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Das Geschäft mit dem Krieg

Im vergangenen Herbst töten Wachmänner der Firma Blackwater mitten in Bagdad 17 Zivilisten - ohne Not, wie US-Behörden inzwischen einräumen. Der Vorfall ist längst ein Symbol für das rücksichtslose Vorgehen ausländischer Sicherheitsfirmen im Land. Davon gibt es viele, doch keine steht so sehr am Pranger wie Blackwater. "Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt" hat der amerikanische Journalist Jeremy Scahill sein Buch über das Unternehmen genannt. Klaus Jürgen Haller stellt es vor.

Redakteur am Mikrofon: Jasper Barenberg |
    Als Ende März 2004 im irakischen Falludscha ein Konvoi überfallen und vier Amerikaner getötet und ihre geschändeten Leichen an der Brücke über den Euphrat hochgehievt wurden, gingen diese Bilder um die Welt. Wenig später rüsteten Marineinfanteristen zum Angriff auf die Stadt.

    Den Journalisten Jeremy Scahill veranlasste das Geschehen der Frage nachzugehen, wer diese Männer waren, die da so grausam ums Leben gekommen waren. Es waren keine Soldaten, es waren Mitarbeiter einer Privatfirma namens Blackwater, die einen Transport von Küchenmaterial schützen sollten, und dabei waren sie offenbar ahnungslos in einen Hinterhalt geraten.

    Blackwater-USA, inzwischen in Blackwater-Worldwide umbenannt, war damals noch kein Begriff; abgesehen davon, dass diese Firma im Jahr zuvor den persönlichen Schutz Botschafter Bremers, des Chefs der provisorischen amerikanischen Zivilverwaltung im Irak übernommen hatte. Der Auftraggeber - das State Department, das amerikanische Außenministerium - muss mit der Dienstleistung zufrieden gewesen sein, denn im Sommer 2004 wurde Blackwater mit dem Schutz amerikanischer Botschaften in aller Welt beauftragt, darunter der größten, der in Bagdad.

    Zunehmende Irritation verursachten Berichte über das rücksichtslose Auftreten und - schlimmer noch - über den rücksichtslosen Schusswaffengebrauch von Blackwater-Leuten. Am 16. September vergangenen Jahres erschoss die Eskorte von Fahrzeugen des State Departments mitten in Bagdad 17 Zivilisten. Die irakische Regierung sprach von Mord, das FBI fand keine Anhaltspunkte für die Behauptung, dass der Konvoi zuvor beschossen worden sei. Am 2. Oktober wurde Eric Prince, der Eigentümer von Blackwater, vor einen Ausschuss des Repräsentantenhauses geladen, in dem die Demokraten, nunmehr in der Mehrheit, mit der vernachlässigten Kontrolle der Exekutive wieder ernst machen wollen.

    Dies ist der Hintergrund der Blackwater-Diskussion, zu der der jetzt in deutscher Übersetzung vorliegende Band - "Blackwater, der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt" von Jeremy Scahill, einen beachtlichen Beitrag geleistet hat. Es stand auf der Bestseller-Liste der New York Times und machte Furore vor allem im linken Spektrum der politischen Internetaktivitäten; der Autor wurde auch sonst zitiert und interviewt, aber die großen Zeitungen haben, soweit ich sehe, sein Buch nicht besprochen. Was merkwürdig ist; da es, wie gesagt, seine Leser fand.

    "Blackwater" von Jeremy Scahill ist die Geschichte des Eric Prince, der in einem begüterten streng calvinistischen Elternhaus aufwuchs und nach dem College bei den Navy Seals landete, der Kommandoeinheit der amerikanischen Marine. Mit dem Erbteil kaufte Prince später in North Carolina, nahe der Grenze zu Virginia, ein 28 Quadratkilometer großes Sumpfgelände - daher der Name Blackwater -, um ein hochmodernes privates Übungsgelände für Militärs und Polizisten zu bauen. Es wird inzwischen, wie man hört, von 40.000 Übenden im Jahr genutzt, und der Bedarf ist steigend; Blackwater baut zusätzliche Übungsgelände in anderen Teilen der Vereinigten Staaten.

    Jeremy Scahill zufolge trainiert Blackwater auch ausländische Militärs. Mit dem Kampf gegen den Terror nach dem 11. September wurde der Geschäftsbereich erweitert. 2002 wurde der Sicherheits-Dienstleistungsbetrieb Blackwater-Security-Consulting gegründet, der mit anderen privaten Sicherheitsunternehmungen, angeblich 60 an der Zahl, im Irak im Einsatz ist. In Afghanistan schützten Blackwater-Leute die dortige Niederlassung des Geheimdienstes CIA. Blackwater nahm zunehmend auch ehemalige Soldaten und Angehörige von Kommandounternehmen anderer Länder unter Vertrag.

