natürlich aus nachvollziehbaren Gründen abhanden zu sein scheint, der aber vielleicht auf unterschiedlichen Feldern und auch in der Kunst vielleicht wiederzugewinnen wäre."