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Das Fest der kurzen Filme

Wim Wenders: Ich hoffe sie haben heute Spass und ich hoffe, das Festival hält die nächsten 50 Jahre und – ja – dann komm ich auch mal wieder vorbei...tschöö.

Klaus Gronenborn |
    Wim Wenders lakonische Glückwunsche zum 50. Geburtstag der Oberhausener Kurzfilmtage flimmerten per Videogruss aus Los Angeles über die Leinwand. Persönlich angereist hingegen war in diesem Jubiläums- und zugleich Superwahljahr - Bundeskanzler Gerhard Schröder. In seiner Eröffnungsrede betonte er - deutlich adressiert an den im Publikum anwesenden grünen Koalitionspartner Michael Vesper - der Kurzfilm als "Nukleus für die Filmkunst" sei ebenso schützenswert "wie etwa ein Landschafts-Biotop". NRW-Kulturminister Vesper – gemeinsam mit der Stadt Oberhausen Träger und Hauptförderer des Festivals - hatte seinen diesjährigen Zuschuss für die Kurzfilmtage deutlich reduziert.

    Eröffnet wurde das Jubiläumsfestival nicht im Kino, sondern an einem symbolträchtigen Ort für den Strukturwandel im Ruhrgebiet: Im alten Gasometer auf dem ehemaligen Oberhausener Thyssen-Gelände. Heute dient die denkmalgeschützte Industrieruine als Ausstellungsraum. Auch der Kurzfilm unterliegt einem Strukturwandel. Er existiert zwar noch auf dem alten Trägermaterial Film und war in diesem Kinoprojektionsformat in ein paar eindrucksvollen Beispielen in Oberhausen auf der Leinwand präsent. Doch die Mehrzahl der experimentellen kurzen Formen bewegter Bilder wird heutzutage überwiegend auf Video und digitalem Trägermaterial realisiert. Der kurze Film verabschiedet sich mehr und mehr aus dem schwarzen Kasten des Kinos in die hellen Räume der Museen und Kunstgalerien.

    Die japanische Produktion "Fade into White # 4" gehörte zu den ästhetisch überzeugendsten Beiträgen des diesjährigen Internationalen Wettbewerbs der Oberhausener Kurzfilmtage. Kazuhiro Goshima setzt in seinem computergenerierten Digitalvideo den Traum eines Architekten vom perfekten Raum in eine faszinierende Passage vorbei an geometrischen Formen, die sich in Bildräume verwandeln, um. Aus dem magischen Spiel von Licht, Schatten und Bewegung eröffnen sich in ständigen Übergangen neue Blickperspektiven. Räume bauen, das heisst immer auch: Bilder bauen. Hier sieht das stellenweise so aus, als habe der japanische Videokünstler Kazuhiro Goshima Kasimir Malewitschs "Schwarzes Quadrat" in ein begehbares dreidimensionales Objekt verwandelt.

    Angela Haardt, Leiterin der Kurzfilmtage von 1990 bis 1997 stellte die diesjährige Retrospektive der Kurzfilmtage zusammen. Hier konnte man fünf Jahrzehnte Festivalgeschichte in über 100 kurzen Filmen neu oder wieder entdecken. Das zeitgeschichtlich-politisch wie ästhetisch hochinteressante Repertoire reichte von Roman Polanskis 1962 in Polen gedrehter Herr-Knecht-Parabel "Ssaki/Säugetiere" bis hin zu heute als Musikvideoclips avant la lettre wieder zu entdeckenden Filmen aus den USA und Jugoslawien.
    1965 produzierte Robert Nelson als Pausenfüller für eine Bühnenshow der "San Francisco Mime Troupe" den Kurzfilm "Oh dem Watermelons". Die Musik zu diesem Hippie-Spektakel, in dem Wassemelonen lustvoll anarchisch auf vielfältige Art und Weise malträtiert werden, lieferte der damals noch recht unbekannte Komponist Steve Reich.

    Karpo Godina realisierte mit "Gratinirani mozak Pupilije Ferkeverk/Gratiniertes Hirn von Pupilije Ferkeverk" aus dem Jahr 1971 ein von slowenischen Avantgardekünstlern inszeniertes Happening. Ein Film wie ein LSD-Trip: Die Protagonisten stehen nackt im Wasser, recken Coca-Cola-Flaschen in die Kamera und rufen zuletzt zum Haschischkonsum auf. Die suggestive Tonspur erinnert an die psychedelische Rockmusik der Gruppe "Popol Vuh" und man sieht collagierte Schriftinserts wie in den Filmen von Jean Luc Godard: ein osteuropäisches Echo auf die westliche Popkultur der siebziger Jahre.

    Im Alten das Neue und im Neuen das Alte zu entdecken, ohne den Blick auf die digitale, multimediale Zukunft des Kurzfilms zu vernachlässigen: Dazu boten die Oberhausener Kurzfilmtage in ihrem 50sten Jubiläumsjahr ausgiebig Gelegenheit.