Silvia Engels: Am Wochenende hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel den Vorschlag gemacht und ihn gestern Früh im Deutschlandfunk präzisiert. Um in künftigen Finanzkrisen von Großbanken nicht zu weiteren Hilfen erpresst werden zu können, schlägt er vor, künftig Banken in ihren Bereichen Investment- und Geschäftsbank klarer zu trennen.
Die Vermögensberatung Flossbach und Storch berät in der Regel Privatkunden, die ein Kapital ab fünf Millionen Euro anlegen wollen. Ab einer Million immerhin ist eine fondsbasierte Vermögensverwaltung im Angebot. Das ist also nichts für den Kleinsparer. Aber die Firma schreibt sich Unabhängigkeit auf die Fahnen und in Zeiten der Schuldenkrise haben sie immer im Blick, wie sie das Geld ihrer Kunden lukrativ, aber vor allen Dingen sicher anlegen können. Für die einen sind sie damit Ziel von Kritik, da sie Teil des Finanzsystems sind; für die anderen sind sie die Vermögensschützer in schwierigen Zeiten. – Am Telefon ist Mitgründer und Vorstand Bert Flossbach. Guten Morgen!
Bert Flossbach: Ja! Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Vor knapp eineinhalb Jahren haben wir ja bereits ein Interview geführt, hier im Deutschlandfunk, und damals haben Sie als einer der ersten mit Blick auf Griechenland folgendes gefordert:
O-Ton Bert Flossbach: "Unser Vorschlag wäre eine geordnete Insolvenz, der IWF gibt einen Kredit, der vorrangig zu bedienen ist, um die nächsten Monate sauber zu überbrücken, und dann muss sich jeder auf einen Schnitt seiner Forderungen einstellen. Nur so kann Griechenland langfristig über den Berg kommen. Mit 120, 30, 40 Prozent Verschuldung zum Bruttoinlandsprodukt steht Griechenland in zwei oder drei Jahren genauso schlecht da wie heute."
Engels: Herr Flossbach, da waren Sie fast prophetisch. Bringt denn die geordnete Insolvenz, die Sie damals gefordert haben, die ja jetzt möglicherweise bevorsteht, für Griechenland noch etwas, kommt das noch rechtzeitig?
Flossbach: Wir haben ja damals schon im Prinzip erkannt, dass die einzige Lösung ist, den Schuldenberg zu reduzieren, indem man die Schulden schneidet, also nur einen Teil der Schulden zurückzahlt und Griechenland auf diese Art und Weise deutlich entlastet. Das ganze ist heute teurer, wir haben heute nicht mehr 320, sondern 360 Milliarden Schulden. Aber inzwischen haben es die Banken verstanden, einen Teil dieser Forderungen an Griechenland an uns Steuerzahler abzuwälzen. Diese Symbiose zwischen Bank und Politik hat dazu geführt, dass durch die Erpressung der Politik, wenn Griechenland fällt, dann fällt das ganze Bankensystem, sukzessive über verschiedene Hilfsschirme die Forderungen an Griechenland übertragen werden an den Staat. Und das passiert jetzt Monat für Monat weiter, und damit ist weder Griechenland geholfen, mit mehr Schulden löst man das Problem natürlich nicht, uns als Steuerzahler und Unternehmer hier in Deutschland sowieso nicht. Letztlich diente das Paket nur dazu, die Banken vor diesem überfälligen Schuldenschnitt zu bewahren.
Engels: Banken und die Staatsschuldenkrise in einer Verquickung, sagen Sie. Nun soll es ja beim EU-Gipfel, der für den Sonntag angepeilt ist, auch genau um die Kapitalausstattung von Banken und strengere Regeln gehen. Wie sehen Sie denn zum Beispiel die von Finanzminister Schäuble angekündigte künftige stärkere, größere Eigenkapitalquote für Banken von neun Prozent? Sie müssen mehr Geld halten, können also mit weniger spekulieren, das ist ja der Hintergrund.
