Archiv

Das Festival "Digital Territory"
Pixel statt Pinsel

In den 80er-Jahren kreierten Programmierer sogenannte Demos, digitale Intros aus multimedialen Animationen, die vor geknackte Computerspiele gesetzt wurden. Mit begrenztem Speicherplatz und einfachsten Mitteln entstanden hochkreative digitale Kunstwerke, die auch heute noch produziert werden.

Von Andi Hörmann |
zwei Männer vor Plakat
Geben einen Einblick in eine Subkultur: Kurator Stefan Pautze und Künstler Thomas Mann (Andi Hörmann (Deutschlandfunk))
Stefan Pautze: "Es ist ein schrecklicher Begriff! Demoszene ist ein Begriff, der wurde halt so mal geprägt und die meisten Leute denken wirklich an politische Demonstration oder an Demoversion von kommerzieller Software oder an Depeche Mode vielleicht noch im besten Fall."
Klar, die beiden Anfangsbuchstaben des Bandnamens: D,e-M,o, Depeche Mode. Aber mit den Synthie-Romantikern hat ein Computerdemo so gar nichts zu tun. Mit der Blütezeit der Band schon eher — die 1980er, und mit Musik. Und den dazu programmierten Animationen. Doch die Musik der Demoszene klingt anders: 8-Bit-Sounds.
Artworks für das Speichermedium Floppy Disk
"Die Demoszene ist in den 1980er Jahren entstanden, in der Zeit als es noch Commodore 64 gab. Und da gab es Leute, die haben Spiele vom Kopierschutz befreit." Die Cracker, ein Subgenre der Hackerszene. "Und um zu zeigen, wer das gemacht hat, haben die auch noch ein Intro davor gesetzt. Irgendwann hat man das Spiel weggelassen, und hat nur noch solche Sachen gemacht. Das war die Geburtsstunde der Demoszene."
Stefan Pautze hat nun für den Kunstverein in Pfaffenhofen an der Ilm das Festival "Digital Territory" kuratiert: Workshops, Live-Performances, Vorträge, Kurzfilme und eine Ausstellung mit Disketten-Covern der Demoszene aus den letzten vier Jahrzehnten. "Die Cracker-Gruppen, oder die Demo-Gruppen, haben natürlich auch immer jemanden gehabt, der dafür gesorgt hat, dass es zum Austausch kam. Das ging halt per Post. Das heißt: Das war dann ein 'Swapper', der um die 100 Leute oder mehr angeschrieben hat."
Teufel, Trolle und Tentakel-Wesen
400 Relikte aus der Demoszene hingen ein Wochenende in der Kunsthalle in Pfaffenhofen: Handflächengroße Artworks für das aus der Zeit gekommene Speichermedium Floppy Disk — diese kleinen, lapprigen Magnetscheiben aus längst vergessenen Computertagen. Kopiert sind die Grafiken ganz trashig auf giftgrüne DIN-A4-Blätter. "Es wurde verschickt, kopiert, weiter verschickt, kopiert, weiter verschickt. Diese Cover sind alle in der Regel in einem sehr strengen Schwarz-Weiß. Und wenn man Graustufen brauchte, dann hat man das halt mit einem Fineliner gepunktet."
Rollenspiel- und Fantasy-Motive: Teufel, Trolle und Tentakel-Wesen. Schriftzüge im Graffiti-Style. Comic-Szenen aus Porno-Splatter-Kiffer-Motiven. Eine Ästhetik, die ganz klar von Musik-Genres beeinflusst ist: Von nachtschwarzem Doom Metal bis farbenfrohen Oldschool-Hip-Hop. Irgendwann hat sich das Demo-Cover als eigene Kunstform in der Szene emanzipiert: Zu vielen gibt es gar kein programmiertes Demo, und zu manchem Demo kein Cover.
Pixel-kleiner Einblick in eine nerdige Subkultur
"Mein Name ist Thomas Mann. Ich bin auch in der Demoszene. Da habe ich einen Nickname, in der Demoszene habe alle Leute immer Nicknames, meiner heißt ´Pixtur`."
Die Arbeiten von "Pixtur" sind die High-End-Variante von Computer-Demos: In Echtzeit, also nur mit der internen Rechenleistung des Computers, produzierte Visuals zu elektronischer Musik. Farben, Perspektiven, Dimensionen: Geometrische Figuren verschwimmen durch das Jonglieren mit Algorithmen, das Eintauchen in den Computercode. "Irgendwann gibt es den fließenden Übergang zwischen Programmieren und Gestalten. Das kann man schwer beschreiben. Ich glaube, man muss es auch mal gemacht haben."
Das Festival "Digital Territory" war ein pixel-kleiner Einblick in eine nerdige Subkultur aus den Anfängen der digitalen Kultur: Ein Echo aus Bits und Bytes wie aus Anarchie und Spieltrieb eine viel zu wenig beachtete Kunstform entstand.
Thomas Mann: "Es ist halt so in der Demoszene: Man kann machen, was man will. Man kann sein Steckenpferd suchen und es reiten."