Sommer in Warschau: Touristen schlendern durch die wieder aufgebaute Altstadt, die Warschauer genießen das Wochenende. Die Nowy Świat, eine Straße mit dem hoffnungsvollen Namen "Neue Welt", führt sie vorbei am großen schmiedeeisernen Tor der Universität. Etwas abseits des modernen Campus´, in einem heruntergekommenen Gebäude, beginnt der Unterricht mit einem Diktat.
Der kleine Raum ist überfüllt, die Luft ist heiß. Die Studenten, die hier Polnisch lernen, kommen aus Weißrussland. In ihrem Heimatland dürfen sie nicht studieren. Sie haben gegen Präsident Lukaschenko protestiert, die Opposition unterstützt und bekommen dafür die harte Hand des Regimes zu spüren. Vielen von Ihnen haben bereits im Gefängnis gesessen. Jetzt lernen Sie in Sichtweite der schönen, neuen Welt für ihre eigene schöne, neue Zukunft.
"Als ich an der Politechnika in Minsk studiert habe, haben wir viel über die Situation in Weißrussland diskutiert. Ich habe eine Zeitung herausgegeben, eine Gruppe gegründet und die alte weißrussische Flagge benutzt. Nicht die von Lukaschenko. Dafür kann man ins Gefängnis kommen."
Anatoli sagt, er sei mehrfach verhaftet und geschlagen worden. Der Geheimdienst habe seine Wohnung durchsucht. Der junge Mann schaut ruhig und abgeklärt, während er berichtet, dass er immer wieder das Land verlassen musste. Zuletzt 2010, nachdem er den Kandidaten der Opposition im Wahlkampf unterstützt hat.
"Naja, ich war halt aktiv. Ich habe weißrussisch gesprochen. Das ist nicht verboten, aber wenn man nicht russisch spricht, ist das schon ein Zeichen. Man fällt auf und sie suchen nach Gründen, dich von der Uni zu schmeißen. Es ist gut, dass Polen dieses Programm hat."
Wie viele andere auch hat Anatoli schon im März 2006 gegen Lukaschenkos Wiederwahl demonstriert. Dem Präsidenten werden Wahlbetrug und Verfassungsbruch vorgeworfen - er hätte gar kein drittes Mal als Staatsoberhaupt kandidieren dürfen. Die Proteste, vor allem in Minsk, wurden brutal niedergeschlagen. Anatoli und viele seiner Kommilitonen wurden von der Uni geschmissen.
Der damalige polnische Premierminister Kazimierz Marcinkiewicz initiierte daraufhin ein Stipendienprogramm für weißrussische Jugendliche. Namensgeber wurde der polnisch-weißrussische Nationalheld Konstanty Kalinowski. Im Januaraufstand 1863 hatte Kalinowski gegen die Okkupation durch das russische Zarenreich gekämpft, heute dient er als Symbol der weißrussischen Opposition. Der Name allein ist eine politische Aussage.
"Wir haben in unserer Geschichte auch viel Hilfe bekommen. Ohne die Unterstützung aus Westeuropa und den USA hätte Polen den demokratischen Wandel nicht so schnell geschafft."
Professor Garncarek leitet das Kalinowski-Programm.
"Und denken Sie bitte auch daran, dass Weißrussland unser Nachbar ist. Dort leben sehr viele Polen. Wir verstehen vielleicht besser als andere, was dort passiert und wir haben daher auch eine gewisse Verantwortung. Und tatsächlich entsteht hier eine neue intellektuelle und politische Elite, die sich weißrussisch fühlt. Und wer soll denn in Weißrussland für Demokratie einstehen, wenn nicht sie?"
Dass die polnische Regierung außerdem darauf hofft, mithilfe dieser künftigen Elite im Nachbarland bald ein Wörtchen mitreden zu können, ist anzunehmen. Und um sicherzugehen, dass wirklich nur der oppositionelle Nachwuchs in den Genuss des Programms kommt, müssen die Bewerber mit Dokumenten beweisen, dass sie in Weißrussland aus politischen Gründen nicht studieren können. Wer eines der fünfzig Stipendien erhält, darf bis zu fünf Jahre lang in Polen studieren und erhält etwa 300 Euro pro Monat. Das ist nicht gerade üppig, aber man kommt über die Runden. Zusätzlich finden in den ersten sechs Wochen Kultur- und Sprachseminare statt. Die Stipendiaten sollen sich auskennen in Polen.
Inzwischen gibt es die ersten Absolventen dieser neuen weißrussischen Elite. Anatoli will nach seinem Studium zurückkehren.
"Ich will zurück nach Weißrussland und das Wissen, das ich hier bekommen habe, nutzen, um das Land zu ändern. Ich bin Weißrusse, ich will nicht hier in Polen leben. Darum geht es doch bei diesem Stipendium. Ich glaube nicht, dass ich Schwierigkeiten bekomme, weil ich hier studiert habe - ich bekomme Schwierigkeiten, weil ich auch hier sehr aktiv bin. Deswegen bin ich auf der schwarzen Liste. Aber weißt, bei uns in Weißrussland ist das so: wenn sie dich nicht sofort kriegen, dann halt später."
