Unterwegs in der Einöde des südaustralichen Outbacks, 800 Kilometer westlich von Adelaide. Nichts als rötlicher Sand, Staub und verdorrtes Buschland. Ein paar Schritte abseits der Schotterstraße bleibt Yami Lester stehen. Der 72-jährige Aborigine will keinen Schritt weiter gehen. Langsam hebt der Stammesälteste der Anangu eine verblichene Wurzel vom Boden auf und zeigt damit Richtung Horizont. Auf das Land, das er nicht mehr betreten hat, seit er ein Junge war.
"Da drüben liegt das Böse. Der Boden ist immer noch vergiftet, denn vor langer Zeit ist dort der Himmel explodiert. Da drüben liegt Maralinga."
Maralinga bedeutet in der Sprache der Ureinwohner "Feld des Donners". Aus gutem Grund. 1956 brach dort, auch in Australien, der Kalte Krieg aus. Die Briten machten Maralinga zu ihrem Nuklear-Testgelände. In nur zwei Jahren zündeten sie im Outback insgesamt zwölf Atombomben.
8000 australische Soldaten wurden für die Tests damals, buchstäblich, in die Wüste geschickt. Ohne zu wissen, was Radioaktivität ist und ohne Schutzmaßnahmen.
"Die britischen Wissenschaftler trugen weiße Schutzanzüge und Masken", erinnert sich der damals 23-jährige Geoff Cates, aber er und seine Kameraden wurden mit nichts weiter als mit kurzen Hosen, Hemd und Mütze immer wieder nach Ground Zero geschickt. Als menschliche Versuchskaninchen. Seit Jahrzehnten kämpfen die Maralinga-Veteranen nun schon um Anerkennung und um Schadensersatz. Ohne Erfolg. Jetzt bringt Joshua Dale, ihr Anwalt, den Fall vor die australische Menschenrechtskommission.
"Die Soldaten mussten in Flugzeugen durch den Atompilz fliegen und Luftproben mitbringen, andere wurden wie Laborratten immer wieder nach Ground Zero geschickt, um Proben zu sammeln. Jedes Mal wurden sie hinterher getestet. Diese Soldaten wurden nicht älter als 50. Sie starben an den Folgen der Strahlung, an Krebs und Leukämie. Wer überlebt hat, der ist immer noch krank."
Die Atomtests waren streng geheim. Nicht um sie vor militärischen Gegnern zu verheimlichen, sondern vor der australischen Öffentlichkeit. Den Soldaten wurde jeder Kontakt mit Zuhause verboten; Namenslisten landeten im Reißwolf. John Sutton arbeitete damals im Büro des Krankenhauses von Maralinga. Er verwaltete Tausende Strahlentabellen und Krankenberichte über Soldaten, die unter Ess- und Sehstörungen, Erbrechen, Durchfall und Hautkrankheiten litten – den ersten Folgen der Atomtests. Doch die Akten verschwanden, als ob die Tests niemals stattgefunden hätten.
"Die Maralinga-Akten sind 1978 angeblich verloren gegangen und nie wieder aufgetaucht. Es geht um 15.000 Akten über Krankheitsfälle in Maralinga und die Folgeschäden der Soldaten, die an den Atomtests beteiligt waren. Irgendjemand weiß, wo sie sind und warum sie vom Erdboden verschwunden sind."
Zuvor verschwiegen, hinterher verleugnet: Von den Veteranen wollte nach den Atomtests niemand mehr etwas wissen. Schon gar nicht das australische Verteidigungsministerium. "Wir waren 8000 junge, gesunde Männer", sagt der 72-jährige Ray Whitby, der in Maralinga Fotos von den Atomexplosionen machen musste. "Heute", rechnet er vor, "sind nur noch 300 am Leben".
"Ich wiege kaum etwas, kann mich nicht konzentrieren und bin chronisch depressiv. Meine Frau hatte fünf Fehlgeburten. Mehr als 70 Prozent meiner Kameraden bekamen Krebs, die meisten waren drei Jahre nach den Tests tot."