Flossbach: Grundsätzlich ist das ja eine unserer Kernforderungen, das Eigenkapital der Banken muss deutlich höher sein, dann sind sie in der Lage, auch größere Verluste abzupuffern, können auch den Staat nicht so leicht erpressen und sagen, wenn da irgendwo was in der Peripherie passiert, dann hat das Dominoeffekte im Finanzsystem. Das ist also eine ganz entscheidende Forderung, die wir bereits seit langem stellen. Aber zu dieser Eigenkapitalquote muss man noch mal einen Punkt sagen, den, glaube ich, viele Hörer bis dato nicht in der Form kennen oder verstehen. Die Eigenkapitalquote von neun Prozent ist nicht die echte Eigenkapitalquote. Dexia zum Beispiel, die jetzt fast insolvent gegangene belgisch-französische Bank, hat 518 Milliarden Euro Bilanzsumme und 8,8 Milliarden Euro Eigenkapital. Das sind 1,7 Prozent. Die Eigenkapitalquote, die Sie lesen und die Sie hören, ist aber nicht 1,7 Prozent, sondern 10,4 Prozent sogenanntes Rang-1-Kapital, und das bedeutet, dass die Bilanzsumme zusammengedampft wird um 80, 90 Prozent, und dann bleibt nicht mehr viel übrig, weil die gesamten Aktiva oder ein großer Teil der Aktiva als risikolos gelten, und deswegen reichen dann schlappe 8,8 Milliarden aus, um bei einer Bilanzsumme von über 500 Milliarden auf zehn Prozent zu kommen. Also dieser Dreisatz erschließt sich keinem Menschen mit gesundem Menschenverstand. Das ist Teil einer viel zu laxen Eigenkapitalregulierung im System, die in den 90er-Jahren ihren Ursprung fand und die zurückgeführt werden muss, damit auch der Hebel, mit dem die Banken operieren, deutlich geringer ausfällt, als das momentan der Fall ist.
Engels: Die variable Eigenkapitalquote halten Sie also für zu leicht manipulierbar. – Was halten Sie denn von dem Vorschlag von SPD-Chef Gabriel, zur Trennung der Finanzunternehmen in Geschäftsbank und Investmentbank zurückzukehren? In den USA war das ja mal ganz strikt auseinandergehalten.
Flossbach: Ja. Ich erinnere mich an meine ersten Jahre in New York, da war das noch so, da gab es das klassische Investmentbanking. Das hatte auch überhaupt nichts mit Zocken zu tun, das war die Beratung, die Emission von Aktien, von Anleihen, also überhaupt nicht das, was dann in den späten 90ern und in den letzten zehn Jahren zum Investmentbanking wurde. Dieses Trennbankensystem, das ja aus den 30er-Jahren resultiert, unter dem Glass Steagall Akt ja die Kommerzialbanken oder Geschäftsbanken die Kreditvergabe betreiben und die Investmentbanken voneinander getrennt wurden, das scheint mir durchaus für die Zukunft ein vernünftiges Konzept zu sein, auch eine Forderung, die wir eigentlich schon seit langer Zeit, nämlich genauer gesagt seit fast drei Jahren inzwischen stellen. Es geht nicht anders, die Risiken müssen von der klassischen Geschäftsbank entfernt und getrennt werden. Nur so können wir sicherstellen, dass das Banksystem mit seiner wichtigen dienstleistenden Funktion für die Wirtschaft auch funktioniert, was jetzt nicht mehr der Fall ist, denn wenn die EZB jetzt billiges Geld gibt an die Universalbank, dann nutzt dieses letztlich über den Handelstisch der Investmentbank und investiert diese billigen aufgenommenen Kredite, die jeder gerne hätte für 1,5 oder ein Prozent Zins, investiert die in relativ hochverzinsliche Peripherieanleihen und lässt sich dann letztlich, wenn es dort schiefläuft, wieder mit Erpressungsdruck an den Staat retten.
Engels: Nun sagen aber die Kritiker, wenn man das nicht international durchsetzt, eine solche Trennung, dann bleiben auf einmal die großen Geschäftsbanken, die das mit Investmentbank kombinieren dürfen, und die kleineren und dann werden die großen die kleinen solventen Geschäftsbanken einfach aufkaufen.
