Für die USA war der arabische Terrorangriff am 11. September 2001 auf New York und Washington ein "Turning Point". Seither wird dort fieberhaft darüber nachgedacht, wie man sich dem Würgegriff des nahöstlichen Erdöls entziehen kann. Während in Europa als Antwort darauf Versuche mit Biosprit, Wind- und Wasserkraft sowie Solarenergie gefördert werden, verkündete Präsident Bush als seine Strategie im Jahr 2002 den Ausbau der Nutzung von Wasserstoff. Denn für die Amerikaner haben die europäischen Alternativ-Energiegewinnungen Spielzeugcharakter. Die Supermacht hat einen solch gigantischen Energiehunger, dass er kurzfristig tatsächlich nicht durch ein paar Windräder und Solarzellen gestillt werden kann. Deshalb entschlossen sich die Amerikaner, die traditionelle Ausbeute von Erdöl fortzusetzen, indem sie ihre bisher geschonten heimischen Ölreserven nun hemmungslos anzapfen. Ob teure Bohrungen im Perma-Eis von Alaska oder die noch teurere Ausbeutung von bitumenhaltigem Sand im Norden Kanadas oder eben die Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko: Seit 2001 ist alles recht, wenn es nur dazu dient, den hohen Energiebedarf zu befriedigen bei gleichzeitiger Unabhängigkeit von ausländischen Öllieferanten. Dieser derart enthemmte Raubbau an der Natur musste irgendwann in die Katastrophe führen. Sie kam im April dieses Jahres, früher, als gedacht; mit dem Untergang der Bohrinsel "Deep Water Horizon" und dem daraus resultierenden Öl-Leck in 5000 Meter Tiefe des Golfs von Mexiko.
Jeff Rubin hat in seinem Buch, dessen Originalausgabe bereits 2009 in Kanada erschienen ist, auf die Risiken hingewiesen, die mit der Ölförderung vor den US-Küsten verbunden sind. Vor allem auf die Risiken durch Wirbelstürme:
Die Hurrikanes Katrina und Rita zerstörten insgesamt nicht weniger als 167 Förderplattformen und 183 Pipelines. Viele der Plattformen wurden von den Wellen wie Schlauchboote umhergewirbelt; abgerissene Teile wurden bis zu 100 Kilometer von ihren ursprünglichen Standorten gefunden. Es zeigte sich, dass so gut wie keine der Plattformen der Gewalt eines Kategorie-5-Hurrikans standhalten konnte.
Hauptanliegen des Energieanalysten Rubin ist es indes, anhand zahlreicher Beispiele eindrucksvoll die totale Abhängigkeit unserer gesamten westlichen Lebensweise vom Erdöl aufzuzeigen. Wer es bisher noch nicht wusste, erfährt es nun bei Rubin: dass derzeit die Gestaltung und Wahl unserer Arbeitsplätze, die Menge und Auswahl an Lebensmitteln, unser Freizeitverhalten, die Wahl unseres Wohnortes und sogar unserer Freunde letztlich von der bezahlbaren Verfügbarkeit von Erdöl abhängen.
Heute braucht man Öl, um Geld zu verdienen, und man braucht Geld, um Öl zu kaufen. Wenn das Öl (aufgrund seiner Verknappung) zu teuer ist, wird es immer schwieriger, Geld zu verdienen, sei es nun durch Taxifahren oder den Verkauf von Ananas. Insbesondere die Lebensmittel werden viel teurer werden – sie werden ja schon jetzt ständig teurer. Das Zeug, das sie in Ihrem Auto verbrennen, ist das gleiche, was der Bauer braucht, um Mais anzubauen und zu ernten, ganz zu schweigen von dem Erdgas, das gebraucht wird, um seine Düngemittel herzustellen. Es ist das gleiche Zeug, das all die Lkws und Flugzeuge und Schiffe antreibt, die Waren hin und her transportieren, das gleiche Zeug, das der petrochemischen Industrie als Rohstoff dient, um unsere Kunststoffe und Arzneimittel zu produzieren.
