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Das Ende der Brillen-Ära?

TV.- Dreidimensionales Fernsehen ohne lästige Brille? Das könnte in ein paar Jahren zu Hause möglich werden. Bernd Duckstein vom Fraunhofer-Institut Heinrich-Hertz in Berlin erklärt das Prinzip der autostereoskopischen Displays.

    Manfred Kloiber: Zurück zu den Displays für das dreidimensionale Fernsehen. Tatsächlich gehört ja zu fast allen 3D-Bildschirmen immer auch eine Brille dazu. Nämlich eine sogenannte Shutter-Brille, die vom Bildschirm gesteuert dafür sorgt, dass das linke Auge nur das linke Bild der 3D-Kamera und das rechte Auge nur das rechte Kamerabild zu sehen bekommt. Doch die Brillen werden bislang als Hindernis angesehen. Denn wer will sich schon mit einer Shutter-Brille stundenlang vor die Glotze hocken, um einen Spielfilm zu sehen? Das Fraunhofer-Institut Heinrich-Hertz in Berlin forscht schon seit langem an sogenannten autostereoskopischen Displays ohne Brille. Von Bernd Duckstein habe ich mir das circa 1,50 Meter große Display erklären lassen.

    Bernd Duckstein: Wir nutzen für diese Darstellungsart ohne Brille sogenannte Linsenraster – das kennen Sie alle von 3D-Postkarten oder Wackelbildern. Dieses optische Prinzip erlaubt in einem bestimmten Abstand vom Bildschirm, unterschiedliche Pixel an unterschiedlichen Orten zu sehen. Wir müssen ja – das ist die Aufgabe beim 3D-Bildschirm – ein linkes und ein rechtes Bild auf die entsprechenden Augen bringen. Die müssen also irgendwie getrennt werden. Sie werden gleichzeitig vom Bildschirm dargestellt. Aber das linke Bild darf nur vom linken Auge gesehen werden, das rechte nur vom rechten. Durch diese optische Struktur, Linsenraster, ist mir erlaubt, bestimmte Pixel in eine bestimmte Richtung abzubilden, nämlich alle linken Bildpunkte aufs linke, alle rechten aufs rechte Auge, so dass dieses Raster letztendlich dafür verantwortlich ist, dass man hier ohne Brille räumlich sehen kann.

    Kloiber: Wenn ich mir angucke, wie die Leute hier vor diesem Bildschirm agieren – die stehen etwa dreieinhalb Meter entfernt von diesen Bildschirmen, versuchen, ihre Position so auszurichten, dass sie offensichtlich dann irgendwann ein 3D-Bild bekommen. Auf der anderen Seite ist hier noch ein zweiter Monitor, der zeigt mir den Kopf des Betrachters und wie er von einer Elektronik eingefangen wird. Was passiert da?

    Duckstein: Dieser Bildschirm hat sozusagen zwei Betriebszustände: einmal in seiner klassischen Form – so wurde er ursprünglich gebaut – ist es ein Mehrpersonen-Bildschirm, der mehreren Personen erlaubt, ohne Brille räumlich zu sehen. Leider ist die Technologie jetzt aber noch in einer Form so, dass man einen relativ großen Abstand einhalten muss – nämlich diese besagten 3,50 Meter. Das ist für eine normale Wohnraumsituation eher ungünstig und manchmal möchte man näher dran sein oder vielleicht auch ein bisschen weiter weg. Da versuchen wir drauf aufzusetzen. Wir möchten den Betrachtern ermöglichen, näher ranzugehen, einfach näher an den Bildschirm ranzugehen. Das machen wir über sogenanntes Headtracking, das ist ein Kamerapaar, was oben auf dem Monitor angebracht ist, einen Algorithmus wertet das Videobild aus, guckt: Wo sind die Augen des Betrachters im Raum? Und mit diesem Positionsdatum wird das Bild manipuliert, so dass ich im Rückschluss jetzt erreiche, dass eine Person auch im Nahbereich vor diesem Bildschirm räumlich sehen kann. Allerdings zurzeit noch die Einschränkung: für eine Person.

    Kloiber: Ich wollte gerade nachfragen. Muss dann eine Familie, die gerne einen Zeichentrickfilm in 3D sehen will, entscheiden: Drei sitzen ganz hinten, 3,50 Meter, und einer nach vorne ran und sich die Details in 3D ansehen?

    Duckstein: Nein. Das ist natürlich nicht unser Ziel. Wir wollen nicht die gleiche Ungerechtigkeit, die mit der Fernbedienung schon in den Haushalten besteht, auch noch beim 3D-Sehen entwickeln. Nein, nein, das ist nicht das Ziel. Der nächste Schritt muss natürlich sein, dass alle Betrachter möglichst viele Betrachter vorm Bildschirm erfassen und dass die Bilder ihren Augen nachgeführt werden können. Vorraussetzung dafür sind allerdings andere Bildschirme. Und zwar Bildschirme mit sehr viel höheren Auflösungen als wir die hier gerade bei diesem Display haben. Das sind also Auflösungen, die vierfache HD-Auflösung und noch mehr betragen müssten, um dann den Personen vernünftige Bilder liefern zu können.

    Kloiber: Außerdem sehe ich ja hier, dass da ein Computer am Werk ist, der eben halt die Personen vor dem Bildschirm verfolgt. Der versucht eben halt heraus zu finden, wo die Person sich befindet. Wenn da jetzt mehrere Köpfe nah rangehen, müssten ja auch zumindest Programme mehrere Köpfe entdecken können. Ist das nicht eine gigantomanische Rechenleistung, die da ins Wohnzimmer gebracht wird, nur um 3D zu sehen?

    Duckstein: Solche technologischen Entwicklungen sind natürlich in ihren ersten Hürden, die da zu meistern sind, manchmal richtig knackige Aufgaben. Und Massenprodukte sind in ihrer Anfangsphase immer zu Anfang recht teuer. Auch mit diesem Algorithmus: Der läuft jetzt für eine Person wunderbar und gibt kaum Rechenlast, wenn er die Person denn gefunden hat. Bei mehreren Personen wird es natürlich entsprechend mehr sein. Aber das sind Dinge, die entwickeln sich. Und wir benutzen es, weil wir ständig dran arbeiten, auf einem PC. Das ist in Zukunft natürlich dann auch nicht mehr der Fall. Das wird dann in Hardware gegossen, da läuft dann halt ein eigener Prozessor für diese Erkennung und der wird sehr klein und sehr schlank sein, wie bei allen Massenprodukten – sei es nur eine Festplatte oder ein DVD-Player.

    Kloiber: Hand aufs Herz: Was schätzen Sie? Wann werden Sie mit Ihrer Familie ohne Brille vor einem richtig großen Display sitzen und 3D wirklich genießen können?

    Duckstein: Fünf bis zehn Jahre – das sind Entwicklungen, die nicht zu 100 Prozent vorhersehbar sind. Man kann nicht in die Zukunft sehen, aber ich denke so etwas in der Größenordnung wird es sein.

    Kloiber: Bernd Duckstein war das vom Fraunhofer-Institut Heinrich-Hertz in Berlin