Flossbach: Das ist nicht ganz falsch. Das Trennbankensystem müsste international oder möglichst international eingeführt werden. Es war ja damals so, dass es das nur in Amerika und partiell in England gab, bei uns hier in Deutschland oder in Europa überwogen die Universalbanken. Das hat also auch funktioniert, wenn sich eine Bank auf ihre Stärken fokussiert und nicht unbedingt immer alles aus einer Hand anbieten will. Aber hier ist ganz klar eine internationale Koordinierung erforderlich. Das gilt im übrigen ja auch für Dinge wie die Finanztransaktionssteuer, die auch nicht richtig funktioniert, wenn man die nur in einem einzelnen Land oder einer Region umsetzt.
Engels: Herr Flossbach, Sie als Vermögensverwalter haben große Vermögen von Privatanlegern, aber auch Unternehmern im Blick und sind damit natürlich auch Konkurrenten von Banken. Machen Sie hier gerade die Banken so schlecht, weil sie Konkurrenten sind?
Flossbach: Nein. Wir haben auch Banken als Kunden. Hier geht es ja inzwischen um viel mehr. Wir haben am Anfang dieses Thema – Herr Köhler, der ehemalige Bundespräsident, hat das mit dem Wort Monster beschrieben -, dass wir systemrelevante Banken haben. Systemrelevante Banken sind zu systemgefährdenden Banken gehören und wir sind als Unternehmer in Deutschland wie all die anderen Menschen auch und all die anderen Unternehmer auch natürlich Teil dieses Systems, und wir wollen nicht, dass das gefährdet wird. Und die dritte Stufe ist dann Demokratiegefährdung, und das ist ein Punkt, der uns schon seit langem umtreibt, dass wenn diese Dinge hier nicht in die richtige Richtung gelenkt werden oder korrigiert werden, dass am Ende – und mich wundert, dass diese "Occupy Wallstreet"-Bewegungen jetzt erst aufkommen – am Ende ein Protest, der auch dann sehr undifferenziert stattfindet, einfach gegen alle Leute mit Anzug als Beispiel aufkommt, und das ist etwas, was uns viel stärker bewegt, als jetzt hier irgendwelche konkreten geschäftspolitischen Interessen. Und wie gesagt, wir haben auch Banken als Kunden, also wir machen es uns nicht so einfach und sagen, wir halten den Kopf runter, wir sagen nichts, weil das eventuell geschäftspolitische Interessen verfehlen könnte.Und im übrigen auch, was Sie eingangs sagten: das Privatkundengeschäft ist der Bereich, aus dem wir ursprünglich stammen, also die großen Privatvermögen. Das hat sich jetzt aber über Fonds auch in die Breite gestreut. Wir haben inzwischen viele Tausend Kunden und sind jetzt nicht Dienstleister, wie es manchmal so schön heißt, der Reichen, sondern wir betreuen ein sehr breites Kundenspektrum. Und dort kann man sagen, auf der gesamten Kundenebene von klein bis groß ist die Sorge da, dass weit mehr passiert als das, was wir jetzt an den Finanzmärkten sehen, sondern die daraus ableitenden Gefährdungen des gesellschaftlichen Zusammenhangs und der Demokratie.
Engels: Aber was sagen Sie denen, auch von der "Occupy Wallstreet"-Bewegung, die ja auch in Vermögensverwaltungen wie der Ihren Gefahren sehen, weil dort frei bewegliches Vermögen angelegt wird, Stichwort Spekulation ohne Langfristinteresse?
Flossbach: Also zunächst einmal ist Spekulation per se ja nicht negativ. Das ist nötig, damit Liquidität an den Kapitalmärkten herrscht. Zum zweiten haben wir ein Langfristinteresse, sogar ein sehr langfristiges. Wir haben das sogar - in einer Roadmap 2.20 mal tituliert – vor sieben Jahren beschrieben und auch da schon auf die Problematik des Euros, Griechenlands, Italiens et cetera hingewiesen. Also wir machen uns da sehr, sehr langfristige Gedanken und ich glaube, das ist das, was uns auch mit anderen unabhängigen Vermögensverwaltern auch klar differenziert. Wir unterliegen keinem Quartalsstress, keinem Quartalsdruck, sondern wir können uns für uns selbst und unsere Kunden sehr, sehr langfristig orientieren. Und in dem Kontext – und das ist, glaube ich, auch der Grund, warum wir diese Problematik sehr früh erkannt haben -, wenn man weit nach vorne schaut, sieht man die dunklen Wolken auch weit hinten am Horizont.