Aus Rubins Analyse lässt sich beispielsweise herauslesen, dass es für ein deutsches Unternehmen schon jetzt falsch ist, in China zu investieren, da die durch Billiglöhne hergestellten Fernostprodukte aufgrund des langen Transportweges und der bald nicht mehr zu bezahlenden Erdölpreise für den deutschen Markt zu teuer werden. Rubin prognostiziert also die Rückabwicklung der Globalisierung mit ihren Handelsströmen. Zukunftsweisend sei es vielmehr, die heimische Industrie mit ihren kurzen Lieferwegen auszubauen; Anlegern sei zu empfehlen, heimische Wiesen und Brachland zu kaufen, da das Steak aus Uruguay künftig zu teuer werde und das deutsche Rind bei deutschen Gourmets deshalb neue Wertschätzung gewinnen werde. Auch der Tourismus wird sich ändern. Rubin macht deutlich, dass jeder Einzelne von uns sich bereits jetzt auf das vorhersehbare Ende der Welterdölreserven einstellen sollte, denn:
Indem die Welt durch knappes Öl allmählich immer kleiner wird, werden Sie, lieber Leser, bald viel mehr Zeit in Gesprächen mit Ihren Nachbarn verbringen und viel weniger Zeit, um in der Welt herumzufliegen. Und dabei werden Sie feststellen, dass Sie sich immer weniger über die großen Probleme der Welt den Kopf zerbrechen und stattdessen immer häufiger über die kleinen in Ihrem Umfeld nachdenken.
Kritisch bleibt anzumerken, dass Rubins Buch ausschließlich für den amerikanischen Markt geschrieben ist. Dies zeigt sich vor allem an den vielen Problemen und Beispielen, die er thematisiert, wie etwa: die hohen Energiekosten für Klimaanlagen in sämtlichen Haushalten der USA, den notorischen Hang zu großen, Benzin schluckenden Autos, eine große Vorliebe fürs Flugzeug auch für kurze Strecken innerhalb der USA, der hohe Kunstdüngerverbrauch amerikanischer Farmer. Dieses ungebremst unvernünftige Verbraucherverhalten ist typisch für die USA und Kanada, nicht aber für Europa. Zudem sind viele von Rubins Ein- und Ansichten über die katastrophalen Auswirkungen des Erdölverbrauchs für deutsche Leser längst Allgemeinplätze. Ein Problem, das sich ergibt, wenn man glaubt, Bücher dieses Genres einfach nach Europa exportieren zu können, wo das Umweltbewusstsein weit ausgeprägter ist als auf der anderen Seite des Atlantiks. Gleichwohl: Rubin zeigt, dass wir dem Ende der Globalisierung entgegengehen, dass die Produktion auf den heimischen Märkten wieder konkurrenzfähig wird. Und dass all dies der Umwelt weit mehr dient als alle anspruchsvollen aber ergebnislosen Klimagipfel dieser Welt. Denn die zaudernden, rückwärts gewandten Politiker in China und den USA werden laut Rubin von der Realität bald überholt. So gesehen liefert Rubin in seinem Buch zukunftsweisende Argumente auch für deutsche Unternehmer, Gewerkschaftler, Arbeits- und Sozialpolitiker oder ganz einfach für Leser, die sich mit gesellschaftlichen Entwicklungsperspektiven beschäftigen.
Tom Goeller war das über: Jeff Rubin: "Warum die Welt immer kleiner wird. Öl und das Ende der Globalisierung". Erschienen ist das Buch im Carl Hanser Verlag München, es hat ca. 280 Seiten und kostet 19,90 Euro, ISBN: 978-3-446-41955-1.
Jeff Rubin hat in seinem Buch, dessen Originalausgabe bereits 2009 in Kanada erschienen ist, auf die Risiken hingewiesen, die mit der Ölförderung vor den US-Küsten verbunden sind. Vor allem auf die Risiken durch Wirbelstürme:
Die Hurrikanes Katrina und Rita zerstörten insgesamt nicht weniger als 167 Förderplattformen und 183 Pipelines. Viele der Plattformen wurden von den Wellen wie Schlauchboote umhergewirbelt; abgerissene Teile wurden bis zu 100 Kilometer von ihren ursprünglichen Standorten gefunden. Es zeigte sich, dass so gut wie keine der Plattformen der Gewalt eines Kategorie-5-Hurrikans standhalten konnte.
Hauptanliegen des Energieanalysten Rubin ist es indes, anhand zahlreicher Beispiele eindrucksvoll die totale Abhängigkeit unserer gesamten westlichen Lebensweise vom Erdöl aufzuzeigen. Wer es bisher noch nicht wusste, erfährt es nun bei Rubin: dass derzeit die Gestaltung und Wahl unserer Arbeitsplätze, die Menge und Auswahl an Lebensmitteln, unser Freizeitverhalten, die Wahl unseres Wohnortes und sogar unserer Freunde letztlich von der bezahlbaren Verfügbarkeit von Erdöl abhängen.
