So widmet man sich in Meiningen den sprachspielerisch brillanten, aber inhaltlich zugleich autistischen, weil die Realität nicht wahrnehmenden Komödien von Peter Hacks, die er kurz vor seinem Tod Anfang der 90er-Jahre geschrieben hat. Zuletzt brachte man "Der Maler des Königs" zur Uraufführung, in dem mit der Figur des Malers Boucher nicht nur in die Zeit von Ludwig dem XV. zurückgeschaut wird, wenn über das Verhältnis zwischen Künstler, Gesellschaft und Macht räsoniert wird.
Ganz aktuell dagegen sind die "Kluck-Labore" am Deutschen Nationaltheater Weimar: in vier über die Spielzeit verteilten Abenden greift der Autor Oliver Kluck aktuelle Themen und Ereignisse auf, und das Theater inszeniert die Texte in kürzester Probenzeit als "einen paraphrasierend spielerischen Rundgang durch unsere sogenannte Solidargemeinschaft". Der erste Abend untersuchte die neurotischen Bedingungen im Kulturbetrieb Theater und zeigte zugleich die verwirrten Lebensgefühle der Schauspieler im Alltag. Der zweite Abend schaute weiter aus dem Theater hinaus und brachte Figuren deutscher Geschichte auf die kleine Bühne, von Nachkriegs- bis Wendezeit.
Von kritischem Gegenwartstheater in Ostdeutschland wird der Zuschauer nicht mit agitatorischen Eindeutigkeiten oder umfänglichen Argumentationen beschwert, sondern mit spielerischen und komischen Erforschungen des Alltags unterhalten. Der Platz für dieses Theater ist in der Regel die kleine Bühne. So tobt in Chemnitz Michael Frayns "Der nackte Wahnsinn" über die Bühne des Großen Hauses, während Johanna Kapteins "Lohnarbeit und Liebesleid und Die Fortsetzung oder Die Friseuse, die Finanzkrise und andere Fälle" in der Studiobühne uraufgeführt wird:
"Ich hab mir meine Arbeit nicht ausgesucht. Ich hab´s nicht so mit Menschen. Ich hab mir meine Arbeit ausgesucht, nachdem ich mir meine Arbeit nicht mehr aussuchen konnte. Soziophob ist der Fachbegriff dafür. Soziophob bin ich. Ich hab aber eine Freundin. Die sehe ich auch manchmal. ( ... ) Er sieht eben sehr gut aus. Groß, schlank, dunkelhaarig. Genau mein Typ."
Wie alle Figuren in Johanna Kapteins Stück kommt der Mann von der Post nicht mit anderen Menschen klar. Angetrieben von kommentierenden, erklärenden, sich einmischenden Spielfiguren, vorbereitet von herrlich schrägen Filmsequenzen mit Schauspielern, die sich durch ein abgerissenes, von Graffitis und Lehrstand bestimmtes Chemnitz bewegen, bevor sie auf der Bühne in kurzen Dramoletten auftreten, zeigen oder besser bereden eine Sachbearbeiterin im Callcenter, eine Floristin, ein Postarbeiter, ein zielloser Reicher, eine Friseuse und eine Verkäuferin ihre nicht funktionierenden beruflichen Situationen und ihre unglücklichen Liebesbeziehungen.
Wie hier an Liebesleid und Lohnarbeit verzweifelt wird, ist schauspielerisch und inszenatorisch so einfallsreich wie harmlos unterhaltend gemacht. Niemandem auf und vor der Bühne tun die skurrilen Zustandsbehauptungen von hilflos geheimnislosen Menschen weh, auch wenn sie alle sterben müssen, - immerhin aber werden in der Komik des Spiels manch gesellschaftliche Verhältnisse deutlich.
