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Das Gen im Zeitalter der Postgenomik

Gene sind biologische Einheiten der Vererbung. Sie sollen für Krankheiten wie Krebs, Alzheimer oder Schizophrenie verantwortlich sein, aber auch für Haarausfall oder Allergien. Sogar Gene für Aggression, Risikobereitschaft oder Homosexualität wurden schon vermeldet. Dabei ist nicht klar, was ein Gen überhaupt ist. Seit 100 Jahren unterliegt seine Bedeutung einem ständigen Wandel.

Von Michael Lange |
    Als der Kopenhagener Botanikprofessor Wilhelm Johannsen den Begriff "Gen" im Jahr 1909 erstmals verwendete, war noch völlig unbekannt, ob und wie die Gene in biologischen Zellen gespeichert werden. Erst mit der Entdeckung der Doppelhelix-Struktur 1953 wurde klar, wie die Erbinformationen als Code aus vier Buchstaben in langen DNA-Ketten niedergeschrieben ist. Seit den 60er-Jahren bezeichnen Molekularbiologen einen Abschnitt auf dem Erbmolekül DNA als Gen, wenn auf ihm die Information für ein Protein codiert wird. Doch diese Definition ist inzwischen überholt. Durch zahlreiche Wechselwirkungen sowohl im Erbgut und zwischen Erbmolekülen und Proteinen, gilt bei immer mehr Molekularbiologen der Begriff "Gen" nicht mehr als zeitgemäß.

    Die Wissenschaftshistoriker Staffan Müller-Wille und Hans-Jörg Rheinberger haben viele Fakten aus den letzten 100 Jahren Genetik zusammengetragen, die den meisten Biologen unbekannt sein dürften. Auch wenn die Lektüre nicht unbedingt leicht ist, ist sie vor allem Studenten und Wissenschaftlern, die das Leben erforschen wollen, zu empfehlen.


    Staffan Müller-Wille und Hans-Jörg Rheinberger: Das Gen im Zeitalter der Postgenomik. Eine wissenschaftshistorische Bestandsaufnahme
    ISBN: 978-3-518-26025-8
    Suhrkamp-Verlag, 155 Seiten, 10 Euro