Engels: Dann tun wir das doch genau. Vor eineinhalb Jahren rieten Sie zu einer geordneten Insolvenz Griechenlands. Wo sehen Sie eineinhalb Jahre vorausblickend den Euro und wo legen Sie dann an?
Flossbach: Wichtigstes Postulat ist Diversifikation. Also die Anlage weder in einer Euro- oder einer Währungszone, noch in einer Anlageklasse sind geeignet, ein Vermögen langfristig über die Runden zu bringen. Null-eins-Entscheidungen, dazu gehört auch die vermeintlich sichere Staatsanleihe oder die vermeintlich sichere Anlage auf einem Sparguthaben, sind sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Diversifikation gilt heute mehr denn je als oberstes Postulat. Dazu zählt Gold, dazu zählen erstklassige Aktien, dazu zählt auch Liquidität. Das sind sagen wir mal die wichtigsten Aspekte der Anlagestrategie.
Und was die nächsten eineinhalb Jahre bringen werden, sind wir uns relativ sicher, dass der Euro in seiner jetzigen Form Veränderungen erfahren wird. Der politische Wille kann halt nicht auf Dauer über die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten regieren, und genau das haben die Politiker versucht, indem sie mit dem Euro den europäischen Integrationsprozess eine Stufe, eine Stufe zu weit gedreht haben, überdreht haben. Und das jetzt zu revidieren, ist sehr schwer, und deswegen wird dieser Prozess der Anpassung des Euros an die wirtschaftlichen Gegebenheiten in der Euro-Zone, deshalb wird dieser Prozess auch nicht ganz geordnet ablaufen, sondern immer wieder von den Märkten, die bösen Märkten, hinter denen letztlich alle Investoren, aber auch Nichtinvestoren stehen, also alle Leute, die Anlageentscheidungen treffen oder nicht treffen, erzwungen.
Engels: Bert Flossbach, Mitgründer und Vorstand der Vermögensverwaltung Flossbach und Storch. Vielen Dank für das Gespräch.
Flossbach: Ja! Vielen Dank, Frau Engels!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Die Vermögensberatung Flossbach und Storch berät in der Regel Privatkunden, die ein Kapital ab fünf Millionen Euro anlegen wollen. Ab einer Million immerhin ist eine fondsbasierte Vermögensverwaltung im Angebot. Das ist also nichts für den Kleinsparer. Aber die Firma schreibt sich Unabhängigkeit auf die Fahnen und in Zeiten der Schuldenkrise haben sie immer im Blick, wie sie das Geld ihrer Kunden lukrativ, aber vor allen Dingen sicher anlegen können. Für die einen sind sie damit Ziel von Kritik, da sie Teil des Finanzsystems sind; für die anderen sind sie die Vermögensschützer in schwierigen Zeiten. – Am Telefon ist Mitgründer und Vorstand Bert Flossbach. Guten Morgen!
Bert Flossbach: Ja! Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Vor knapp eineinhalb Jahren haben wir ja bereits ein Interview geführt, hier im Deutschlandfunk, und damals haben Sie als einer der ersten mit Blick auf Griechenland folgendes gefordert:
O-Ton Bert Flossbach: "Unser Vorschlag wäre eine geordnete Insolvenz, der IWF gibt einen Kredit, der vorrangig zu bedienen ist, um die nächsten Monate sauber zu überbrücken, und dann muss sich jeder auf einen Schnitt seiner Forderungen einstellen. Nur so kann Griechenland langfristig über den Berg kommen. Mit 120, 30, 40 Prozent Verschuldung zum Bruttoinlandsprodukt steht Griechenland in zwei oder drei Jahren genauso schlecht da wie heute."
Engels: Herr Flossbach, da waren Sie fast prophetisch. Bringt denn die geordnete Insolvenz, die Sie damals gefordert haben, die ja jetzt möglicherweise bevorsteht, für Griechenland noch etwas, kommt das noch rechtzeitig?