An der neuen Bühne Senftenberg ist dann beim Schwank "Das Geld liegt auf der Bank" noch mehr schmunzelige Harmlosigkeit angesagt. Der erfolgreiche Komödienautor Curt Flatow entwickelt die Komik seines Stücks aus dem Jahr 1968 nicht aus direkter Gesellschafts- oder gar Bankenkritik, sondern indem er bürgerliches Berufsethos und Ordnungssinn einem Bankräuber zuweist. Gustav Kühne kritisiert Banken nicht, sondern er raubt sie einfach aus. Im Alltag Kunstschlosser, in der nächtlichen Wirklichkeit Bankräuber, lässt er seine Beute gleich in der Bank, im eigenen Bankfach. Der "kühne Gustav" stellt nichts in Frage, nicht die Gesellschaft, nicht das Bankwesen, sondern er empfindet seine illegale Arbeit als legale Berufung:
"Die Bank war mir schon von Anfang an sympathisch. Weißt du, so ein Einbruch ist auch eine Vertrauenssache. Das ist alles blitzsauber dort. Wenn du den Tresorraum betrittst: kein Stäubchen auf den Regalen, alles liegt, wo es hingehört, gebündelt und gestapelt. Da macht das Zugreifen richtig Spaß."
In Senftenberg aktualisiert oder verschärft Regisseurin Esther Undisz den alten Schwank nicht, sondern lässt aus seinem komödiantischen Verdrehungspotenzial die Funken sprühen.
Wenn hier zwei Personen über bürgerliche Eigenschaften sprechen, loben sie nur scheinbar dasselbe. Das ergibt viel Situationskomik und prächtige Rollen. Und wenn am Schluss der Bankräuber eine Bank vor Bankräubern bewahrt, schlägt die Geschichte ironisch Kobolz.
Sicher, "Das Geld liegt auf der Bank" ist weder aufmüpfig noch kommt es wirklich gesellschaftskritisch daher, es stichelt aber immerhin ein bisschen. Und auch wenn es statt Charakteren nur Typenklischees besitzt, so steckt in diesen, zumal in der Darstellung eines animierten Ensembles, doch auch gesellschaftliche Wahrheit. Es holt sein Publikum in dessen Wirklichkeit ab, ohne diese grundsätzlich zu erschüttern. Immerhin aber bringt es sie zum Reden, wie in der Pause zu hören. Gut, wirklich politisches, absichtsvolles Theater ist das nicht.
Doch in Zeiten, wo es dem Theater in einer Kleinstadt auch deshalb ums Publikum geht, weil die Politiker volle Auslastung verlangen, ist eine solche Stückwahl vielleicht noch ein geringes Übel in einem Spielplan, in dem auch mit den Klassikern die Gegenwart befragt wird. Zumal ich zugeben muss: Ich habe viel gelacht.
Ganz aktuell dagegen sind die "Kluck-Labore" am Deutschen Nationaltheater Weimar: in vier über die Spielzeit verteilten Abenden greift der Autor Oliver Kluck aktuelle Themen und Ereignisse auf, und das Theater inszeniert die Texte in kürzester Probenzeit als "einen paraphrasierend spielerischen Rundgang durch unsere sogenannte Solidargemeinschaft". Der erste Abend untersuchte die neurotischen Bedingungen im Kulturbetrieb Theater und zeigte zugleich die verwirrten Lebensgefühle der Schauspieler im Alltag. Der zweite Abend schaute weiter aus dem Theater hinaus und brachte Figuren deutscher Geschichte auf die kleine Bühne, von Nachkriegs- bis Wendezeit.
Von kritischem Gegenwartstheater in Ostdeutschland wird der Zuschauer nicht mit agitatorischen Eindeutigkeiten oder umfänglichen Argumentationen beschwert, sondern mit spielerischen und komischen Erforschungen des Alltags unterhalten. Der Platz für dieses Theater ist in der Regel die kleine Bühne. So tobt in Chemnitz Michael Frayns "Der nackte Wahnsinn" über die Bühne des Großen Hauses, während Johanna Kapteins "Lohnarbeit und Liebesleid und Die Fortsetzung oder Die Friseuse, die Finanzkrise und andere Fälle" in der Studiobühne uraufgeführt wird:
"Ich hab mir meine Arbeit nicht ausgesucht. Ich hab´s nicht so mit Menschen. Ich hab mir meine Arbeit ausgesucht, nachdem ich mir meine Arbeit nicht mehr aussuchen konnte. Soziophob ist der Fachbegriff dafür. Soziophob bin ich. Ich hab aber eine Freundin. Die sehe ich auch manchmal. ( ... ) Er sieht eben sehr gut aus. Groß, schlank, dunkelhaarig. Genau mein Typ."
