Archiv


Das Geschäft mit der heißen Luft

Um den Emissionshandel effektiver zu machen, will die EU-Kommission die Zahl der Zertifikate verringern. Christoph Bals von Germanwatch hält das für sinnvoll - aber nur wenn die Verringerung auch langfristig gilt.

Christoph Bals im Gespräch mit Sarah Zerback |
    Sarah Zerback: Klimaschutz, der über den Markt geregelt wird – vor fast zehn Jahren war diese Idee noch ein Knüller. Mit dem Emissionshandel sollte das Klima besonders wirtschaftlich geschützt werden. Die Idee dahinter: Alle großen Industriebetriebe und Kraftwerke in der EU müssen für jede Tonne CO2, die sie in die Atmosphäre blasen, ein Zertifikat besitzen. Senken sie ihren CO2-Ausstoß, dann können sie überschüssige Zertifikate an andere Betriebe verkaufen. Sprich: Wer klimafreundlich ist, kann damit Geld verdienen. Doch das System funktioniert nicht wie erhofft. Es sind viel zu viele viel zu billige Zertifikate auf dem Markt, zuletzt für weniger als fünf Euro pro Tonne CO2. Zum Vergleich: Ursprünglich hatte man einen Wert von etwa 30 Euro angepeilt. Deshalb will die Europäische Kommission jetzt eingreifen und plant, die Zertifikate knapper zu halten. Am Nachmittag legt der Industrieausschuss des EU-Parlaments seine Position dazu fest. Und zu diesem Thema begrüße ich jetzt am Telefon Christoph Bals von der Umweltlobbyorganisation Germanwatch. Guten Tag, Herr Bals.

    Christoph Bals: Guten Tag, ich grüße Sie.

    Zerback: Bieten denn die aktuellen Reformvorschläge nun Anreize für mehr Klimaschutz?

    Bals: Nun, sie wären ein erster Schritt dafür. Es würden kurzfristig Zertifikate vom Markt genommen. Einen wirklichen Schritt nach vorne für Investitionssicherheit bietet das nur, wenn diese Kurzfristigkeit dann in eine Langfristigkeit überführt wird. Nur dann wird es das notwendige Preissignal für Investoren senden.

    Zerback: Sie spielen darauf an, dass sie im Moment nur zeitweise vom Markt genommen werden, nicht wahr?

    Bals: Ganz genau. Das hilft uns nicht wirklich weiter, aber es ist ein erster Schritt und es würde dann in den nächsten Monaten darüber entschieden werden, dass das dauerhaft vom Markt genommen werden soll, und erst dann wäre es wirklich hilfreich, dass Investoren die Sicherheit bekommen, es zahlt sich für sie aus, wenn sie in Klimaschutz und nicht in neue Kohle investieren. Wir haben im letzten Jahr einen dramatischen Anstieg der Kohlenutzung in der EU gesehen, weil wir einen so starken Preisverfall im Emissionshandel gesehen haben.

    Zerback: Das sieht ja auch E.ON-Chef Johannes Teyssen ähnlich. Der hat sich gestern geäußert und eine CO2-Steuer als Alternative vorgeschlagen. Wäre das auch für Sie denkbar?

    Bals: Es gibt die Notwendigkeit, auf jeden Fall den CO2-Preis für den Industriesektor schrittweise deutlich zu erhöhen. Das kann entweder über den Emissionshandel oder über eine Steuer passieren. In der EU ist eine Steuer nicht durchsetzbar, das ist nur ein nationalstaatlicher Weg. Von daher ist es sehr viel schwieriger, eine Steuer durchzusetzen. Im Prinzip wäre eine Steuer wahrscheinlich sogar besser als der Emissionshandel.

    Zerback: Es wird jetzt auf EU-Ebene entschieden. Wie hat sich denn die Bundesregierung dazu positioniert?

    Bals: Die Bundesregierung hat bisher keine Position vertreten und sie ist das Zünglein an der Wage am Schluss. Die FDP hat insbesondere hier blockiert und der Wirtschaftsminister Rösler. Es ist sehr zu hoffen, dass die Kanzlerin jetzt nach der Wahl in Niedersachsen nicht mehr so viel Rücksicht auf ihn nehmen muss, sondern endlich zu einer klaren Positionierung der Bundesregierung kommt. Sonst wird es zu dieser Reform des Emissionshandels nicht kommen.

    Zerback: Ein erster Schritt in Richtung Klimaschutz, der wurde auch in dieser Woche getan. Gestern hat Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland überhaupt ein Klimaschutzgesetz zur Senkung der Treibhausgase verabschiedet. Ist das nun gut für NRWs Umwelt?

    Bals: Ja, das ist gut für die Umwelt und das ist auch gut für die Wirtschaft, weil diese klaren, rechtlich verbindlichen Klimaschutzziele schaffen einfach Investitionssicherheit. Sie sind ein Garant dafür, dass neue Arbeitsplätze im Umweltbereich, im Energieeffizienzbereich, im Erneuerbaren-Energien-Bereich entstehen können. Und wir brauchen diese klare Rahmensetzung, damit wir sowohl für das Klima als auch für die Arbeitsplätze die notwendige Planungssicherheit bekommen.

    Zerback: In der Vergangenheit haben gerade Stromkonzerne ja immer wieder die enormen Lasten beklagt, die ihnen durch den Klimaschutz angeblich entstehen. Allerdings ist jetzt auch herausgekommen, dass sie die kostenlos zugeteilten Zertifikate in den Strompreis zum Beispiel eingepreist haben und dadurch eher Zusatzgewinne erwirtschaftet haben. Ähnliches hört man auch von den Fluggesellschaften dieser Tage. Trägt also die ganze Last im Endeffekt der Verbraucher?

    Bals: Nun, dass die Last des Klimaschutzes am Ende auch vom Verbraucher gezahlt werden muss, das ist auch im Prinzip richtig, weil der Verbraucher ja ein Preissignal bekommen soll, klimafreundlichere Produkte und Dienstleistungen zu kaufen. Aber das Empörende ist, wenn sozusagen Dinge eingepreist werden und mit dem Etikett Klimaschutz versehen werden, aber kein zusätzlicher Klimaschutz gemacht wird. Das ist nun bei den Fluggesellschaften im Moment scheinbar der Fall, wie eine Studie vor zwei Tagen belegt hat, dass dort, obwohl im Moment dieser Bereich noch vorübergehend ausgenommen ist vom Emissionshandel, und wenn, dann auch nur 15 Prozent der Zertifikate ersteigert werden müssen, also dass die Fluggesellschaften was dafür zahlen müssen und dass es trotzdem voll oder zumindest zu 50 Prozent eingepreist worden ist. Das heißt, da wird der Verbraucher zur Kasse gebeten, ohne dass dem Klimaschutz damit gedient ist.

    Zerback: Vielen Dank, Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch.

    Bals: Ich danke auch.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.