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Das Ende von Oslo

Als ein "Treffen der Koalition des Friedens" feiert der damalige israelische Außenminister Schimon Peres die Einladung Kairos an Israel, Jordanien und die PLO, sich in der ägyptischen Hauptstadt zu treffen, um gegenseitige Probleme auszuräumen. Nur anderthalb Jahre nach dem Oslo-Abkommen zwischen Israel und der PLO und ein halbes Jahr nach dem Friedensschluss zwischen Israel und Jordanien steht es nicht gut um die weiteren Friedensbemühungen in Nahost: Blutige Anschläge fordern zivile Todesopfer in Israel und israelische Siedler wie auch Soldaten werden in den besetzten Gebieten angegriffen. In Israel droht Ministerpräsident Rabin, die zweite Phase des Oslo-Abkommens nicht einzuleiten und sein Außenminister Peres macht Palästinenserführer Arafat schwere Vorwürfe, nicht genug zu tun:

Von Peter Philipp |
    Wir verlangen von Arafat nicht, für die Sicherheit Israels verantwortlich zu sein. Wir verlangen nicht einmal von ihm, 100 Prozent Erfolg zu haben bei seiner Konfrontation mit den verschiedenen terroristischen Organisationen. Was wir von ihm wollen ist, das er zeigt, dass er wirklich versucht, sich wirklich bemüht, deren Aktivitäten in den Gegenden zu stoppen, für die er verantwortlich ist. Aber wir fühlen, dass er bis jetzt nicht genug getan hat. Nichts Sichtbares und Überzeugendes, dass er wirklich dagegen angeht.

    In Kairo ist man unterdes dabei, eine Kampagne loszutreten, die Israel als einzige Atommacht der Region kritisiert und fordert, dass Jerusalem sich dem Nichtverbreitungsabkommen anschließt. Und in Jordanien wächst das ungute Gefühl, mit dem Friedensvertrag vom Vorjahr vielleicht einen Fehler begangen zu haben. Es scheint höchste Zeit, zu retten, was kurz zuvor so hoffnungsvoll begonnen hatte.

    Am 2. Februar 1995 kommt die erste Vierer-Begegnung des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak mit dem jordanischen König Hussein, Israels Ministerpräsident Jitzchak Rabin und PLO-Chef Yasser Arafat zustande. Wer fehlt, dass ist der syrische Präsident Assad, in Damaskus aber gibt es keine Bewegung. Sehr zur Enttäuschung der Israelis, wie Schimon Peres versichert:

    Wir dachten, dass Assad sich ernsthaft und schnell auf einen Frieden zwischen ihm und uns bewegen würde, und wir haben viele Hinweise gegeben - zum Beispiel, dass wir die Golanhöhen verlassen würden, dass wir eine umfassende Friedenslösung in Nahost wollen. Aber bis jetzt hat er nicht wirklich Bereitschaft gezeigt, ernsthaft Verhandlungen aufzunehmen.

    So beschränkt man sich darauf, das komplizierte Verhältnis zwischen Israel und den Palästinensern anzusprechen: Israel gerät unter heftige Kritik, weil es sich immer noch nicht - wie vereinbart - aus den palästinensischen Bevölkerungszentren zurückgezogen und Wahlen zugelassen habe. Statt dessen erweitere es bestehende Siedlungen und baue - am Stadtrand von Jerusalem - sogar neue. Und es verhänge immer wieder Reisebeschränkungen für die Palästinenser - auch dies eine ungerechtfertigte Behinderung des Friedensprozesses. Nach mehreren Gesprächsrunden tritt Ägyptens Außenminister Amre Mussa vor die Mikrophone und verkündet stolz:

    Ich glaube, dass die Gespräche über den Prozess - besonders den israelisch-palästinensischen Prozess - wieder in Gang gekommen sind.

    Auch die anderen Teilnehmer sprechen von Erfolg, sie tun es aber nicht in einer gemeinsamen Pressekonferenz und das lässt Beobachter zweifeln. Amre Mussa aber bleibt unbeirrt:

    Die vier Parteien verurteilen jeden neuen Ausbruch von Blutvergießen, Terror und Gewalt in der Region. Sie erklären sich erneut und entschieden gegen solche Akte zu sein und wollen ihnen ein Ende setzen.

    Auch seien weitere Treffen geplant, wenn nötig. Schöne Vorsätze. Denen dann aber nicht die erforderlichen Taten folgen: Ein Treffen zwischen Arafat und Rabin wenige Tage später bleibt ohne Ergebnis und der Weg ins Unheil ist nicht mehr aufzuhalten: Zwar zieht sich Israel doch noch aus den palästinensischen Städten zurück, neun Monate nach dem Treffen von Kairo aber wird Rabin ermordet und wenig später Benjamin Netanjahu gewählt, der fast alles vereitelt, was an Positivem erreicht worden ist. Auch seine Nachfolger retten nichts; sie machen die Dinge höchstens noch schlimmer. Nach vier Jahren Intifada und dem Tod Yasser Arafats steht die Region zehn Jahre später eher vor einem Trümmerhaufen als vor einem hoffnungsvollen Neubeginn.