Bettina Klein: Wir haben in den vergangenen Tagen immer wieder darüber berichtet, das Bundesinnenministerium soll die weißrussische Polizei unterstützt haben. Bundespolizei und Bundeskriminalamt haben demnach in den Jahren 2008 bis 2011 nicht nur Polizisten ausgebildet; sie rüsteten die Miliz des autoritär regierten Landes auch mit Kameras, Computern und Fahrzeugen aus. Bundesinnenminister Friedrich nahm gestern früh hier im Deutschlandfunk dazu Stellung:
O-Ton Hans-Peter Friedrich: "Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir mit unseren rechtsstaatlichen Methoden, mit unserem rechtsstaatlichen Vorgehen unserer Polizeibehörden auch in der Welt Länderpolizeien oder Staatspolizeien schulen, insbesondere was die Grenzkontrollen angeht, was den Kampf gegen Schleuserkriminalität angeht. Aber man darf natürlich nicht beitragen, dass ein Unterdrückungsapparat gestärkt wird, und deswegen muss man da auch die Mitarbeit oder die Zusammenarbeit einstellen, wenn sich so etwas andeutet."
Klein: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). – Werner Schulz ist Mitglied im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten des Europaparlamentes, und meine Kollegin Christiane Kaess hatte gestern Abend Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, und sie hat ihn zunächst gefragt, ob er es für grundsätzlich richtig hält, die weißrussische Polizei auszurüsten und zu schulen.
Werner Schulz: Nein, in keinem Falle, weil hier geht es darum, dass man eine Diktatur unterstützt hat und die Repressionskräfte einer Diktatur. Ich meine, das, was Innenminister Friedrich sagt, gilt für Rechtsstaaten, da kann man solche Unterstützung geben und solche Schulung. Aber hier wurde ein Unterdrückungsapparat unterstützt und ausgebildet. Ich meine, was hatten denn die Offiziere der weißrussischen Miliz beim Großeinsatz der Polizei in Gorleben zu suchen? Dort haben sie offensichtlich gelernt, wie man eine außerordentliche polizeiliche Lage bewältigt. Also das war ein Großeinsatz, ich glaube einer der größten Einsätze der deutschen Polizei überhaupt.
Christiane Kaess: Aber, Herr Schulz, dahinter steht ja der Gedanke, dass Systeme im Umbruch von Rechtsstaaten wie Deutschland lernen sollen. Warum, denken Sie, war das im Falle von Weißrussland unangebracht?
Schulz: …, weil Belarus kein Staat im Umbruch war, in keinster Weise. Da haben sich einige unglaublich was vorgemacht. Es gab Anzeichen, dass sich Lukaschenko eventuell bewegen könnte. Da wäre Amtshilfe im Sinne für den Rechtsstaat, also Justiz und Verwaltung, nötig gewesen. Das hätte man durchaus machen können. Aber noch nicht für die Polizei, nicht für diesen Unterdrückungsapparat, der wenige Wochen nach Gorleben die Protestdemonstration zur Wahlfälschung zusammengeschlagen und niedergeknüppelt hat. Also das war völlig fehl am Platz und es ist ja auch nicht öffentlich gemacht worden, was da gelaufen ist, was Deutschland getan hat. Ich glaube, es war ein Anlass für die Absetzung des Präsidenten der Bundespolizei, Matthias Seeger. Da gab es eine kurze Andeutung, dass diese Kooperation mit Weißrussland auch den Unmut des Innenministers hervorgerufen hat.
Kaess: Welche Information haben Sie da genau?
Schulz: Das wurde kurz angedeutet. Es wurde ja nicht genau begründet von Friedrich, warum Seeger zurücktreten musste.[…] Es gab eben nur den Hinweis, dass unter anderem die Kooperation mit Weißrussland in das Missfallen des Innenministers gefallen ist. Wie tief, und wie sehr der Ärger war und wie weit man das aufgeklärt hat, das alles weiß ich nicht. Ich glaube, hier ist ohnehin sehr, sehr viel aufzuklären. Das ist nicht nur ein Skandal, das ist einfach ungeheuerlich. Ich finde, das gesamte Innenministerium gleicht momentan einem Saustall! Ich meine, es läuft hier ein Untersuchungsausschuss zu diesem NSU-Prozess, der Verfassungsschutz ist in einem jämmerlichen Zustand, das Bundeskriminalamt ist in einer Umformung und die Bundespolizei, da ist die Spitze verändert worden, also ich finde das ungeheuerlich, was hier läuft.
Kaess: Bleiben wir noch mal bei dem Fall Weißrussland. Es hieß aus dem Innenministerium, es seien Kameras, Computer und Fahrzeuge an die weißrussische Polizei geliefert worden, aber keine Ausrüstung wie Schlagstöcke oder Schilde. Man könne aber nicht für die Länderpolizeien sprechen. Haben Sie andere Informationen?