    "Es operieren über 170 Söldnerfirmen wie Blackwater im Irak ... "

    ... sagt Autor Scahill, ohne das deutlich würde, ob das alles Sicherheitsunternehmungen sind oder aber solche, die Straßen bauen, Pipelines reparieren oder das Militär mit Lebensmitteln versorgen.

    "Das sind fast so viele Nationen wie in den Vereinten Nationen. Und es geht auch nicht nur um den Irak; das Finanzministerium wird geplündert."

    Dass sich Vater Staat die private Unterstützung horrende Beträge kosten lässt, ist keine Frage; aber was hat die Zahl der im Irak tätigen so genannten Söldnerunternehmungen mit der Größe der Vereinten Nationen zu tun? Gar nichts.

    "Aber Tatsache ist, dass das amerikanische Militär im Vergleich zu den privaten Firmen der Juniorpartner in der Koalition ist, die den Irak besetzt."

    Das ist Scahills These, und sie ist weit hergeholt, um es vorsichtig zu formulieren. Dabei spießt er, alles in allem, eine bedenkliche Entwicklung auf: nach der immer wieder beschworenen Militarisierung der Außenpolitik nunmehr anscheinend die Privatisierung des Militärischen, die einer sorgfältigeren Analyse bedarf. Scahill wirft zu viel in einen Topf. Sind alle privaten Auftragnehmer - private contractors - Söldnerunternehmen? Sind das die großen Profiteure des Kampfs gegen den Terror? Sind private Sicherheitsunternehmen wirklich eine Art Prätorianergarde, die über kurz oder lang eine Globalisierung ganz eigener Art anzetteln könnte?
    Blackwater-Eigentümer Prince hat sich gegen den Begriff Söldner gewehrt; sein Unternehmen unterstütze mit allem die Politik der Vereinigten Staaten.

    "Ein Söldner ist ein Berufssoldat im Sold einer ausländischen Armee. Ich bin Amerikaner, der für Amerika arbeitet."

    Inzwischen ist Blackwater, wie es scheint, auch ins private geheimdienstähnliche Aufklärungsgeschäft eingestiegen, das von Cofer Black, dem vormaligen Chef des Terrorabwehrzentrums der CIA, geleitet wird. Dieses Dienstes könnten sich zunehmend internationale Firmen bedienen. Was die Politik der Vereinigten Staaten betrifft, wird sie - da die Ära Bush unweigerlich zu Ende geht - wesentlich kritischer als bisher überprüft werden. Im Augenblick besorgt dies der Regierungskontrollausschuss des Repräsentantenhauses unter dem unermüdlichen Demokraten Henry Waxman. Warum die Übersetzer ihn zum Republikaner gemacht haben, ist einigermaßen unerfindlich. Aber die "US-amerikanische" Präsenz, Besatzung, Kriegsmaschinerie oder Staatsbürgerschaft ist natürlich auch keine Übersetzung, sondern eine Erfindung, eine deutsche und zumindest stilistisch ärgerliche.

    Klaus Jürgen Haller über Jeremy Scahill: Blackwater. Der Aufstieg der mächtigsten Armee der Welt. In seiner deutschen Übersetzung erscheint das Buch am 29. Januar im Verlag Antje Kunstmann, 350 Seiten dick und zum Preis von 22 Euro.

    Sonst im Programm
    Christoph Kleßmann Arbeiter im "Arbeiterstaat der DDR". Deutsche Traditionen, sowjetisches Modell, westdeutsches Magnetfeld (1945 bis 1971), 892 Seiten, Euro 68,00.
    Rezension: Günter Beyer

    Udo Scheer Jürgen Fuchs. Eine Biografie. Mit einem Vorwort von Hubertus Knabe, Jaron Verlag Berlin, 390 Seiten,
    Euro 14,80.
    Rezension: Lutz Rathenow

    Peter Reichel Robert Blum. Ein deutscher
    Revolutionär 1807 - 1848, Vandenhoek & Ruprecht, 232 Seiten, Euro 19,90.
    Rezension: Sandra Pingel

    Jörg Friedrich Yalu. An den Ufern des dritten Weltkrieges, Propyläen, 624 Seiten,
    Euro 24,90.
    Rezension: Martin Fritz