Mario Dobovisek: Streit im Detail, sachlich dabei im Ton – Millionen Zuschauer verfolgten gestern Abend das Fernsehduell zwischen Kanzlerin Angela Merkel und dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Merkel wertete ihre Regierungsarbeit als Erfolg, Steinbrück warf Schwarz-Gelb dagegen Stillstand vor und warb für mehr soziale Gerechtigkeit.
Aus Bonn ist mir Peter Ditko zugeschaltet. Er leitet die Deutsche Rednerschule und trainiert auch Spitzenpolitiker. Ich grüße Sie, Herr Ditko.
Peter Ditko: Ich grüße Sie, Herr Dobovisek.
Dobovisek: Über die politischen Aspekte des Duells haben wir vor einer Stunde hier im Deutschlandfunk ausführlich gesprochen. Wer hat sich denn rhetorisch besser geschlagen, Merkel oder Steinbrück?
Ditko: Beide haben das Optimalste gegeben, was man geben kann. Merkel hat sich weitgehend doch nicht unterbuttern lassen und Steinbrück ist mal ein bisschen freundlicher gewesen, jovialer gewesen. Das andere, das Rhetorische, das konnte er auch schon vorher. Beide haben versucht, das Beste daraus zu machen.
Dobovisek: Aber reicht das beste, um die Menschen zu begeistern, auch gerade die, die nicht wählen wollen?
Ditko: Das liegt aber an dem Sendekonzept. Da stehen dann vier Buchhalter beziehungsweise zwei Buchhalterinnen und zwei Buchhalter und fragen sozusagen ab. Das hat mit Unterhaltungswert überhaupt nichts mehr zu tun. Gerade junge Leute sind spezialisiert darauf, über Unterhaltungswert Informationen zu verarbeiten, und das ist bei diesem Sendekonzept überhaupt nicht der Fall.
Dobovisek: Wie müsste denn ein Kanzlerduell aussehen, um die Zuschauer am Ende mitreißen zu können?
Ditko: Erst mal ein wenig lockerer. Gott sei Dank hat man ja den Raab dazugenommen, "Schlag den Raab", der ein wenig die Sache aufgelockert hat und dieses Abfragesystem ein Stück verändert hat.
Dobovisek: Das sehen ja andere wiederum sehr kritisch, gerade dass Stefan Raab mit dabei war. Treffen da sozusagen mehrere Welten aufeinander?
Ditko: Ja die Welt ist aber nicht die Buchhalterwelt. Die Welt hat sich geändert, die Jugendlichen haben sich geändert. Man muss die Jugendlichen bekommen, und das kann man nicht mit dieser Systematik machen. Deswegen war ich froh, dass der Raab dabei gewesen ist.
Dobovisek: Was macht denn einen überzeugenden Auftritt aus, rhetorisch gesehen?
Ditko: Beide haben versucht, das ja auch zu bringen. Merkel hat ja versucht, einmal auch immer wieder Steinbrück anzusehen. Sie ist ja eine Frau, die halt mehr Mittelfeldspieler ist, immer wieder anfängt zu dirigieren, während Steinbrück halt sehr präzise ist, sehr genau ist, und versucht hat, dieses Griesgrämige, was er meistens ja dabei hat, zurückzuziehen. Aber die Informationen sind so viele, dass der normale Zuhörer das im Grunde genommen gar nicht verarbeiten kann.
Dobovisek: Macht das die Langeweile aus, die sich bei vielen in den Wohnzimmern gestern breit gemacht hat?
Ditko: Ja man kann sich gegebenenfalls bei so einer Sendung über die Personen etwas näher informieren: Wie ist Merkel, wie ist Steinbrück? Das kann eine solche Sendung schaffen. Aber in den Inhalten nun sehr präzise diese Gegensätze darzustellen, das wird sehr, sehr schwer. Obwohl, das haben Sie gemerkt: Die Kanzlerin war am Anfang sehr nervös. Sie hat sich einige Male versprochen und das hat Steinbrück einfach von sich aus auch nicht ausgenutzt. Er war schon sehr konziliant.
