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Das Ende der Ära Rajoy
Spaniens Regierung vor dem Misstrauensvotum

Spaniens Premier wird heute aller Voraussicht nach im Parlament abgewählt - und vom Chef der Sozialisten abgelöst. Verhindern könnte das nur Mariano Rajoy selbst, mit einem Rücktritt. Doch das lehnt der Konservative strikt ab, dennoch steht seine Partei voll hinter ihm.

Von Hans-Günter Kellner |
    Mariano Rajoy verlässt das Parlament.
    Seit mehr als zehn Jahren ist die Volkspartei wegen illegaler Parteispenden und Korruption in den Schlagzeilen. Rajoy hat die Fälle stets heruntergespielt. (imago stock&people / Jose L. Cuesta)
    Lange haben die gemäßigten baskischen Nationalisten mit sich gerungen. Erst letzte Woche haben sie dem Haushalt der Regierung von Mariano Rajoy zugestimmt, doch gestern schlug sich ihr Sprecher Aitor Esteban im Parlament auf die Seite seines Gegenkandidaten, des Sozialisten Pedro Sánchez: "Wir denken, wir entsprechen dem Wunsch der Basken und stellen uns der Verantwortung, wenn wir dem Misstrauensantrag zustimmen. Ich vertraue darauf, dass Ihr Dialogangebot ehrlich gemeint ist und Sie unser Vertrauen nicht missbrauchen."
    Bleiben auch die übrigen Fraktionen bei ihrem angekündigten Abstimmungsverhalten, würden sie damit Mariano Rajoy heute Mittag abwählen. Über die Folgen für Spaniens Konservative beriet Rajoy gestern den gesamten Nachmittag bei einem langen Mittagessen mit Parteifreunden. Denn er hält die absolute Macht in der Volkspartei, sagt der spanische Sozialwissenschaftler Andrés Villena, der die Machtstrukturen in den beiden großen spanischen Parteien untersucht hat:
    Im Zentrum des sozialen Netzes
    "Zeichnet man ein soziales Netz der Konservativen, dann befindet sich Rajoy genau in der Mitte dieses Netzes. Er ist nicht nur der Regierungschef, er ist auch am längsten in diesem Netz, alle Linien laufen auf ihn zu. Er ist das absolute Machtzentrum der spanischen Rechten. Damit meine ich nicht nur die politische Macht, sondern auch die wirtschaftliche."
    Seit mehr als zehn Jahren ist die Volkspartei wegen illegaler Parteispenden und Korruption in den Schlagzeilen. Rajoy hat die Fälle stets heruntergespielt. Doch nie hat ihn irgendein Parteifreund dafür öffentlich kritisiert. Streit gibt es nur unter den Untergebenen Rajoys, etwa zwischen der Vizeregierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría und Generalsekretärin María Dolores de Cospedal. Doch das störe Rajoy nicht, im Gegenteil:
    "Teile und herrsche - das ist doch ein altes Führungsprinzip. Minister oder Parteifunktionäre konfrontiert man gegenseitig, mischt sich nicht in ihre Streitereien ein, so reiben sich gegenseitig auf, statt zu unliebsamen Konkurrenten zu werden. Das hat auch Rajoys sozialistischer Amtsvorgänger Rodríguez Zapatero schon so praktiziert."
    Einigkeit statt Selbstkritik
    Kritik in Sachfragen dringt hingegen kaum nach außen. Nie hat ein Landespolitiker angemahnt, die Partei müsse bei der Korruptionsbekämpfung glaubwürdiger werden. Die Einheit stehe über allem, sagt Villena:
    "Die Volkspartei lebt von ihrem Gründungsmythos. Die rechtskonservativen oder christdemokratischen Gruppierungen waren in Spanien schon immer stark fragmentiert, das war während der Zweiten Republik vor dem spanischen Bürgerkrieg so und auch nach Francos Tod. Die AP, die Volksallianz, war ein erster Versuch, sie zu bündeln. Aber erst 1989 wurde das mit der Gründung der Volkspartei erreicht. Ihr Chef wurde José María Aznar. Er regierte fast wie ein Caudillo, wie ein General. Als er Rajoy zu seinem Nachfolger ernannte, erbte Rajoy auch Aznars Führungsrolle."
    Rajoy könnte Parteichef bleiben
    Der Soziologe glaubt nicht, dass dieser innerparteiliche Führungsanspruch jetzt ernsthaft in Gefahr gerät. Vielmehr werde die Partei Rajoy bitten, einige Jahre weiter im Amt zu bleiben, meint er. Sonst drohe sie, auseinanderzubrechen.
    "Wenn Rajoy und die Volkspartei die Regierung verlieren, verlieren sie nicht nur politischen Einfluss. Sie verlieren auch ihren Einfluss auf die Justiz, auf die Banken. Das hier ist keine normale Niederlage, die Korruptionsverfahren vor den Gerichten laufen ja weiter. Das ist keine normale Krise. Das gesamte Haus droht, einzustürzen."
    Eine Nachfolgeorganisation im rechtskonservativen Spektrum steht schon bereit: Die Partei Ciudadanos war vor drei Jahren erstmals bei den spanischen Parlamentswahlen angetreten. In jüngsten Umfragen überflügelt sie bereits die Volkspartei in der Wählergunst. Die Parlamentsjournalisten in Madrid sprechen bereits von Untergangsstimmung bei Rajoys Konservativen.