Australische Soldaten, die in Korea, Vietnam oder im Irak verwundet wurden, bekommen eine Versehrtenrente, die Veteranen von Maralinga aber gingen leer aus. Genau wie ihre britischen Kameraden. Die Atomversuche seien nicht lebensgefährlich gewesen, heißt es, und überhaupt: Sie lägen zu lange zurück, um heutige Spätfolgen auf damals zurückzuführen. Für Geoff Cates und seine Kameraden aber waren die Tests eine genetische Zeitbombe.
"Die Medizin ist sich einig, dass Radioaktivität in den Kindern von Strahlenopfern manisch depressive Erkrankungen verursachen kann. Für Generationen. Mein Sohn wurde im Jahr nach den Atomtests geboren. Er leidet unter einer bipolaren Störung, genau wie sein Sohn. Diese Krankheit gibt es in unserer Familie erst seit Maralinga."
Die Menschenrechtskommission ist die letzte Hoffnung für die australischen Atomtest-Veteranen. Werden sie wieder abgewiesen, dann wird der Fall "Maralinga" wohl endgültig zu den Akten gelegt. Das frühere Testgelände im südaustralischen Outback ist heute noch militärisches Sperrgebiet. "Vor Jahren sollte das Gebiet mit Millionenaufwand entseucht werden", erzählt Maralinga-Veteran Barry Masters. Trotzdem spielt der Geigerzähler dort immer noch verrückt. "Ich mache mir keine große Hoffnung auf Entschädigung", gesteht Masters. Er fürchtet, dass die australische Regierung in Maralinga, auch nach fast 60 Jahren, ihren Kopf weiter in den Wüstensand steckt.
"Die Regierung hat uns belogen, immer und immer wieder. Über die Atomtests, die Folgen und dass sie sich um uns kümmern wird. Die Politiker warten nur darauf, dass wir endlich alle tot sind. Sie sollten sich schämen. Wir haben damals getan, was uns befohlen wurde – selbst unter unmenschlichen Bedingungen. Wir haben unser Land nicht im Stich gelassen, aber unser Land hat uns betrogen."
"Da drüben liegt das Böse. Der Boden ist immer noch vergiftet, denn vor langer Zeit ist dort der Himmel explodiert. Da drüben liegt Maralinga."
Maralinga bedeutet in der Sprache der Ureinwohner "Feld des Donners". Aus gutem Grund. 1956 brach dort, auch in Australien, der Kalte Krieg aus. Die Briten machten Maralinga zu ihrem Nuklear-Testgelände. In nur zwei Jahren zündeten sie im Outback insgesamt zwölf Atombomben.
8000 australische Soldaten wurden für die Tests damals, buchstäblich, in die Wüste geschickt. Ohne zu wissen, was Radioaktivität ist und ohne Schutzmaßnahmen.
"Die britischen Wissenschaftler trugen weiße Schutzanzüge und Masken", erinnert sich der damals 23-jährige Geoff Cates, aber er und seine Kameraden wurden mit nichts weiter als mit kurzen Hosen, Hemd und Mütze immer wieder nach Ground Zero geschickt. Als menschliche Versuchskaninchen. Seit Jahrzehnten kämpfen die Maralinga-Veteranen nun schon um Anerkennung und um Schadensersatz. Ohne Erfolg. Jetzt bringt Joshua Dale, ihr Anwalt, den Fall vor die australische Menschenrechtskommission.
"Die Soldaten mussten in Flugzeugen durch den Atompilz fliegen und Luftproben mitbringen, andere wurden wie Laborratten immer wieder nach Ground Zero geschickt, um Proben zu sammeln. Jedes Mal wurden sie hinterher getestet. Diese Soldaten wurden nicht älter als 50. Sie starben an den Folgen der Strahlung, an Krebs und Leukämie. Wer überlebt hat, der ist immer noch krank."