Schulz: Nein. Man hat das im Grunde genommen nicht generell verneint, dass solches Material geliefert worden ist. Das wäre noch zu klären. Das, was man geliefert hat, reicht ja aus. Das sind Steuerungsinstrumente. Jeder weiß, dass moderne Polizeieinsätze über solche Computer mitgesteuert werden, dass die erkennungsdienstlichen Instrumente wie Kameras und so weiter benutzt werden, um dann später Gegner zu inhaftieren. Das ist ja reihenweise passiert, dass man Leute, die bei der Demonstration beteiligt waren, ausfindig gemacht hat im Nachhinein. Ich finde, die Bundesregierung hat sich hier unglaublich in die Nesseln gesetzt, und wir haben Beihilfe für ein diktatorisches Regime geleistet.
Kaess: Der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl sagt im "Tagesspiegel", ihn wundere, dass das Auswärtige Amt in dieser Angelegenheit so auf Tauchstation gehe. Schließlich sei es ein auf EU-Ebene abgestimmtes Vorgehen gewesen, das auch vom Auswärtigen Amt und vom Kanzleramt so gewünscht gewesen sei. Herr Schulz, wenn es auf EU-Ebene abgestimmt war, was wussten Sie im Europaparlament darüber?
Schulz: Auf EU-Ebene war auf keinen Fall die Unterstützung der Miliz – so heißt ja die Polizei in Weißrussland – abgestimmt, sondern lediglich eine doch verbesserte Grenzkontrolle. Hier ging es um Schleuserkriminalität, um illegale Übertritte, um biometrische Erfassung. So etwas sollte gewährleistet werden, dabei sollte Weißrussland unterstützt werden. Das ist es. Aber darüber hinaus hat ja Deutschland wesentlich mehr getan und mehr geliefert, und das ist das, was jetzt aufgeklärt werden muss.
Kaess: Was meinen Sie genau mit "mehr geliefert"?
Schulz: Na ja, ich meine, wir haben Polizeikräfte ausgebildet, wir haben Polizeikräfte geschult, um besondere politische und brenzlige Lagen zu bewältigen. Und schauen Sie, keine Politiker haben sich gerade in Richtung Weißrussland derartig hervorgetan wie der Außenminister Westerwelle oder der Kanzleramtsminister Pofalla. Die waren beide dort in Belarus. Die haben sich nichts vorgemacht über dieses System, die haben mit Lukaschenko gesprochen, sie konnten sich auch bei der Opposition davon überzeugen, was das für ein System und was das für ein Regime ist. Und dass das dann passiert, dass die eine Hand nicht weiß, was die andere tut, ist doch ungeheuerlich!
Klein: Der Europapolitiker Werner Schulz im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Die Fragen stellte meine Kollegin Christiane Kaess.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
O-Ton Hans-Peter Friedrich: "Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir mit unseren rechtsstaatlichen Methoden, mit unserem rechtsstaatlichen Vorgehen unserer Polizeibehörden auch in der Welt Länderpolizeien oder Staatspolizeien schulen, insbesondere was die Grenzkontrollen angeht, was den Kampf gegen Schleuserkriminalität angeht. Aber man darf natürlich nicht beitragen, dass ein Unterdrückungsapparat gestärkt wird, und deswegen muss man da auch die Mitarbeit oder die Zusammenarbeit einstellen, wenn sich so etwas andeutet."
Klein: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). – Werner Schulz ist Mitglied im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten des Europaparlamentes, und meine Kollegin Christiane Kaess hatte gestern Abend Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, und sie hat ihn zunächst gefragt, ob er es für grundsätzlich richtig hält, die weißrussische Polizei auszurüsten und zu schulen.
Werner Schulz: Nein, in keinem Falle, weil hier geht es darum, dass man eine Diktatur unterstützt hat und die Repressionskräfte einer Diktatur. Ich meine, das, was Innenminister Friedrich sagt, gilt für Rechtsstaaten, da kann man solche Unterstützung geben und solche Schulung. Aber hier wurde ein Unterdrückungsapparat unterstützt und ausgebildet. Ich meine, was hatten denn die Offiziere der weißrussischen Miliz beim Großeinsatz der Polizei in Gorleben zu suchen? Dort haben sie offensichtlich gelernt, wie man eine außerordentliche polizeiliche Lage bewältigt. Also das war ein Großeinsatz, ich glaube einer der größten Einsätze der deutschen Polizei überhaupt.
Christiane Kaess: Aber, Herr Schulz, dahinter steht ja der Gedanke, dass Systeme im Umbruch von Rechtsstaaten wie Deutschland lernen sollen. Warum, denken Sie, war das im Falle von Weißrussland unangebracht?
