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Das Geschäft mit den Pleiten

Ob bei der Baumarktkette Praktiker, bei dem Solaranlagenbauer Centrosolar oder bei der Kaufhauskette Karstadt - immer, wenn ein Unternehmen vor der Pleite steht und einen Insolvenzantrag stellt, kommt ein Insolvenzverwalter ins Spiel. Mittlerweile gibt es dafür klare Regeln.

Von Philip Banse |
    Wer aber bestimmt eigentlich, welcher Verwalter welches Unternehmen betreut? Wie steht es um die Bezahlung - wer legt die Höhe fest? Nach welchen Regeln funktioniert diese Geschäftstätigkeit? Diesen Fragen ist Philip Banse auf dem heute eröffneten Deutschen Insolvenzverwalterkongress in Berlin nachgegangen.

    Wenn das Amtsgericht ein Insolvenzverfahren eröffnet, bestellt es einen Insolvenzverwalter. In aller Regel bekommen den Auftrag Juristen mit dem Fachgebiet Insolvenzrecht. Nach Angaben des Verbands der Insolvenzverwalter gibt es in Deutschland rund 2000 Insolvenzverwalter, von denen sich rund 600 Vollzeit mit Unternehmensinsolvenzen beschäftigen. Die Verteilung der zum Teil sehr lukrativen Verwalterjobs durch den Amtsrichter war lange undurchsichtig und "inzestuös", gestehen Branchenkenner. Nach einer Verfassungsbeschwerde gibt es mittlerweile klarere Regeln für die Auswahl des Insolvenzverwalters. Christoph Niering, Vorsitzender des Insolvenzverwalterverbandes:

    "Da hat sich in den letzten 20 Jahren viel getan. Früher gab es vielleicht pro Gericht eine Handvoll, zwei Handvoll Insolvenzverwalterkollegen, die man bestellt hat. Heute gibt es Listen, die zum Teil sehr, sehr lang sind. Und aus diesen Listen wird ausgewählt."

    Dieses Auswahlverfahren gilt für die große Masse der letztes Jahr gut 28.000 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland. Bei rund 400 dieser insolventen Unternehmen durfte die alte Geschäftsführung sich in Eigenverwaltung aus der Insolvenz führen – und habe zu großen Einfluss auf die Auswahl des Insolvenzverwalters, hier Sachwalter genannt, sagt Unternehmensberater Andreas Fröhlich. Er berät kriselnde Unternehmen, um sie vor der Insolvenz zu bewahren. Andreas Fröhlich:

    "Auch wir machen das ja teilweise. Das heißt, wenn wir im Vorfeld tätig sind, versuchen wir einen Eigenverwalter und einen Sachwalter zu positionieren, die uns genehm sind und die dem Unternehmen Gutes tun wollen. Und das gelingt oftmals, weil das Gericht es nicht kritisch hinterfragt, deswegen kriegt man die durchgesetzt. Diese Interessen müssen nicht immer deckungsgleich sein mit den Interessen der Banken, der Kreditversicherer und ähnlicher gläubiger."

    Das Auswahlverfahren für Insolvenzverwalter ist es auch deshalb interessant, weil Insolvenzverwalter sehr viel Geld verdienen können. So wollten Klaus Hubert Görg, der Insolvenzverwalter von Karstadt, und seine Mitarbeiter 34 Millionen Euro für ihre Dienste haben. Bei rund 30.000 Unternehmensinsolvenzen pro Jahr seien das Ausnahmen, sagt Christoph Niering vom Insolvenzverwalterverband. Noch dazu:

    "Sie haben nicht den einen Insolvenzverwalter, der diese Vergütung erhält, sondern es sind ganze Teams von Mitarbeitern. In Großverfahren können das schnell mal auch über 100 Mitarbeiter sein, die sich darum kümmern."

    Eigentlich bekommt der Insolvenzverwalter einen prozentual genau festgelegten Teil des Geldes, das er am Ende des Verfahrens für das Unternehmen hat sichern können. Doch durch Schlupflöcher könne der Insolvenzverwalter beim Amtsgericht wesentlich höherer Vergütungen einreichen, sagt Unternehmenssanierer Andreas Fröhlich:

    "Da gibt es unendlich viele Zuschlagssätze, die oftmals gerechtfertigt sind, aber leider eben nur oftmals und wir haben auf Gerichtsseite dann oftmals Personen, die diese Vergütung festsetzen, die das nicht beurteilen können. Die können die Komplexität eines Verfahrens nicht erblicken, geht auch gar nicht, weil sie sich teilweise nur ein paar Tage damit beschäftigen, während der Verwalter mehrere Mann-Monate und -Jahre damit beschäftigt. Und dann kommen solche Auswüchse, die es zweifelsohne gibt, da zustande."


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