Dobovisek: Wie wichtig ist denn die Körpersprache, gerade bei dieser Außenwirkung? Die Körpersprache ist bei beiden Kandidaten ja eher zurückhaltend, um es vorsichtig zu formulieren.
Ditko: Erst mal konnte man es ja kaum sehen. Vom Bildausschnitt war ja meistens ein Porträtausschnitt da, also kam wenig Körpersprache herüber. Das was Merkel richtig gemacht hat: Merkel hat ja versucht, sich herumzudrehen gegen Steinbrück, um mit ihm ins Gespräch zu kommen, das war sehr, sehr geschickt gemacht, während Steinbrück weitgehend in die Kamera geschaut hat, aber positiv gesehen nicht so verbissen wie normalerweise.
Dobovisek: Entstand deshalb auch der Eindruck, dass es kaum Austausch gab zwischen beiden?
Aus Bonn ist mir Peter Ditko zugeschaltet. Er leitet die Deutsche Rednerschule und trainiert auch Spitzenpolitiker. Ich grüße Sie, Herr Ditko.
Peter Ditko: Ich grüße Sie, Herr Dobovisek.
Dobovisek: Über die politischen Aspekte des Duells haben wir vor einer Stunde hier im Deutschlandfunk ausführlich gesprochen. Wer hat sich denn rhetorisch besser geschlagen, Merkel oder Steinbrück?
Ditko: Beide haben das Optimalste gegeben, was man geben kann. Merkel hat sich weitgehend doch nicht unterbuttern lassen und Steinbrück ist mal ein bisschen freundlicher gewesen, jovialer gewesen. Das andere, das Rhetorische, das konnte er auch schon vorher. Beide haben versucht, das Beste daraus zu machen.
Dobovisek: Aber reicht das beste, um die Menschen zu begeistern, auch gerade die, die nicht wählen wollen?
Ditko: Das liegt aber an dem Sendekonzept. Da stehen dann vier Buchhalter beziehungsweise zwei Buchhalterinnen und zwei Buchhalter und fragen sozusagen ab. Das hat mit Unterhaltungswert überhaupt nichts mehr zu tun. Gerade junge Leute sind spezialisiert darauf, über Unterhaltungswert Informationen zu verarbeiten, und das ist bei diesem Sendekonzept überhaupt nicht der Fall.
Dobovisek: Wie müsste denn ein Kanzlerduell aussehen, um die Zuschauer am Ende mitreißen zu können?
Ditko: Erst mal ein wenig lockerer. Gott sei Dank hat man ja den Raab dazugenommen, "Schlag den Raab", der ein wenig die Sache aufgelockert hat und dieses Abfragesystem ein Stück verändert hat.
Dobovisek: Das sehen ja andere wiederum sehr kritisch, gerade dass Stefan Raab mit dabei war. Treffen da sozusagen mehrere Welten aufeinander?
Ditko: Ja die Welt ist aber nicht die Buchhalterwelt. Die Welt hat sich geändert, die Jugendlichen haben sich geändert. Man muss die Jugendlichen bekommen, und das kann man nicht mit dieser Systematik machen. Deswegen war ich froh, dass der Raab dabei gewesen ist.
Dobovisek: Was macht denn einen überzeugenden Auftritt aus, rhetorisch gesehen?
Ditko: Beide haben versucht, das ja auch zu bringen. Merkel hat ja versucht, einmal auch immer wieder Steinbrück anzusehen. Sie ist ja eine Frau, die halt mehr Mittelfeldspieler ist, immer wieder anfängt zu dirigieren, während Steinbrück halt sehr präzise ist, sehr genau ist, und versucht hat, dieses Griesgrämige, was er meistens ja dabei hat, zurückzuziehen. Aber die Informationen sind so viele, dass der normale Zuhörer das im Grunde genommen gar nicht verarbeiten kann.