Flossbach: Wir haben ja damals schon im Prinzip erkannt, dass die einzige Lösung ist, den Schuldenberg zu reduzieren, indem man die Schulden schneidet, also nur einen Teil der Schulden zurückzahlt und Griechenland auf diese Art und Weise deutlich entlastet. Das ganze ist heute teurer, wir haben heute nicht mehr 320, sondern 360 Milliarden Schulden. Aber inzwischen haben es die Banken verstanden, einen Teil dieser Forderungen an Griechenland an uns Steuerzahler abzuwälzen. Diese Symbiose zwischen Bank und Politik hat dazu geführt, dass durch die Erpressung der Politik, wenn Griechenland fällt, dann fällt das ganze Bankensystem, sukzessive über verschiedene Hilfsschirme die Forderungen an Griechenland übertragen werden an den Staat. Und das passiert jetzt Monat für Monat weiter, und damit ist weder Griechenland geholfen, mit mehr Schulden löst man das Problem natürlich nicht, uns als Steuerzahler und Unternehmer hier in Deutschland sowieso nicht. Letztlich diente das Paket nur dazu, die Banken vor diesem überfälligen Schuldenschnitt zu bewahren.
Engels: Banken und die Staatsschuldenkrise in einer Verquickung, sagen Sie. Nun soll es ja beim EU-Gipfel, der für den Sonntag angepeilt ist, auch genau um die Kapitalausstattung von Banken und strengere Regeln gehen. Wie sehen Sie denn zum Beispiel die von Finanzminister Schäuble angekündigte künftige stärkere, größere Eigenkapitalquote für Banken von neun Prozent? Sie müssen mehr Geld halten, können also mit weniger spekulieren, das ist ja der Hintergrund.
Flossbach: Grundsätzlich ist das ja eine unserer Kernforderungen, das Eigenkapital der Banken muss deutlich höher sein, dann sind sie in der Lage, auch größere Verluste abzupuffern, können auch den Staat nicht so leicht erpressen und sagen, wenn da irgendwo was in der Peripherie passiert, dann hat das Dominoeffekte im Finanzsystem. Das ist also eine ganz entscheidende Forderung, die wir bereits seit langem stellen. Aber zu dieser Eigenkapitalquote muss man noch mal einen Punkt sagen, den, glaube ich, viele Hörer bis dato nicht in der Form kennen oder verstehen. Die Eigenkapitalquote von neun Prozent ist nicht die echte Eigenkapitalquote. Dexia zum Beispiel, die jetzt fast insolvent gegangene belgisch-französische Bank, hat 518 Milliarden Euro Bilanzsumme und 8,8 Milliarden Euro Eigenkapital. Das sind 1,7 Prozent. Die Eigenkapitalquote, die Sie lesen und die Sie hören, ist aber nicht 1,7 Prozent, sondern 10,4 Prozent sogenanntes Rang-1-Kapital, und das bedeutet, dass die Bilanzsumme zusammengedampft wird um 80, 90 Prozent, und dann bleibt nicht mehr viel übrig, weil die gesamten Aktiva oder ein großer Teil der Aktiva als risikolos gelten, und deswegen reichen dann schlappe 8,8 Milliarden aus, um bei einer Bilanzsumme von über 500 Milliarden auf zehn Prozent zu kommen. Also dieser Dreisatz erschließt sich keinem Menschen mit gesundem Menschenverstand. Das ist Teil einer viel zu laxen Eigenkapitalregulierung im System, die in den 90er-Jahren ihren Ursprung fand und die zurückgeführt werden muss, damit auch der Hebel, mit dem die Banken operieren, deutlich geringer ausfällt, als das momentan der Fall ist.
Engels: Die variable Eigenkapitalquote halten Sie also für zu leicht manipulierbar. – Was halten Sie denn von dem Vorschlag von SPD-Chef Gabriel, zur Trennung der Finanzunternehmen in Geschäftsbank und Investmentbank zurückzukehren? In den USA war das ja mal ganz strikt auseinandergehalten.
