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"Das Ein-Liter-Auto ist kein Spaßauto"

Wolfgang Meinig, Leiter der Forschungsstelle Automobilwirtschaft an der Uni Bamberg, hält die Klimaschutzankündigungen der Automobilindustrie anlässlich der IAA zum großen Teil für einen PR-Gag. Meinig sieht beim Klimaschutz vor allem den Verbraucher in der Pflicht. Mit ihren bisherigen Anstrengungen in diesem Bereich seien die deutschen Automobilhersteller am Markt gescheitert. "Wenn es zur Kaufentscheidung kam, haben andere Kriterien gegolten", so Meinig.

Moderation: Christian Schütte |
    Christian Schütte: Viel wurde schon vorab berichtet, ab heute darf das Fachpublikum hinein. Die Internationale Automobil-Ausstellung in Frankfurt öffnet ihre Tore, und im Mittelpunkt steht dabei der Spagat zwischen Mobilität und Klimaschutz. Am Telefon ist Wolfgang Meinig, Professor an der Uni Bamberg, und dort ist er Leiter der Forschungsstelle Automobilwirtschaft. Guten Morgen, Herr Meinig!

    Wolfgang Meinig: Ja, guten Morgen.

    Schütte: Alle reden über das Klima, nicht nur Politiker, inzwischen auch die Automobilhersteller. Viel zu spät, sagen manche. Hat die Autoindustrie hier einen Trend verschlafen?

    Meinig: Diesen Vorwurf kann man nicht so direkt machen. Die Automobilindustrie in Deutschland war hochgradig innovativ. Allerdings haben die deutschen Hersteller es vermieden, in den Markt zu gehen aufgrund schlechter Erfahrungen, da waren die Japaner mutiger, die haben jetzt die Nase vorn. Aber grundsätzlich von den Entwicklungsanstrengungen her gesehen, kann man den deutschen Automobilherstellern eigentlich nur gute Noten geben.

    Schütte: VW verspricht, das Ein-Liter-Auto zu bauen, der Hybridantrieb soll kommen, jetzt auch in Deutschland. Sind das jetzt ernst zu nehmende Ankündigungen für eine Trendwende bei den Autokonzernen hin zum Klimaschutz?

    Meinig: Das Ein-Liter-Auto ist kein Spaßauto. Das ist sehr mühsam, so ein Fahrzeug mit einem Liter zu fahren. Da ist keine Freude an Mobilität mehr vorhanden. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass ein solches Fahrzeug künstlich geheizt werden muss, wenn man im Winter fahren würde. Also wir sollten nicht übertreiben, wir sollten bei realistischen Größenordnungen bleiben zwischen drei, vier oder fünf Litern.

    Schütte: Das heißt, das, was wir zum Teil auf der IAA sehen, ist ein PR-Gag, eine Klimashow?

    Meinig: Zum großen Teil, muss ich leider sagen, ist es PR-Gag. Man fühlt sich in der Defensive und hat jetzt ganz schnell alle Argumente ins Feld geführt, der eine stärker, der andere weniger, der eine solider, der andere weniger solide.

    Schütte: Wie schätzen Sie denn den Markt ein? Wie groß ist das Bedürfnis der Verbraucher, der Autofahrer, sich umweltfreundlich zu verhalten und dann gegebenenfalls auch ein Ein-Liter-Auto zu kaufen oder eines, was wenig verbraucht?

    Meinig: Genau das ist die zentrale Frage, denn die Automobilhersteller produzieren nur in Märkte, wo sie auch Absatz erwarten können. In der Vergangenheit war es so, da war unsere eigene Bedarfsforschung ganz eindeutig: In Deutschland gibt es ein selbst erklärtes ökologisches Segment von acht Prozent der Autofahrer. Interessanterweise entsprach das immer so ein bisschen der Quote der Grünen bei der Wählerschaft, aber da ist keine Deckungsgleichheit vorhanden gewesen. Also acht Prozent erklären, dass sie das und das tun würden im Sinne der Umwelt. Aber es hat sich gezeigt - siehe auch der Drei-Liter von VW, der ja zurückgenommen werden musste -, wenn es zur Kaufentscheidung kam, haben andere Kriterien gegolten. Der Konsument ist regelmäßig bei Zukunftsfragen überfragt.

    Schütte: Das Drei-Liter-Auto, der Lupo von VW, das haben Sie eben gesagt, der ist gefloppt. Ein Müsli-Auto will eben keiner, das sagen Autokonzerne und auch Verbandsvertreter. Das sind aber auch dieselben, die sagen: Der Schlüssel zum Erfolg eines Autos liegt in seinem Image. Hat man denn den Lupo vielleicht nur falsch oder schlecht beworben?