Schulz: …, weil Belarus kein Staat im Umbruch war, in keinster Weise. Da haben sich einige unglaublich was vorgemacht. Es gab Anzeichen, dass sich Lukaschenko eventuell bewegen könnte. Da wäre Amtshilfe im Sinne für den Rechtsstaat, also Justiz und Verwaltung, nötig gewesen. Das hätte man durchaus machen können. Aber noch nicht für die Polizei, nicht für diesen Unterdrückungsapparat, der wenige Wochen nach Gorleben die Protestdemonstration zur Wahlfälschung zusammengeschlagen und niedergeknüppelt hat. Also das war völlig fehl am Platz und es ist ja auch nicht öffentlich gemacht worden, was da gelaufen ist, was Deutschland getan hat. Ich glaube, es war ein Anlass für die Absetzung des Präsidenten der Bundespolizei, Matthias Seeger. Da gab es eine kurze Andeutung, dass diese Kooperation mit Weißrussland auch den Unmut des Innenministers hervorgerufen hat.
Kaess: Welche Information haben Sie da genau?
Schulz: Das wurde kurz angedeutet. Es wurde ja nicht genau begründet von Friedrich, warum Seeger zurücktreten musste.[…] Es gab eben nur den Hinweis, dass unter anderem die Kooperation mit Weißrussland in das Missfallen des Innenministers gefallen ist. Wie tief, und wie sehr der Ärger war und wie weit man das aufgeklärt hat, das alles weiß ich nicht. Ich glaube, hier ist ohnehin sehr, sehr viel aufzuklären. Das ist nicht nur ein Skandal, das ist einfach ungeheuerlich. Ich finde, das gesamte Innenministerium gleicht momentan einem Saustall! Ich meine, es läuft hier ein Untersuchungsausschuss zu diesem NSU-Prozess, der Verfassungsschutz ist in einem jämmerlichen Zustand, das Bundeskriminalamt ist in einer Umformung und die Bundespolizei, da ist die Spitze verändert worden, also ich finde das ungeheuerlich, was hier läuft.
Kaess: Bleiben wir noch mal bei dem Fall Weißrussland. Es hieß aus dem Innenministerium, es seien Kameras, Computer und Fahrzeuge an die weißrussische Polizei geliefert worden, aber keine Ausrüstung wie Schlagstöcke oder Schilde. Man könne aber nicht für die Länderpolizeien sprechen. Haben Sie andere Informationen?
Schulz: Nein. Man hat das im Grunde genommen nicht generell verneint, dass solches Material geliefert worden ist. Das wäre noch zu klären. Das, was man geliefert hat, reicht ja aus. Das sind Steuerungsinstrumente. Jeder weiß, dass moderne Polizeieinsätze über solche Computer mitgesteuert werden, dass die erkennungsdienstlichen Instrumente wie Kameras und so weiter benutzt werden, um dann später Gegner zu inhaftieren. Das ist ja reihenweise passiert, dass man Leute, die bei der Demonstration beteiligt waren, ausfindig gemacht hat im Nachhinein. Ich finde, die Bundesregierung hat sich hier unglaublich in die Nesseln gesetzt, und wir haben Beihilfe für ein diktatorisches Regime geleistet.
Kaess: Der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl sagt im "Tagesspiegel", ihn wundere, dass das Auswärtige Amt in dieser Angelegenheit so auf Tauchstation gehe. Schließlich sei es ein auf EU-Ebene abgestimmtes Vorgehen gewesen, das auch vom Auswärtigen Amt und vom Kanzleramt so gewünscht gewesen sei. Herr Schulz, wenn es auf EU-Ebene abgestimmt war, was wussten Sie im Europaparlament darüber?
Schulz: Auf EU-Ebene war auf keinen Fall die Unterstützung der Miliz – so heißt ja die Polizei in Weißrussland – abgestimmt, sondern lediglich eine doch verbesserte Grenzkontrolle. Hier ging es um Schleuserkriminalität, um illegale Übertritte, um biometrische Erfassung. So etwas sollte gewährleistet werden, dabei sollte Weißrussland unterstützt werden. Das ist es. Aber darüber hinaus hat ja Deutschland wesentlich mehr getan und mehr geliefert, und das ist das, was jetzt aufgeklärt werden muss.
Kaess: Was meinen Sie genau mit "mehr geliefert"?
Schulz: Na ja, ich meine, wir haben Polizeikräfte ausgebildet, wir haben Polizeikräfte geschult, um besondere politische und brenzlige Lagen zu bewältigen. Und schauen Sie, keine Politiker haben sich gerade in Richtung Weißrussland derartig hervorgetan wie der Außenminister Westerwelle oder der Kanzleramtsminister Pofalla. Die waren beide dort in Belarus. Die haben sich nichts vorgemacht über dieses System, die haben mit Lukaschenko gesprochen, sie konnten sich auch bei der Opposition davon überzeugen, was das für ein System und was das für ein Regime ist. Und dass das dann passiert, dass die eine Hand nicht weiß, was die andere tut, ist doch ungeheuerlich!
Klein: Der Europapolitiker Werner Schulz im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Die Fragen stellte meine Kollegin Christiane Kaess.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.