Dobovisek: Macht das die Langeweile aus, die sich bei vielen in den Wohnzimmern gestern breit gemacht hat?
Ditko: Ja man kann sich gegebenenfalls bei so einer Sendung über die Personen etwas näher informieren: Wie ist Merkel, wie ist Steinbrück? Das kann eine solche Sendung schaffen. Aber in den Inhalten nun sehr präzise diese Gegensätze darzustellen, das wird sehr, sehr schwer. Obwohl, das haben Sie gemerkt: Die Kanzlerin war am Anfang sehr nervös. Sie hat sich einige Male versprochen und das hat Steinbrück einfach von sich aus auch nicht ausgenutzt. Er war schon sehr konziliant.
Dobovisek: Wie wichtig ist denn die Körpersprache, gerade bei dieser Außenwirkung? Die Körpersprache ist bei beiden Kandidaten ja eher zurückhaltend, um es vorsichtig zu formulieren.
Ditko: Erst mal konnte man es ja kaum sehen. Vom Bildausschnitt war ja meistens ein Porträtausschnitt da, also kam wenig Körpersprache herüber. Das was Merkel richtig gemacht hat: Merkel hat ja versucht, sich herumzudrehen gegen Steinbrück, um mit ihm ins Gespräch zu kommen, das war sehr, sehr geschickt gemacht, während Steinbrück weitgehend in die Kamera geschaut hat, aber positiv gesehen nicht so verbissen wie normalerweise.
Dobovisek: Entstand deshalb auch der Eindruck, dass es kaum Austausch gab zwischen beiden?
"Die Menschen orientieren sich an dem Repräsentanten"
Ditko: Es gab nur ein Frage- und Antwortspiel. Das lag aber auch an der Situation. Merkel hat ja versucht, sich nicht "unterbuttern" zu lassen und hat sich nicht auf Steinbrück eingelassen, und sie hat, was Steinbrück kann – er kann sehr unterhaltend sein, er hat sehr schöne Metaphern drin mit Krankenlagern, Wind unter den Flügeln haben und was auch immer -, das kann Merkel nicht. Aber Merkel hat doch sehr, sehr präzise aufgepasst und als Steinbrück den Fehler gemacht hat, da hat sie blitzschnell zugeschlagen. Das ist etwas, was sie kann.
Dobovisek: Beide Kontrahenten setzten kaum auf Emotionen. Ist das ein Fehler?
Ditko: Ich denke, das ist ein Fehler. Sie können die Menschen in diesem Bereich weitgehend nur über Emotionen bekommen. Es ist ein Unding zu glauben, dass der Wähler rein über Logik versucht, seine Wahl zu rechtfertigen. Das kann er nicht. Dafür sind die Themen viel zu komplex. Was wir gesehen haben, was ja in den USA genau das gleiche ist, schon wesentlich tiefer eingebrannt in die Bevölkerung: Die Menschen orientieren sich an dem Repräsentanten, also an dem Politiker, und wenn der Politiker in Ordnung ist, wenn sie glauben, dass er das ganze im Griff hat, wenn er freundlich ist, wenn er zielsicher ist, dann wählen sie die Dinge, dann schauen sie vielleicht noch mal in das eine oder andere, aber das Programm ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist die Person.
Dobovisek: Warum gibt es in Deutschland nur noch wenige dieser Personen, nennen wir mal aus dem Zeitalter von Strauß und Wehner, die großen Reden von damals, die tatsächlich auch rhetorisch und mit der Person gut überzeugen können?
Ditko: Es liegt zum Teil erstens daran, dass wir Berufspolitiker haben. Das waren die damals ja nicht. Das zweite ist: Dadurch, dass sie Berufspolitiker sind, wollen sie ihre Position natürlich halten und haben Angst, irgendwelche Fehler zu machen, die dann dazu führen könnten, dass die Fraktion oder die Partei oder der Wähler sie nicht mehr wählt. Diese Abhängigkeit gab es früher nicht, die ist heute sehr, sehr stark, und gerade die jungen Leute versuchen, möglichst auf Nummer sicher zu gehen.
