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Das Ende einer Wirtschaftspartei

Das Steckenpferd der FDP ist seit Langem die Steuer- und Wirtschaftspolitik. Die Hälfte aller Wirtschaftsminister der Bundesrepublik kam von der FDP. Die Fokussierung auf diese Themen hat der Partei aber auch Kritik eingebracht - auch aus den eigenen Reihen.

Von Verena Herb | 23.09.2013
    "Die FDP kann nur einer besiegen – das ist wir selbst."

    Rainer Brüderle – wie recht er doch hatte: Erstmals in der Geschichte der Partei werden die Liberalen nicht mehr dem Deutschen Bundestag angehören. Wirtschaftsvertreter bedauern das – auch Rainer Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler:

    "Jede Koalition, die jetzt gewählt worden ist, birgt die Gefahr, dass es Steuererhöhungen gibt. Weil wir keine Partei mehr haben, die gegen Steuererhöhungen sich ausgesprochen hat."
    Doch war es wahrscheinlich genau diese Fokussierung auf Steuererleichterungen, die die Freien Demokraten in der Öffentlichkeit als "Ein-Thema-Partei" da stehen ließ. Unter Guido Westerwelle wurde dieses Singulär-Profil noch geschärft: 15, 25, 35 Prozent – so der Steuerdreisatz der FDP. Erstmalig vorgestellt 2003 und in regelmäßigem Abstand wiederholt. Auch im Wahlkampf 2005 ging Guido Westerwelle damit auf Stimmenfang:

    "Wir setzen in großer Klarheit nicht auf die Therapie eines maroden Steuersystems. Sondern wir setzen in großer Klarheit auf einen Neuanfang im Steuersystem."

    2005 bleibt die FDP mit 9,8 Prozent in der Opposition – erst vier Jahre später schafft sie den Sprung in die Regierung. 14,6 Prozent – ein Triumph für Westerwelle. Doch von den Steuersenkungsversprechen bleibt nicht viel außer der Ermäßigung für Hoteliers: Die FDP wird den Vorwurf der Klientelpartei nicht los. Was auch innerhalb der Partei für große Kritik sorgt, zum Beispiel beim ehemaligen Innenminister Gerhard Baum. Er konstatierte 2011:

    "Wir müssen die alten Traditionslinien der FDP – Wirtschaftsliberalismus, Sozialer Liberalismus, und Bürgerrechtsliberalismus - wieder zusammenführen. Ich verstehe zum Beispiel nicht die Ablehnung der FDP von Mindestlöhnen. Also sie hat den Kontakt zur Bevölkerung verloren."

    In der Anfangszeit der Bundesrepublik war die FDP nicht unbedingt eine Wirtschaftspartei – auch wenn Theodor Heuss, Gründungsvater der Freien Demokratischen Partei, deren erster Vorsitzender und erster Bundespräsident der BRD, schon 1948 deutlich machte:

    "Wir stehen heute in der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und freier Auffassung des wirtschaftlichen Lebens."

    Damals stand die FDP eher rechts von der Mitte, war in den 50er-, 60er-Jahren eher nationalliberal als wirtschaftsliberal ausgerichtet. Erst 1957 mit dem Berliner Programm einigte sich die Partei überhaupt erstmals auf ein Grundsatzprogramm, das ein deutliches Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft unterstrich sowie die Ablehnung jeglicher Verstaatlichungspläne. Rainhold Maier, Parteichef zur damaligen Zeit, kämpfte thematisch allerdings gegen die Selbstbeschränkung seiner Partei an:

    "Manch einer glaubte, es gehe uns nur um das Wirtschaftliche, ja, noch schlimmer nur um das Materielle. Weit gefehlt. Die FDP wird deutlich missverstanden, wenn man sie als eine bessere Wirtschaftspartei betrachtet – wir wollen die Freiheit ganz. Wir wollen sie überall."

    Von 18 Wirtschaftsministern der Bundesrepublik gehörten neun, also die Hälfte, der FDP an. Mit Abstand sticht dort wohl Otto Graf Lambsdorff heraus: Das von ihm 1977 vorgelegte Grundkonzept, die Kieler Thesen, markierte eine erneute programmatische Kehrwende, in denen die Partei auf eine marktliberale Wirtschaftspolitik setzte und mit dieser die Hoffnung auf eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung verband. Die Kieler Thesen wurden zu einem wichtigen Schritt auf dem Weg zum 1982 vollzogenen Koalitionswechsel der FDP zur Union.