Flossbach: Ja. Ich erinnere mich an meine ersten Jahre in New York, da war das noch so, da gab es das klassische Investmentbanking. Das hatte auch überhaupt nichts mit Zocken zu tun, das war die Beratung, die Emission von Aktien, von Anleihen, also überhaupt nicht das, was dann in den späten 90ern und in den letzten zehn Jahren zum Investmentbanking wurde. Dieses Trennbankensystem, das ja aus den 30er-Jahren resultiert, unter dem Glass Steagall Akt ja die Kommerzialbanken oder Geschäftsbanken die Kreditvergabe betreiben und die Investmentbanken voneinander getrennt wurden, das scheint mir durchaus für die Zukunft ein vernünftiges Konzept zu sein, auch eine Forderung, die wir eigentlich schon seit langer Zeit, nämlich genauer gesagt seit fast drei Jahren inzwischen stellen. Es geht nicht anders, die Risiken müssen von der klassischen Geschäftsbank entfernt und getrennt werden. Nur so können wir sicherstellen, dass das Banksystem mit seiner wichtigen dienstleistenden Funktion für die Wirtschaft auch funktioniert, was jetzt nicht mehr der Fall ist, denn wenn die EZB jetzt billiges Geld gibt an die Universalbank, dann nutzt dieses letztlich über den Handelstisch der Investmentbank und investiert diese billigen aufgenommenen Kredite, die jeder gerne hätte für 1,5 oder ein Prozent Zins, investiert die in relativ hochverzinsliche Peripherieanleihen und lässt sich dann letztlich, wenn es dort schiefläuft, wieder mit Erpressungsdruck an den Staat retten.
Engels: Nun sagen aber die Kritiker, wenn man das nicht international durchsetzt, eine solche Trennung, dann bleiben auf einmal die großen Geschäftsbanken, die das mit Investmentbank kombinieren dürfen, und die kleineren und dann werden die großen die kleinen solventen Geschäftsbanken einfach aufkaufen.
Flossbach: Das ist nicht ganz falsch. Das Trennbankensystem müsste international oder möglichst international eingeführt werden. Es war ja damals so, dass es das nur in Amerika und partiell in England gab, bei uns hier in Deutschland oder in Europa überwogen die Universalbanken. Das hat also auch funktioniert, wenn sich eine Bank auf ihre Stärken fokussiert und nicht unbedingt immer alles aus einer Hand anbieten will. Aber hier ist ganz klar eine internationale Koordinierung erforderlich. Das gilt im übrigen ja auch für Dinge wie die Finanztransaktionssteuer, die auch nicht richtig funktioniert, wenn man die nur in einem einzelnen Land oder einer Region umsetzt.
Engels: Herr Flossbach, Sie als Vermögensverwalter haben große Vermögen von Privatanlegern, aber auch Unternehmern im Blick und sind damit natürlich auch Konkurrenten von Banken. Machen Sie hier gerade die Banken so schlecht, weil sie Konkurrenten sind?
Flossbach: Nein. Wir haben auch Banken als Kunden. Hier geht es ja inzwischen um viel mehr. Wir haben am Anfang dieses Thema – Herr Köhler, der ehemalige Bundespräsident, hat das mit dem Wort Monster beschrieben -, dass wir systemrelevante Banken haben. Systemrelevante Banken sind zu systemgefährdenden Banken gehören und wir sind als Unternehmer in Deutschland wie all die anderen Menschen auch und all die anderen Unternehmer auch natürlich Teil dieses Systems, und wir wollen nicht, dass das gefährdet wird. Und die dritte Stufe ist dann Demokratiegefährdung, und das ist ein Punkt, der uns schon seit langem umtreibt, dass wenn diese Dinge hier nicht in die richtige Richtung gelenkt werden oder korrigiert werden, dass am Ende – und mich wundert, dass diese "Occupy Wallstreet"-Bewegungen jetzt erst aufkommen – am Ende ein Protest, der auch dann sehr undifferenziert stattfindet, einfach gegen alle Leute mit Anzug als Beispiel aufkommt, und das ist etwas, was uns viel stärker bewegt, als jetzt hier irgendwelche konkreten geschäftspolitischen Interessen. Und wie gesagt, wir haben auch Banken als Kunden, also wir machen es uns nicht so einfach und sagen, wir halten den Kopf runter, wir sagen nichts, weil das eventuell geschäftspolitische Interessen verfehlen könnte.Und im übrigen auch, was Sie eingangs sagten: das Privatkundengeschäft ist der Bereich, aus dem wir ursprünglich stammen, also die großen Privatvermögen. Das hat sich jetzt aber über Fonds auch in die Breite gestreut. Wir haben inzwischen viele Tausend Kunden und sind jetzt nicht Dienstleister, wie es manchmal so schön heißt, der Reichen, sondern wir betreuen ein sehr breites Kundenspektrum. Und dort kann man sagen, auf der gesamten Kundenebene von klein bis groß ist die Sorge da, dass weit mehr passiert als das, was wir jetzt an den Finanzmärkten sehen, sondern die daraus ableitenden Gefährdungen des gesellschaftlichen Zusammenhangs und der Demokratie.