Heute braucht man Öl, um Geld zu verdienen, und man braucht Geld, um Öl zu kaufen. Wenn das Öl (aufgrund seiner Verknappung) zu teuer ist, wird es immer schwieriger, Geld zu verdienen, sei es nun durch Taxifahren oder den Verkauf von Ananas. Insbesondere die Lebensmittel werden viel teurer werden – sie werden ja schon jetzt ständig teurer. Das Zeug, das sie in Ihrem Auto verbrennen, ist das gleiche, was der Bauer braucht, um Mais anzubauen und zu ernten, ganz zu schweigen von dem Erdgas, das gebraucht wird, um seine Düngemittel herzustellen. Es ist das gleiche Zeug, das all die Lkws und Flugzeuge und Schiffe antreibt, die Waren hin und her transportieren, das gleiche Zeug, das der petrochemischen Industrie als Rohstoff dient, um unsere Kunststoffe und Arzneimittel zu produzieren.
Aus Rubins Analyse lässt sich beispielsweise herauslesen, dass es für ein deutsches Unternehmen schon jetzt falsch ist, in China zu investieren, da die durch Billiglöhne hergestellten Fernostprodukte aufgrund des langen Transportweges und der bald nicht mehr zu bezahlenden Erdölpreise für den deutschen Markt zu teuer werden. Rubin prognostiziert also die Rückabwicklung der Globalisierung mit ihren Handelsströmen. Zukunftsweisend sei es vielmehr, die heimische Industrie mit ihren kurzen Lieferwegen auszubauen; Anlegern sei zu empfehlen, heimische Wiesen und Brachland zu kaufen, da das Steak aus Uruguay künftig zu teuer werde und das deutsche Rind bei deutschen Gourmets deshalb neue Wertschätzung gewinnen werde. Auch der Tourismus wird sich ändern. Rubin macht deutlich, dass jeder Einzelne von uns sich bereits jetzt auf das vorhersehbare Ende der Welterdölreserven einstellen sollte, denn:
Indem die Welt durch knappes Öl allmählich immer kleiner wird, werden Sie, lieber Leser, bald viel mehr Zeit in Gesprächen mit Ihren Nachbarn verbringen und viel weniger Zeit, um in der Welt herumzufliegen. Und dabei werden Sie feststellen, dass Sie sich immer weniger über die großen Probleme der Welt den Kopf zerbrechen und stattdessen immer häufiger über die kleinen in Ihrem Umfeld nachdenken.
Kritisch bleibt anzumerken, dass Rubins Buch ausschließlich für den amerikanischen Markt geschrieben ist. Dies zeigt sich vor allem an den vielen Problemen und Beispielen, die er thematisiert, wie etwa: die hohen Energiekosten für Klimaanlagen in sämtlichen Haushalten der USA, den notorischen Hang zu großen, Benzin schluckenden Autos, eine große Vorliebe fürs Flugzeug auch für kurze Strecken innerhalb der USA, der hohe Kunstdüngerverbrauch amerikanischer Farmer. Dieses ungebremst unvernünftige Verbraucherverhalten ist typisch für die USA und Kanada, nicht aber für Europa. Zudem sind viele von Rubins Ein- und Ansichten über die katastrophalen Auswirkungen des Erdölverbrauchs für deutsche Leser längst Allgemeinplätze. Ein Problem, das sich ergibt, wenn man glaubt, Bücher dieses Genres einfach nach Europa exportieren zu können, wo das Umweltbewusstsein weit ausgeprägter ist als auf der anderen Seite des Atlantiks. Gleichwohl: Rubin zeigt, dass wir dem Ende der Globalisierung entgegengehen, dass die Produktion auf den heimischen Märkten wieder konkurrenzfähig wird. Und dass all dies der Umwelt weit mehr dient als alle anspruchsvollen aber ergebnislosen Klimagipfel dieser Welt. Denn die zaudernden, rückwärts gewandten Politiker in China und den USA werden laut Rubin von der Realität bald überholt. So gesehen liefert Rubin in seinem Buch zukunftsweisende Argumente auch für deutsche Unternehmer, Gewerkschaftler, Arbeits- und Sozialpolitiker oder ganz einfach für Leser, die sich mit gesellschaftlichen Entwicklungsperspektiven beschäftigen.
Tom Goeller war das über: Jeff Rubin: "Warum die Welt immer kleiner wird. Öl und das Ende der Globalisierung". Erschienen ist das Buch im Carl Hanser Verlag München, es hat ca. 280 Seiten und kostet 19,90 Euro, ISBN: 978-3-446-41955-1.