Um sieben Uhr früh kam der Kaiser mit seiner Familie und seinen wenigen Begleitern von Schloss Eckartsau nach Kopfstetten und bestieg mit den Worten "Auf Wiedersehen in der Heimat" den Zug.
Es gab aber kein Wiedersehen. Als Karl, der letzte Kaiser von Österreich, am 23. März 1919 in den Sonderzug einstieg, der ihn und seine Familie ins Schweizer Asyl bringen sollte, hieß er für die Statthalter der neugegründeten Republik Österreich nur noch Karl Habsburg. Deutlicher konnte nicht ausgedrückt werden, dass nach dem Ersten Weltkrieg die alte Ordnung für immer dahin war.
Die Donaumonarchie mit ihren vielen Völkern und Völkchen gab es nicht mehr, auf ihren Trümmern bildeten sich neue Staaten. Der Rest war Österreich - ein nur unvollkommen definiertes Gebilde, aber mit einer Nationalversammlung und einem sozialdemokratischen Kanzler, Karl Renner.
Kaum jemand fragte ernsthaft nach Kaiser Karl dem Ersten und Letzten, der immer noch hoffte, den Thron einer konstitutionellen Monarchie zu besteigen. Stattdessen warf man ihn und seine Familie hinaus, mit einem kleinen Vermerk in den Reisepässen:
Gültig für alle Staaten der Erde mit Ausnahme Österreichs
Denn Karl hatte nach der Niederlage im November 1918 zwar auf sein Amt verzichtet, aber zur formellen Abdankung konnte er sich nicht durchringen. Das Gottesgnadentum seines Amtes stand ihm dagegen.
"Er war sicher stark im Glauben, aber er war unendlich schwach als Politiker,"
sagt der Wiener Historiker Manfried Rauchensteiner über Karl I., der das Unglück hatte, 1916 einen Weltkrieg zu erben. Sein Großonkel Kaiser Franz Josef war nach schier unendlich erscheinender 68-jähriger Regierungszeit gestorben. Kronprinz Rudolf war längst tot, der Kaiserneffe Franz Ferdinand 1914 in Sarajewo erschossen worden. Da kam eben Karl an die Reihe.
Ich war an allen Fronten, bei allen Truppen der glorreichen Armee, ich sah alle Nationalitäten der weiten Monarchie in vollster Eintracht einem großen Ziele entgegengehen, einem glorreichen Frieden. In den Augen aller Soldaten sah man Kampfesfreudigkeit und Siegeszuversicht.
"Die Voraussetzungen, die Kaiser Karl mitgebracht hatte, waren nicht ideal, er ist nie in das politische Geschäft regelrecht eingeführt worden. Er hat das Militärische mitbekommen, allerdings: Es hat ihn eben nicht für das Politische, das ihm dann in erster Linie abverlangt worden ist, reifen lassen. Und das war ja dann wohl auch das Problem."
Karls Friedensbemühungen sollten später, viel später dazu dienen, seine Seligsprechung durch den Vatikan zu begründen. Aber sie gingen dilettantisch ins Leere, zur Kapitulation konnte er sich gar nicht entschließen. Wenig eindrucksvoll gerieten auch seine Versuche, mit Hilfe monarchistischer Kreise wenigstens die ungarische Königskrone zu retten. Aber Ungarn hatte auf Karl nicht gewartet, selbst die Arbeiter zogen noch das rechtsradikale Regime des Reichsverwesers Miklós Horthy einem Habsburger vor.
Karls zweiter Versuch, die Ungarn zu überzeugen, kostete 19 Soldaten das Leben. Ihm selbst brachte es die Ausweisung nach Madeira ein, wo es der Familie, gemessen an den gewohnten Lebensumständen, nicht besonders gut ging. Mit bitteren Worten kommentierte damals Karl Kraus die Klagebriefe, die überall veröffentlicht wurden.
…und die die Situation der ex- kaiserlichen Familie auf Madeira in einer Sprache schildern, dass selbst jene verhärteten Wiener, die in der Kärntnerstraße vor Hunger ohnmächtig zusammensinken, noch einen Herzenston von sich geben müssten.
Karl starb am 1. April 1922 an einer Lungenentzündung - es hieß, man habe den Arzt aus Sparsamkeit zu spät gerufen. Der Bann über seiner Familie löste sich erst nach Jahrzehnten; der erste, der begriff, dass Österreich sich vor seinen Habsburgern nicht mehr fürchten musste, war der sozialistische Kanzler Bruno Kreisky. Schließlich lebt die österreichische Tourismusindustrie sehr gut, auch heute noch, vom Habsburger-Mythos.
1982 durfte sogar die unbeugsame Ex-Kaiserin Zita wieder einreisen nach Österreich. Ein Foto zeigt sie, eine gebeugte Dame in Schwarz, auf dem hässlichen Parkplatz des Grenzübergangs Feldkirch - Asphalt, Beton und ein Mittelklassewagen im Hintergrund. Prosaischer kann ein Traum von der Monarchie nicht enden.