Dobovisek: Ist die Politik zu glatt geworden?
Ditko: Ja. Das Problem ist zweiseitig. Einmal sind die Themen zu komplex. Wenn in Japan etwas passiert, hat man sich früher nicht darum gekümmert. Heute haben wir große Probleme dann. Das heißt also, es kommen immer mehr Informationen auf die Bürger zu, die sie sowieso nicht verstehen können.
Strauß war zum Beispiel ein Mann, der über seine Metaphern, über seine Art diese Dinge auf den Punkt brachte, und der Bürger konnte das plötzlich verstehen. Das geht bei vielen Menschen nicht, das kann auch Merkel nicht. Merkel mit ihren langen Satzstrukturen, die sowieso keiner begreift, plätschert das dahin und wenn sie dann im Grunde genommen unterbrochen wird, dann haut sie dominativ drauf. Da ist Steinbrück schon wesentlich besser.
Dobovisek: …, sagt der Rhetoriktrainer Peter Ditko. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Ditko.
Dobovisek: Beide Kontrahenten setzten kaum auf Emotionen. Ist das ein Fehler?
Ditko: Ich denke, das ist ein Fehler. Sie können die Menschen in diesem Bereich weitgehend nur über Emotionen bekommen. Es ist ein Unding zu glauben, dass der Wähler rein über Logik versucht, seine Wahl zu rechtfertigen. Das kann er nicht. Dafür sind die Themen viel zu komplex. Was wir gesehen haben, was ja in den USA genau das gleiche ist, schon wesentlich tiefer eingebrannt in die Bevölkerung: Die Menschen orientieren sich an dem Repräsentanten, also an dem Politiker, und wenn der Politiker in Ordnung ist, wenn sie glauben, dass er das ganze im Griff hat, wenn er freundlich ist, wenn er zielsicher ist, dann wählen sie die Dinge, dann schauen sie vielleicht noch mal in das eine oder andere, aber das Programm ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist die Person.
Dobovisek: Warum gibt es in Deutschland nur noch wenige dieser Personen, nennen wir mal aus dem Zeitalter von Strauß und Wehner, die großen Reden von damals, die tatsächlich auch rhetorisch und mit der Person gut überzeugen können?
Ditko: Es liegt zum Teil erstens daran, dass wir Berufspolitiker haben. Das waren die damals ja nicht. Das zweite ist: Dadurch, dass sie Berufspolitiker sind, wollen sie ihre Position natürlich halten und haben Angst, irgendwelche Fehler zu machen, die dann dazu führen könnten, dass die Fraktion oder die Partei oder der Wähler sie nicht mehr wählt. Diese Abhängigkeit gab es früher nicht, die ist heute sehr, sehr stark, und gerade die jungen Leute versuchen, möglichst auf Nummer sicher zu gehen.
Dobovisek: Ist die Politik zu glatt geworden?
Ditko: Ja. Das Problem ist zweiseitig. Einmal sind die Themen zu komplex. Wenn in Japan etwas passiert, hat man sich früher nicht darum gekümmert. Heute haben wir große Probleme dann. Das heißt also, es kommen immer mehr Informationen auf die Bürger zu, die sie sowieso nicht verstehen können.
Strauß war zum Beispiel ein Mann, der über seine Metaphern, über seine Art diese Dinge auf den Punkt brachte, und der Bürger konnte das plötzlich verstehen. Das geht bei vielen Menschen nicht, das kann auch Merkel nicht. Merkel mit ihren langen Satzstrukturen, die sowieso keiner begreift, plätschert das dahin und wenn sie dann im Grunde genommen unterbrochen wird, dann haut sie dominativ drauf. Da ist Steinbrück schon wesentlich besser.
Dobovisek: …, sagt der Rhetoriktrainer Peter Ditko. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Ditko.