Nach Jahren des Schweigens kommt die Akte des Gefangenen X ans Licht, lautet eine Schlagzeile im israelischen Fernsehen. Wer ist der Gefangene? Ein australischer Staatsbürger. Inhaftiert unter falscher Identität. War er Agent des Mossad? Er soll sich im Dezember 2010 in einer hoch gesicherten israelischen Gefängniszelle das Leben genommen haben. Und wer hat jahrelang darüber geschwiegen? Die Justiz, die Regierung und die israelischen Journalisten.
Die Affäre ist zu einer Debatte über israelische Zensur, Nachrichtensperren und Sicherheitsinteressen geworden. Denn es war das australische Fernsehen, das gut zwei Jahre nach dem Tod des Häftlings in Israel über Details in dem undurchsichtigen Fall berichtet hat. Israelische Journalisten und Politiker können ausführlich nur unter Bezug auf die Fernsehreportage vom fünften Kontinent auf die Affäre eingehen. Anfrage im Parlament durch den arabischen Abgeordneten Ahmed Tibi:
"Heute wurde veröffentlicht, dass sich ein Häftling mit australischer Staatsbürgerschaft in einem israelischen Gefängnis das Leben nahm. Er wurde mit einer anderen Identität registriert, die nicht seiner wahren entsprach. Herr Justizminister, ist Ihnen dieser Fall bekannt? Können Sie die Tatsache bestätigen?"
Er sei nicht zuständig, antwortet Justizminister Neemann, aber der Fall müsse untersucht werden. Da hatte er sich offenbar nicht mit Regierungschef Netanjahu abgesprochen. Dessen Büro berief den sogenannten Redakteursausschuss. Die Teilnehmer der Sitzung, Chefredakteure und Publizisten sollten überzeugt werden, nicht über die Enthüllungen zu berichten. Der ehemalige Chefredakteur Hanoch Marmari hält das Vorgehen für überholt:
"Das wurde schnell zu einer Farce, denn das kann man nicht mehr blockieren. Wir haben beispielsweise ein Bild hochgeladen, daraufhin wurden wir gebeten, es herunterzunehmen und wir haben das getan. Aber innerhalb weniger Minuten posteten Leute auf unserer Facebook-Seite bereits wieder alle möglichen Links dazu."
Die Nachrichtensperre im Fall des Australiers ist zumindest teilweise aufgehoben worden. Die israelische Regierung hat den Tod des Häftlings bestätigt. Aber die Debatte über den Konflikt zwischen öffentlichem Interesse, demokratischer Kontrolle und israelischen Sicherheitsbedürfnissen hat gerade erst begonnen.
Es ist in Israel ein gesellschaftlicher Konsens, dass nicht über alles gesprochen werden darf. Ein gutes Beispiel ist die bewusste Zweideutigkeit im Fall des israelischen Atomprogramms. Die Sunday Times berichtet 1986 über Israel als Atommacht. Der Informant Modechai Vanunu wurde dafür nach Israel verschleppt und verbrachte 18 Jahre im Gefängnis – elf davon in Isolationshaft.
Das ist die Stimmung, in der Ex-Außenminister Liebermann oder die Abgeordnete Miri Regev Parlamentskollegen vorwerfen, sie würden sich mit dem Feind verbünden. Nur, weil die Parlamentarier Aufklärung im Fall des verstorbenen Australiers verlangt hatten.
"Bis heute hatte noch kein Abgeordneter ein Veröffentlichungsverbot oder eine Zensuranweisung missachtet. Ein Abgeordneter steht nicht über dem Gesetz. Es gibt Themen, deren Veröffentlichung ist ein Sicherheitsproblem. Knessetabgeordnete müssen daher verantwortungsvoll handeln. Es wundert mich nicht, dass die Abgeordneten, die reden, ausgerechnet aus der linken Ecke stammen."
Und war nun der Gefangene X? Sein Name ist offenbar Ben Zygier. Geboren in Melbourne, bei Eintritt des Todes 34 Jahre alt. Zygier hat möglicherweise für den israelischen Geheimdienst Mossad gearbeitet. Er könnte über eine Scheinfirma für Elektronikteile mit Iran gehandelt haben. Andere Spekulationen legen nahe, dass er über die Ermordung des Hamaswaffenhändlers Mahmoud Al-Mabhouh in Dubai informiert war.
Es entsteht das Bild eines Agenten, der nicht zu viel wusste, aber zu viel redete. Das entlastet aber niemanden: Warum war Zygier unter falschem Namen inhaftiert? Warum sollte die Öffentlichkeit nicht einmal von dessen Existenz erfahren? Warum saß er Monate lang in Einzelhaft in einer Hochsicherheitszelle? Der Anwalt Avigdor Feldmann sagt jetzt, er habe Zygier Tage vor dessen Tod besucht:
"Rückblickend bin ich noch immer über zwei Dinge erstaunt: Zum einen überrascht mich der große Unterschied zwischen dem gefassten Mann, den ich sah, und dem Tod wenige Tage später. Zum anderen verstehe ich nicht, dass es ihm in dieser bestimmten Zelle, die rund um die Uhr überwacht wird, gelang, sich das Leben zu nehmen."