Die Atomtests waren streng geheim. Nicht um sie vor militärischen Gegnern zu verheimlichen, sondern vor der australischen Öffentlichkeit. Den Soldaten wurde jeder Kontakt mit Zuhause verboten; Namenslisten landeten im Reißwolf. John Sutton arbeitete damals im Büro des Krankenhauses von Maralinga. Er verwaltete Tausende Strahlentabellen und Krankenberichte über Soldaten, die unter Ess- und Sehstörungen, Erbrechen, Durchfall und Hautkrankheiten litten – den ersten Folgen der Atomtests. Doch die Akten verschwanden, als ob die Tests niemals stattgefunden hätten.
"Die Maralinga-Akten sind 1978 angeblich verloren gegangen und nie wieder aufgetaucht. Es geht um 15.000 Akten über Krankheitsfälle in Maralinga und die Folgeschäden der Soldaten, die an den Atomtests beteiligt waren. Irgendjemand weiß, wo sie sind und warum sie vom Erdboden verschwunden sind."
Zuvor verschwiegen, hinterher verleugnet: Von den Veteranen wollte nach den Atomtests niemand mehr etwas wissen. Schon gar nicht das australische Verteidigungsministerium. "Wir waren 8000 junge, gesunde Männer", sagt der 72-jährige Ray Whitby, der in Maralinga Fotos von den Atomexplosionen machen musste. "Heute", rechnet er vor, "sind nur noch 300 am Leben".
"Ich wiege kaum etwas, kann mich nicht konzentrieren und bin chronisch depressiv. Meine Frau hatte fünf Fehlgeburten. Mehr als 70 Prozent meiner Kameraden bekamen Krebs, die meisten waren drei Jahre nach den Tests tot."
Australische Soldaten, die in Korea, Vietnam oder im Irak verwundet wurden, bekommen eine Versehrtenrente, die Veteranen von Maralinga aber gingen leer aus. Genau wie ihre britischen Kameraden. Die Atomversuche seien nicht lebensgefährlich gewesen, heißt es, und überhaupt: Sie lägen zu lange zurück, um heutige Spätfolgen auf damals zurückzuführen. Für Geoff Cates und seine Kameraden aber waren die Tests eine genetische Zeitbombe.
"Die Medizin ist sich einig, dass Radioaktivität in den Kindern von Strahlenopfern manisch depressive Erkrankungen verursachen kann. Für Generationen. Mein Sohn wurde im Jahr nach den Atomtests geboren. Er leidet unter einer bipolaren Störung, genau wie sein Sohn. Diese Krankheit gibt es in unserer Familie erst seit Maralinga."
Die Menschenrechtskommission ist die letzte Hoffnung für die australischen Atomtest-Veteranen. Werden sie wieder abgewiesen, dann wird der Fall "Maralinga" wohl endgültig zu den Akten gelegt. Das frühere Testgelände im südaustralischen Outback ist heute noch militärisches Sperrgebiet. "Vor Jahren sollte das Gebiet mit Millionenaufwand entseucht werden", erzählt Maralinga-Veteran Barry Masters. Trotzdem spielt der Geigerzähler dort immer noch verrückt. "Ich mache mir keine große Hoffnung auf Entschädigung", gesteht Masters. Er fürchtet, dass die australische Regierung in Maralinga, auch nach fast 60 Jahren, ihren Kopf weiter in den Wüstensand steckt.
"Die Regierung hat uns belogen, immer und immer wieder. Über die Atomtests, die Folgen und dass sie sich um uns kümmern wird. Die Politiker warten nur darauf, dass wir endlich alle tot sind. Sie sollten sich schämen. Wir haben damals getan, was uns befohlen wurde – selbst unter unmenschlichen Bedingungen. Wir haben unser Land nicht im Stich gelassen, aber unser Land hat uns betrogen."