Anatoli sagt, im katholischen Polen habe er etwas Wichtiges gelernt: Das elfte Gebot lautet "Lass dich nicht fangen"
Der kleine Raum ist überfüllt, die Luft ist heiß. Die Studenten, die hier Polnisch lernen, kommen aus Weißrussland. In ihrem Heimatland dürfen sie nicht studieren. Sie haben gegen Präsident Lukaschenko protestiert, die Opposition unterstützt und bekommen dafür die harte Hand des Regimes zu spüren. Vielen von Ihnen haben bereits im Gefängnis gesessen. Jetzt lernen Sie in Sichtweite der schönen, neuen Welt für ihre eigene schöne, neue Zukunft.
"Als ich an der Politechnika in Minsk studiert habe, haben wir viel über die Situation in Weißrussland diskutiert. Ich habe eine Zeitung herausgegeben, eine Gruppe gegründet und die alte weißrussische Flagge benutzt. Nicht die von Lukaschenko. Dafür kann man ins Gefängnis kommen."
Anatoli sagt, er sei mehrfach verhaftet und geschlagen worden. Der Geheimdienst habe seine Wohnung durchsucht. Der junge Mann schaut ruhig und abgeklärt, während er berichtet, dass er immer wieder das Land verlassen musste. Zuletzt 2010, nachdem er den Kandidaten der Opposition im Wahlkampf unterstützt hat.
"Naja, ich war halt aktiv. Ich habe weißrussisch gesprochen. Das ist nicht verboten, aber wenn man nicht russisch spricht, ist das schon ein Zeichen. Man fällt auf und sie suchen nach Gründen, dich von der Uni zu schmeißen. Es ist gut, dass Polen dieses Programm hat."
Wie viele andere auch hat Anatoli schon im März 2006 gegen Lukaschenkos Wiederwahl demonstriert. Dem Präsidenten werden Wahlbetrug und Verfassungsbruch vorgeworfen - er hätte gar kein drittes Mal als Staatsoberhaupt kandidieren dürfen. Die Proteste, vor allem in Minsk, wurden brutal niedergeschlagen. Anatoli und viele seiner Kommilitonen wurden von der Uni geschmissen.
Der damalige polnische Premierminister Kazimierz Marcinkiewicz initiierte daraufhin ein Stipendienprogramm für weißrussische Jugendliche. Namensgeber wurde der polnisch-weißrussische Nationalheld Konstanty Kalinowski. Im Januaraufstand 1863 hatte Kalinowski gegen die Okkupation durch das russische Zarenreich gekämpft, heute dient er als Symbol der weißrussischen Opposition. Der Name allein ist eine politische Aussage.
"Wir haben in unserer Geschichte auch viel Hilfe bekommen. Ohne die Unterstützung aus Westeuropa und den USA hätte Polen den demokratischen Wandel nicht so schnell geschafft."
Professor Garncarek leitet das Kalinowski-Programm.
"Und denken Sie bitte auch daran, dass Weißrussland unser Nachbar ist. Dort leben sehr viele Polen. Wir verstehen vielleicht besser als andere, was dort passiert und wir haben daher auch eine gewisse Verantwortung. Und tatsächlich entsteht hier eine neue intellektuelle und politische Elite, die sich weißrussisch fühlt. Und wer soll denn in Weißrussland für Demokratie einstehen, wenn nicht sie?"
Dass die polnische Regierung außerdem darauf hofft, mithilfe dieser künftigen Elite im Nachbarland bald ein Wörtchen mitreden zu können, ist anzunehmen. Und um sicherzugehen, dass wirklich nur der oppositionelle Nachwuchs in den Genuss des Programms kommt, müssen die Bewerber mit Dokumenten beweisen, dass sie in Weißrussland aus politischen Gründen nicht studieren können. Wer eines der fünfzig Stipendien erhält, darf bis zu fünf Jahre lang in Polen studieren und erhält etwa 300 Euro pro Monat. Das ist nicht gerade üppig, aber man kommt über die Runden. Zusätzlich finden in den ersten sechs Wochen Kultur- und Sprachseminare statt. Die Stipendiaten sollen sich auskennen in Polen.
Inzwischen gibt es die ersten Absolventen dieser neuen weißrussischen Elite. Anatoli will nach seinem Studium zurückkehren.
"Ich will zurück nach Weißrussland und das Wissen, das ich hier bekommen habe, nutzen, um das Land zu ändern. Ich bin Weißrusse, ich will nicht hier in Polen leben. Darum geht es doch bei diesem Stipendium. Ich glaube nicht, dass ich Schwierigkeiten bekomme, weil ich hier studiert habe - ich bekomme Schwierigkeiten, weil ich auch hier sehr aktiv bin. Deswegen bin ich auf der schwarzen Liste. Aber weißt, bei uns in Weißrussland ist das so: wenn sie dich nicht sofort kriegen, dann halt später."
Anatoli sagt, im katholischen Polen habe er etwas Wichtiges gelernt: Das elfte Gebot lautet "Lass dich nicht fangen"