Es heißt, der israelische Staat wolle die Familie mit Millionen entschädigen. Auch das sind wieder Spekulationen, die Israels Regierung nur ausräumen kann, in dem sie informiert. Ein Kommentator hatte in dieser Woche tatsächlich verlangt, auch der Auslandsgeheimdienst Mossad brauche einen Sprecher, also Öffentlichkeitsarbeit. Soweit wird es aber auch nach dem Fall des Gefangenen X nicht kommen.
Die Affäre ist zu einer Debatte über israelische Zensur, Nachrichtensperren und Sicherheitsinteressen geworden. Denn es war das australische Fernsehen, das gut zwei Jahre nach dem Tod des Häftlings in Israel über Details in dem undurchsichtigen Fall berichtet hat. Israelische Journalisten und Politiker können ausführlich nur unter Bezug auf die Fernsehreportage vom fünften Kontinent auf die Affäre eingehen. Anfrage im Parlament durch den arabischen Abgeordneten Ahmed Tibi:
"Heute wurde veröffentlicht, dass sich ein Häftling mit australischer Staatsbürgerschaft in einem israelischen Gefängnis das Leben nahm. Er wurde mit einer anderen Identität registriert, die nicht seiner wahren entsprach. Herr Justizminister, ist Ihnen dieser Fall bekannt? Können Sie die Tatsache bestätigen?"
Er sei nicht zuständig, antwortet Justizminister Neemann, aber der Fall müsse untersucht werden. Da hatte er sich offenbar nicht mit Regierungschef Netanjahu abgesprochen. Dessen Büro berief den sogenannten Redakteursausschuss. Die Teilnehmer der Sitzung, Chefredakteure und Publizisten sollten überzeugt werden, nicht über die Enthüllungen zu berichten. Der ehemalige Chefredakteur Hanoch Marmari hält das Vorgehen für überholt:
"Das wurde schnell zu einer Farce, denn das kann man nicht mehr blockieren. Wir haben beispielsweise ein Bild hochgeladen, daraufhin wurden wir gebeten, es herunterzunehmen und wir haben das getan. Aber innerhalb weniger Minuten posteten Leute auf unserer Facebook-Seite bereits wieder alle möglichen Links dazu."
Die Nachrichtensperre im Fall des Australiers ist zumindest teilweise aufgehoben worden. Die israelische Regierung hat den Tod des Häftlings bestätigt. Aber die Debatte über den Konflikt zwischen öffentlichem Interesse, demokratischer Kontrolle und israelischen Sicherheitsbedürfnissen hat gerade erst begonnen.
Es ist in Israel ein gesellschaftlicher Konsens, dass nicht über alles gesprochen werden darf. Ein gutes Beispiel ist die bewusste Zweideutigkeit im Fall des israelischen Atomprogramms. Die Sunday Times berichtet 1986 über Israel als Atommacht. Der Informant Modechai Vanunu wurde dafür nach Israel verschleppt und verbrachte 18 Jahre im Gefängnis – elf davon in Isolationshaft.
Das ist die Stimmung, in der Ex-Außenminister Liebermann oder die Abgeordnete Miri Regev Parlamentskollegen vorwerfen, sie würden sich mit dem Feind verbünden. Nur, weil die Parlamentarier Aufklärung im Fall des verstorbenen Australiers verlangt hatten.
"Bis heute hatte noch kein Abgeordneter ein Veröffentlichungsverbot oder eine Zensuranweisung missachtet. Ein Abgeordneter steht nicht über dem Gesetz. Es gibt Themen, deren Veröffentlichung ist ein Sicherheitsproblem. Knessetabgeordnete müssen daher verantwortungsvoll handeln. Es wundert mich nicht, dass die Abgeordneten, die reden, ausgerechnet aus der linken Ecke stammen."
Und war nun der Gefangene X? Sein Name ist offenbar Ben Zygier. Geboren in Melbourne, bei Eintritt des Todes 34 Jahre alt. Zygier hat möglicherweise für den israelischen Geheimdienst Mossad gearbeitet. Er könnte über eine Scheinfirma für Elektronikteile mit Iran gehandelt haben. Andere Spekulationen legen nahe, dass er über die Ermordung des Hamaswaffenhändlers Mahmoud Al-Mabhouh in Dubai informiert war.
Es entsteht das Bild eines Agenten, der nicht zu viel wusste, aber zu viel redete. Das entlastet aber niemanden: Warum war Zygier unter falschem Namen inhaftiert? Warum sollte die Öffentlichkeit nicht einmal von dessen Existenz erfahren? Warum saß er Monate lang in Einzelhaft in einer Hochsicherheitszelle? Der Anwalt Avigdor Feldmann sagt jetzt, er habe Zygier Tage vor dessen Tod besucht:
"Rückblickend bin ich noch immer über zwei Dinge erstaunt: Zum einen überrascht mich der große Unterschied zwischen dem gefassten Mann, den ich sah, und dem Tod wenige Tage später. Zum anderen verstehe ich nicht, dass es ihm in dieser bestimmten Zelle, die rund um die Uhr überwacht wird, gelang, sich das Leben zu nehmen."
Es heißt, der israelische Staat wolle die Familie mit Millionen entschädigen. Auch das sind wieder Spekulationen, die Israels Regierung nur ausräumen kann, in dem sie informiert. Ein Kommentator hatte in dieser Woche tatsächlich verlangt, auch der Auslandsgeheimdienst Mossad brauche einen Sprecher, also Öffentlichkeitsarbeit. Soweit wird es aber auch nach dem Fall des Gefangenen X nicht kommen.