Es gab aber kein Wiedersehen. Als Karl, der letzte Kaiser von Österreich, am 23. März 1919 in den Sonderzug einstieg, der ihn und seine Familie ins Schweizer Asyl bringen sollte, hieß er für die Statthalter der neugegründeten Republik Österreich nur noch Karl Habsburg. Deutlicher konnte nicht ausgedrückt werden, dass nach dem Ersten Weltkrieg die alte Ordnung für immer dahin war.
Die Donaumonarchie mit ihren vielen Völkern und Völkchen gab es nicht mehr, auf ihren Trümmern bildeten sich neue Staaten. Der Rest war Österreich - ein nur unvollkommen definiertes Gebilde, aber mit einer Nationalversammlung und einem sozialdemokratischen Kanzler, Karl Renner.
Kaum jemand fragte ernsthaft nach Kaiser Karl dem Ersten und Letzten, der immer noch hoffte, den Thron einer konstitutionellen Monarchie zu besteigen. Stattdessen warf man ihn und seine Familie hinaus, mit einem kleinen Vermerk in den Reisepässen:
Gültig für alle Staaten der Erde mit Ausnahme Österreichs
Denn Karl hatte nach der Niederlage im November 1918 zwar auf sein Amt verzichtet, aber zur formellen Abdankung konnte er sich nicht durchringen. Das Gottesgnadentum seines Amtes stand ihm dagegen.
"Er war sicher stark im Glauben, aber er war unendlich schwach als Politiker,"
sagt der Wiener Historiker Manfried Rauchensteiner über Karl I., der das Unglück hatte, 1916 einen Weltkrieg zu erben. Sein Großonkel Kaiser Franz Josef war nach schier unendlich erscheinender 68-jähriger Regierungszeit gestorben. Kronprinz Rudolf war längst tot, der Kaiserneffe Franz Ferdinand 1914 in Sarajewo erschossen worden. Da kam eben Karl an die Reihe.
Ich war an allen Fronten, bei allen Truppen der glorreichen Armee, ich sah alle Nationalitäten der weiten Monarchie in vollster Eintracht einem großen Ziele entgegengehen, einem glorreichen Frieden. In den Augen aller Soldaten sah man Kampfesfreudigkeit und Siegeszuversicht.
"Die Voraussetzungen, die Kaiser Karl mitgebracht hatte, waren nicht ideal, er ist nie in das politische Geschäft regelrecht eingeführt worden. Er hat das Militärische mitbekommen, allerdings: Es hat ihn eben nicht für das Politische, das ihm dann in erster Linie abverlangt worden ist, reifen lassen. Und das war ja dann wohl auch das Problem."
Karls Friedensbemühungen sollten später, viel später dazu dienen, seine Seligsprechung durch den Vatikan zu begründen. Aber sie gingen dilettantisch ins Leere, zur Kapitulation konnte er sich gar nicht entschließen. Wenig eindrucksvoll gerieten auch seine Versuche, mit Hilfe monarchistischer Kreise wenigstens die ungarische Königskrone zu retten. Aber Ungarn hatte auf Karl nicht gewartet, selbst die Arbeiter zogen noch das rechtsradikale Regime des Reichsverwesers Miklós Horthy einem Habsburger vor.
Karls zweiter Versuch, die Ungarn zu überzeugen, kostete 19 Soldaten das Leben. Ihm selbst brachte es die Ausweisung nach Madeira ein, wo es der Familie, gemessen an den gewohnten Lebensumständen, nicht besonders gut ging. Mit bitteren Worten kommentierte damals Karl Kraus die Klagebriefe, die überall veröffentlicht wurden.
…und die die Situation der ex- kaiserlichen Familie auf Madeira in einer Sprache schildern, dass selbst jene verhärteten Wiener, die in der Kärntnerstraße vor Hunger ohnmächtig zusammensinken, noch einen Herzenston von sich geben müssten.
Karl starb am 1. April 1922 an einer Lungenentzündung - es hieß, man habe den Arzt aus Sparsamkeit zu spät gerufen. Der Bann über seiner Familie löste sich erst nach Jahrzehnten; der erste, der begriff, dass Österreich sich vor seinen Habsburgern nicht mehr fürchten musste, war der sozialistische Kanzler Bruno Kreisky. Schließlich lebt die österreichische Tourismusindustrie sehr gut, auch heute noch, vom Habsburger-Mythos.
1982 durfte sogar die unbeugsame Ex-Kaiserin Zita wieder einreisen nach Österreich. Ein Foto zeigt sie, eine gebeugte Dame in Schwarz, auf dem hässlichen Parkplatz des Grenzübergangs Feldkirch - Asphalt, Beton und ein Mittelklassewagen im Hintergrund. Prosaischer kann ein Traum von der Monarchie nicht enden.