    Meinig: Ich denke nicht, den hat man schon ordentlich beworben. Ich erinnere daran, dass der Öko-Golf, ein sehr teures Fahrzeug mit Start-Stopp-Automatik, vor Jahren auch zum Flop wurde, weil kein Mensch ihn gekauft hat, obwohl VW bei jedem ausgelieferten Fahrzeug eine vierstellige Zahl drangehängt hat. Wir sind jetzt in einer öffentlichen Diskussion, die vehement ist. Die CO2- und Umweltdebatte hat die Verbraucher jetzt endlich erreicht. Aber wir dürfen nicht nur den Automobilherstellern – und übrigens immer damit in Verbindung den Zulieferern – die Aufgaben geben. Der Verbraucher selbst muss sein Fahrverhalten und Mobilitätsverhalten nachhaltig verändern.

    Schütte: Und wie könnte das erreicht werden?

    Meinig: Der Hintergrund für diese Forderung ist doch, dass die jetzt angegebenen Normverbräuche und damit Hand in Hand die CO2-Emissionen eigentlich nur die Papierlage sind. Sie sind das Ergebnis der Messung eines sanften Stadtzyklus und einer Autobahnfahrt bei 120 Kilometer pro Stunde. Das ist nicht die Realität. Wenn Fahrzeuge, wie beispielsweise von Audi der A8, mit 350 Gramm CO2 pro Kilometer angegeben ist, ja, der kann durch entsprechendes Gasgeben durchaus ein Kilo und mehr CO2 produzieren. Das ist die Wahrheit. Das heißt, der Verbraucher hat es in der Hand, wie viel CO2 emittiert wird, nicht unbedingt die Automobilhersteller. Die setzen die Grundnormen, die setzen die Voraussetzungen, aber der Verbraucher muss stärker gefordert werden.

    Schütte: Das heißt, der Ball in Sachen Klimaschutz, die Verantwortung ist aus Ihrer Sicht jetzt wieder bei den Verbrauchern?

    Meinig: So ist es, im Wesentlichen bei den Verbrauchern.

    Schütte: Die Verbraucher finden also Umweltschutz im Prinzip gut, wollen sich aber nicht einschränken. Die Automobilindustrie findet daher keinen Markt. Das heißt, dann wäre die Politik gefragt, den Klimaschutz noch stärker als bisher zu verordnen. Nur wie realistisch sind Tempolimit oder strengere Auflagen, noch strenge Auflagen für die Automobilhersteller.

    Meinig: Ich nehme das Wort Tempolimit zum Beispiel nicht mehr gerne in den Mund, weil: Käme ein Tempolimit, ähnlich wie auf österreichischen Autobahnen, dann hätten wir einen ganz großen Anteil von Fahrzeugen, die in Deutschland auf den Straßen sind, das sind knappe 50 Millionen, völlig falsch technisch konditioniert oder ausgelegt, wie der Ingenieur sagt. Das heißt, die Fahrzeuge haben viel zu viel PS unter der Haube, sie haben viel zu großes Beschleunigungsvermögen und zu hohe Endgeschwindigkeit. Das heißt also völlig falsch ausgelegte Fahrzeuge, eigentlich untauglich. Man schleppt leistungsproduzierende Masse mit, die ökologisch natürlich auch nicht sinnvoll ist.

    Schütte: Was könnte man dagegen unternehmen?

    Meinig: Man darf die Sache nicht im Hauruckverfahren angehen. Wir sollten behutsam und wohlüberlegt erstens bei der Zertifizierung der Fahrzeuge mehr Messpunkte einbauen. Ich finde, wenn zum Beispiel Audi sich weigert, bei 250 km/h die Fahrzeuge abzuregeln, weil man ja das sportliche Image fördern möchte, dann muss aber auch mal bei Volllast gemessen werden. Und da wird ganz Verheerendes zum Vorschein kommen. Wir müssen uns auf realistische Konzepte einigen, die langfristig, aber dann auch konsequent durchgeführt werden. Das Zweite: Wir können nicht im Hauruckverfahren die selbst ernannten Premiummarken kaputt machen bzw. auch die Sportwagen. Ein Porsche zum Beispiel ist nicht ausgelegt, um fünf oder sechs Liter zu verbrauchen und dementsprechend geringere Emission zu haben. Es gibt keinen Porsche und wird es auch nicht in Zukunft geben, der mit fünf, sechs Litern zufrieden ist. Wir müssen also Konzepte entwickeln, wie auch den Premiumherstellern in Deutschland ein gewisser Raum zum Atmen und zum Entwickeln gegeben wird.