Wie alle Figuren in Johanna Kapteins Stück kommt der Mann von der Post nicht mit anderen Menschen klar. Angetrieben von kommentierenden, erklärenden, sich einmischenden Spielfiguren, vorbereitet von herrlich schrägen Filmsequenzen mit Schauspielern, die sich durch ein abgerissenes, von Graffitis und Lehrstand bestimmtes Chemnitz bewegen, bevor sie auf der Bühne in kurzen Dramoletten auftreten, zeigen oder besser bereden eine Sachbearbeiterin im Callcenter, eine Floristin, ein Postarbeiter, ein zielloser Reicher, eine Friseuse und eine Verkäuferin ihre nicht funktionierenden beruflichen Situationen und ihre unglücklichen Liebesbeziehungen.
Wie hier an Liebesleid und Lohnarbeit verzweifelt wird, ist schauspielerisch und inszenatorisch so einfallsreich wie harmlos unterhaltend gemacht. Niemandem auf und vor der Bühne tun die skurrilen Zustandsbehauptungen von hilflos geheimnislosen Menschen weh, auch wenn sie alle sterben müssen, - immerhin aber werden in der Komik des Spiels manch gesellschaftliche Verhältnisse deutlich.
An der neuen Bühne Senftenberg ist dann beim Schwank "Das Geld liegt auf der Bank" noch mehr schmunzelige Harmlosigkeit angesagt. Der erfolgreiche Komödienautor Curt Flatow entwickelt die Komik seines Stücks aus dem Jahr 1968 nicht aus direkter Gesellschafts- oder gar Bankenkritik, sondern indem er bürgerliches Berufsethos und Ordnungssinn einem Bankräuber zuweist. Gustav Kühne kritisiert Banken nicht, sondern er raubt sie einfach aus. Im Alltag Kunstschlosser, in der nächtlichen Wirklichkeit Bankräuber, lässt er seine Beute gleich in der Bank, im eigenen Bankfach. Der "kühne Gustav" stellt nichts in Frage, nicht die Gesellschaft, nicht das Bankwesen, sondern er empfindet seine illegale Arbeit als legale Berufung:
"Die Bank war mir schon von Anfang an sympathisch. Weißt du, so ein Einbruch ist auch eine Vertrauenssache. Das ist alles blitzsauber dort. Wenn du den Tresorraum betrittst: kein Stäubchen auf den Regalen, alles liegt, wo es hingehört, gebündelt und gestapelt. Da macht das Zugreifen richtig Spaß."
In Senftenberg aktualisiert oder verschärft Regisseurin Esther Undisz den alten Schwank nicht, sondern lässt aus seinem komödiantischen Verdrehungspotenzial die Funken sprühen.
Wenn hier zwei Personen über bürgerliche Eigenschaften sprechen, loben sie nur scheinbar dasselbe. Das ergibt viel Situationskomik und prächtige Rollen. Und wenn am Schluss der Bankräuber eine Bank vor Bankräubern bewahrt, schlägt die Geschichte ironisch Kobolz.
Sicher, "Das Geld liegt auf der Bank" ist weder aufmüpfig noch kommt es wirklich gesellschaftskritisch daher, es stichelt aber immerhin ein bisschen. Und auch wenn es statt Charakteren nur Typenklischees besitzt, so steckt in diesen, zumal in der Darstellung eines animierten Ensembles, doch auch gesellschaftliche Wahrheit. Es holt sein Publikum in dessen Wirklichkeit ab, ohne diese grundsätzlich zu erschüttern. Immerhin aber bringt es sie zum Reden, wie in der Pause zu hören. Gut, wirklich politisches, absichtsvolles Theater ist das nicht.
Doch in Zeiten, wo es dem Theater in einer Kleinstadt auch deshalb ums Publikum geht, weil die Politiker volle Auslastung verlangen, ist eine solche Stückwahl vielleicht noch ein geringes Übel in einem Spielplan, in dem auch mit den Klassikern die Gegenwart befragt wird. Zumal ich zugeben muss: Ich habe viel gelacht.