Engels: Aber was sagen Sie denen, auch von der "Occupy Wallstreet"-Bewegung, die ja auch in Vermögensverwaltungen wie der Ihren Gefahren sehen, weil dort frei bewegliches Vermögen angelegt wird, Stichwort Spekulation ohne Langfristinteresse?
Flossbach: Also zunächst einmal ist Spekulation per se ja nicht negativ. Das ist nötig, damit Liquidität an den Kapitalmärkten herrscht. Zum zweiten haben wir ein Langfristinteresse, sogar ein sehr langfristiges. Wir haben das sogar - in einer Roadmap 2.20 mal tituliert – vor sieben Jahren beschrieben und auch da schon auf die Problematik des Euros, Griechenlands, Italiens et cetera hingewiesen. Also wir machen uns da sehr, sehr langfristige Gedanken und ich glaube, das ist das, was uns auch mit anderen unabhängigen Vermögensverwaltern auch klar differenziert. Wir unterliegen keinem Quartalsstress, keinem Quartalsdruck, sondern wir können uns für uns selbst und unsere Kunden sehr, sehr langfristig orientieren. Und in dem Kontext – und das ist, glaube ich, auch der Grund, warum wir diese Problematik sehr früh erkannt haben -, wenn man weit nach vorne schaut, sieht man die dunklen Wolken auch weit hinten am Horizont.
Engels: Dann tun wir das doch genau. Vor eineinhalb Jahren rieten Sie zu einer geordneten Insolvenz Griechenlands. Wo sehen Sie eineinhalb Jahre vorausblickend den Euro und wo legen Sie dann an?
Flossbach: Wichtigstes Postulat ist Diversifikation. Also die Anlage weder in einer Euro- oder einer Währungszone, noch in einer Anlageklasse sind geeignet, ein Vermögen langfristig über die Runden zu bringen. Null-eins-Entscheidungen, dazu gehört auch die vermeintlich sichere Staatsanleihe oder die vermeintlich sichere Anlage auf einem Sparguthaben, sind sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Diversifikation gilt heute mehr denn je als oberstes Postulat. Dazu zählt Gold, dazu zählen erstklassige Aktien, dazu zählt auch Liquidität. Das sind sagen wir mal die wichtigsten Aspekte der Anlagestrategie.
Und was die nächsten eineinhalb Jahre bringen werden, sind wir uns relativ sicher, dass der Euro in seiner jetzigen Form Veränderungen erfahren wird. Der politische Wille kann halt nicht auf Dauer über die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten regieren, und genau das haben die Politiker versucht, indem sie mit dem Euro den europäischen Integrationsprozess eine Stufe, eine Stufe zu weit gedreht haben, überdreht haben. Und das jetzt zu revidieren, ist sehr schwer, und deswegen wird dieser Prozess der Anpassung des Euros an die wirtschaftlichen Gegebenheiten in der Euro-Zone, deshalb wird dieser Prozess auch nicht ganz geordnet ablaufen, sondern immer wieder von den Märkten, die bösen Märkten, hinter denen letztlich alle Investoren, aber auch Nichtinvestoren stehen, also alle Leute, die Anlageentscheidungen treffen oder nicht treffen, erzwungen.
Engels: Bert Flossbach, Mitgründer und Vorstand der Vermögensverwaltung Flossbach und Storch. Vielen Dank für das Gespräch.
Flossbach: Ja! Vielen Dank, Frau Engels!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.