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Das Ende der Bücherstapel

Technik. - Filme und Musik gibt es inzwischen so kunstvoll komprimiert, dass man sie Tausendfach auf einem winzigen MP3-Player herumtragen und mit mehr oder weniger großem Genuss abspielen kann. Auf der Frankfurter Buchmesse wurde die elektronische Revolution jetzt für das Buch angekündigt. Doch die Umwälzung kommt eher stockend.

Von Michael Gessat |
    Ein Buch ist ein sinnliches Erlebnis, sagen viele. Man kann es anfassen, riechen, bekritzeln. Man kann es in die Ecke schmeißen. Vor allem aber kann man es gut lesen. Das liegt am hervorragenden Kontrastverhältnis von schwarzen Buchstaben auf weißem Papier. Und dass man zum Lesen eines Buches Licht braucht, ist nicht etwa ein Nachteil, sondern ein Vorteil: Das Leuchten von herkömmlichen Computerbildschirmen nämlich lässt das Auge viel schneller ermüden.

    Die Displays aller E-Book-Lesegeräte eifern dem analogen Vorbild nach. Sie setzen auf "elektronisches Papier". Und wie das funktioniert, erklärt Willem Endhoven vom holländischen Unternehmen iRex:
    "Es ist eine reflektierende Technologie ohne eigene Beleuchtung, sie beruht auf kleinen Zellen mit schwarzen und weißen Partikeln. Und die kann ich an die Oberfläche hin, oder wieder von ihr wegbringen, indem ich eine geringe elektrische Spannung entsprechend ansteuere. So kann man also jeweils das anzuzeigende Bild aus den Daten aufbauen."

    Im Vergleich zur herkömmlichen LCD-Technologie hat e-Paper noch einen gewaltigen Vorteil: Es verbraucht viel weniger Strom. Und darum machen die e-Book-Reader nicht wie Notebooks oder andere mobile Geräte schon nach ein paar Stunden Dauereinsatz schlapp. Von der Größe und dem Gewicht her lehnen sich praktisch alle Lesegeräte an ein typisches Taschenbuch an. Hineinpassen tut aber gleich eine kleine Bibliothek: Ungefähr 160 Einzeltitel, normalerweise ein Stapel von 2,40 Meter Höhe. Endhoven:

    "Sie können mit einem Dokument wie auf herkömmlichem Papier umgehen; sie möchten vielleicht darauf herumkritzeln und Notizen machen. Und genau das ist auch möglich; mit einer Art Stift. Das macht die Sache sehr einfach: Wir geben Ihnen die Funktionalität, das Gefühl von Papier auf einem digitalen Gerät."

    Der beschreibbare Bildschirm mit Zeichenerkennung bei iRex ist vielleicht die technisch eleganteste Lösung. Das Gerät von Amazon, "Kindle" genannt, hat dagegen eine kleine Tastatur unter dem Bildschirm. Und auch damit lassen sich Kommentare hinzufügen, Lesezeichen setzen oder Textstellen suchen. Ansonsten blättert man bei allen Produkten mit einem Daumendruck am Rand vor und zurück; und wer Probleme mit den Augen hat, der schaltet einfach auf größere Buchstaben um. Damit könnte eigentlich das moderne Lesevergnügen beginnen.

    Wäre da nicht das Riesenproblem, das schon bei Musik und Film Thema Nummer Eins ist: Digitale Daten können kopiert werden, blitzschnell und ohne jeglichen Qualitätsverlust. Verschenken möchten die Verlage ihre Produkte aber nicht, auch wenn bei der digitalen Verbreitung Herstellungskosten wie Druck und Transport entfallen. Also muss ein möglichst wirksamer Kopierschutz her, der den Leser wiederum möglichst wenig belästigt. Eine Möglichkeit: Das "Digital Rights Management", kurz DRM, findet mit einer speziellen Software auf dem PC des Anwenders statt.

    Das ist das Konzept von Sony, mit dem das Unternehmen nun auf der Messe auch einige Verlage und die Buchgroßhändler Libri und Thalia mit an Bord holen konnte. Der Sony-"Reader" kommt Anfang 2009, aber ohne den Computer daheim lässt er sich nicht mit Lesestoff versorgen. Bestechend einfach und wohl auch umsatzfördernd dagegen die Idee bei Amazons "Kindle": Neue Bücher gibt es auf Knopfdruck, auch unterwegs. Pressesprecherin Christine Höger:

    "Es nutzt die gleiche Funktionalität wie die Handys der 3. Generation, also es ist eine Wireless Konnektivität, man braucht also keinen Hotspot, man kann jederzeit und überall online den Zugriff auf die Bücher haben."

    Noch ist Amazon hierzulande anscheinend weder mit einem Mobilfunkprovider noch mit Verlagen handelseinig geworden; die für die Buchmesse erwartete Ankündigung fiel bislang aus. Höger:

    "Für uns ist der Punkt, dass wir natürlich ein Buch erst anbieten wollen, wenn wir auch ausreichenden Content haben. In den USA sind wir mit ungefähr 90.000 Titeln gestartet, wir haben inzwischen über 185.000 in den USA. Wir wissen auch, dass Kunden in anderen Ländern Interesse haben, und wir wollen ihn auch in anderen Ländern anbieten."

    Da heißt es also weiter verhandeln; und überhaupt wird es nicht zuletzt von der Preisgestaltung abhängen, welches Gerät oder System sich am Markt durchsetzt.
    Eines ist schon jetzt klar: Vergessen oder verlieren sollte man sein elektronisches Taschenbuch möglichst nicht. Und für emotionale Leser: Das E-Book in die Ecke schmeißen ist auch keine gute Idee. Löschen reicht ja.