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Das Erbe der Fußball-WM 2010
Nur Johannesburg fährt keine Verluste ein

Gelb-grüne Menschenmeere und Vuvuzelas: Das waren die Bilder der Fußball-WM 2010 in Südafrika. Heute sieht es nicht mehr so rosig aus. Von den zehn WM-Stadien in Südafrika fahren neun Verluste ein. Der Preis für die erste WM auf dem afrikanischen Kontinent wird immer noch gezahlt.

Von Jana Genth |
    Das WM-Finalstadion von 2010 in Johannesburg ist eine Ausnahme: Alle anderen ehemaligen WM-Stadien machen heute Verluste.
    Das WM-Finalstadion von 2010 in Johannesburg ist eine Ausnahme: Alle anderen ehemaligen WM-Stadien machen heute Verluste. (imago sportfotodienst)
    Sie ist noch wach, die Erinnerung an 2010. Dieser Passant in Johannesburg bringt es auf den Punkt: "Alle kamen zusammen. Ich meine, hier schauen weiße Leute nicht so oft Fußball. Während der WM taten sie das. Die Bars waren voller Männer, Frauen, alle Hautfarben. Alle waren da, um eine gute Zeit zu haben."
    Die WM-Stadien stehen noch, und auch acht Jahre danach sehen sie gut aus. Aber das täuscht, wie Humpfrey Thlobelo erklärt: "Das Stadion in Kapstadt macht jedes Jahr Verluste, das Stadion in Nelspruit fährt Verluste ein, Verluste macht auch das Stadion in Durban." Thlobelo managt die Großveranstaltungen in den Stadien. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Ein Minus auch in Durban am Indischen Ozean, wo sogar Touristenbetrieb herrscht. Dort gibt es auf dem Bogen über dem Stadion nicht nur eine Aussichtsplattform, sondern auch den sogenannten Big Rush: dort kann man Bungee springen und über dem WM-Rasen pendeln.
    Von Anfang an fehlten Zukunftskonzepte
    Ganz so aufgelöst wie bei den Bungee-Springern ist die Stimmung bei den Stadionbetreibern nicht. 35.000 Leute sind seit 2010 in Durban Bungee gesprungen. Umgerechnet gut 45 Euro zahlt man dafür. Allein für die Wartung des Stadions müssen aber jährlich Hundertausende ausgegeben werden. Was von Anfang an gefehlt hat, waren Zukunftskonzepte, sagt Gladwin Khangale, der für die südafrikanischen Stadien zuständig ist: "Dann war 2010 vorbei, und alles ging den Bach runter. Die machen keine Gewinne, da passiert einfach gar nichts mehr."
    Die einzige Ausnahme ist Soccer City, das Finalstadion von 2010 in Johannesburg. So voll wie damals ist es nicht mehr, aber: es gibt hier große, internationale Konzerte, Kirchen mieten das Stadion und mehr noch: "Wir haben unser Konzept", sagt Humpfrey Thlobelo, "wir verkaufen Werbung hier im Stadion. Hier werden aber auch Werbespots fürs Fernsehen gedreht. Neben dem Stadion gibt es auch mal Motorsport zu sehen. Wir machen also auch ganz andere Sachen."
    Immerhin. Und hin wieder wird natürlich auch gekickt. 14 Heimspiele haben die Kaizer Chiefs Johannesburg hier pro Saison. Und wenn es gegen die Orlando Pirates geht, den Erzrivalen in der Premier Soccer League, dann ist das Stadion auch rappelvoll. Leider ist das aber nicht der Normalfall. Oft sind die Stadien in Südafrika nicht einmal zu einem Drittel gefüllt. Woran das liegt? An jeder Menge Live-Übertragungen sicherlich - allein fünf Wettbewerbe gibt es in Südafrika. Dazu kommt die englische Premier League. Auch deren Spiele werden live übertragen.
    Leere Reihen in den Stadien
    Dann gibt es da auch noch die Nostalgie. Selbst junge Fußball-Fans wie Edd trauern den guten alten Zeiten nach: "Ich glaube wir haben unseren traditionell südafrikanischen Fußball-Stil verloren. Das Dribbeln, das Unterhalten. Wir haben zu sehr den europäischen Stil übernommen, eher taktisch geprägt. Früher waren die Stadion so voll, dass die Leute sogar direkt hinter der Torlinie saßen."
    Ein anderer Grund, warum die Stadien kaum gefüllt sind: Fußball ist der Sport der Schwarzen. Denn die weißen Südafrikaner schauen nach wie vor lieber Rugby oder Cricket. Und die Ticketpreise liegen umgerechnet zwar nur zwischen zwei und sechs Euro, aber wenn man nur zwischen 80 oder 200 Euro monatlich verdient, dann fällt das ins Gewicht.
    Da ist es doch wenigstens gut zu wissen, dass die Südafrikaner immer noch glücklich über ihre Stadien sind, vor allem über das Finalstadion von 2010 in Johannesburg, sagt Gladwin Khangale: "Wir sind stolz, das Land zu sein, das eines der größten und schönsten Stadien der Welt hat. Schaut doch nach Russland: sie haben ein Stadion quasi kopiert. Das heißt, wir haben das beste hier in Südafrika."