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"Das Gesichtwahren steht im Vordergrund"

Der Grenzstreit zwischen Kroatien und Slowenien kann nach Ansicht des österreichischen EU-Politikers Hannes Swoboda (SPÖ) den EU-Beitritt Kroatiens gefährden. Angesichts anstehender Wahlen in beiden früheren jugoslawischen Teilrepubliken, seien die Kontrahenten nur darauf bedacht, nicht ihr Gesicht zu verlieren.

Hannes Swoboda im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Mario Dobovisek: Es geht um rund 25 Kilometer Adria-Küste oder vielmehr die Bucht davor. Der Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien währt schon seit der Unabhängigkeit beider Staaten, der früheren jugoslawischen Teilrepubliken. Es ist ein ewiges Hin und Her, bei dem keine der beiden Seiten nachgeben will. Langsam reißt der Europäischen Union der Geduldsfaden. Schließlich will Kroatien EU-Mitglied werden und wird dabei von seinem slowenischen Nachbarn blockiert. Das ist Thema heute bei den Beratungen der EU-Außenminister in Luxemburg. Am Telefon begrüße ich den österreichischen Europaabgeordneten der SPÖ-Fraktion, Hannes Swoboda. Guten Tag, Herr Swoboda.

    Hannes Swoboda: Guten Tag!

    Dobovisek: Sie haben ebenfalls schon versucht, im Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien zu vermitteln. Warum sind die Positionen der beiden so festgefahren?

    Swoboda: Weil jede Seite fürchtet, dass sie verliert und dass sie zu Hause nicht das Gesicht verliert und nicht wirklich die entsprechende Unterstützung bekommt. Es sind mal wieder Wahlen in den beiden Ländern und das macht es natürlich schwierig für jede Regierung, einem Schiedsspruch zuzustimmen, wo man nicht weiß, was herauskommt.

    Dobovisek: Geht es da tatsächlich auch noch um wirkliche Gründe, oder steht das Gesichtwahren da im Vordergrund?

    Swoboda: Ich glaube, das Gesichtwahren steht im Vordergrund, denn es muss ja doch, wie in Ihrem Beitrag schon angeklungen, klargestellt sein, dass von Vornherein beide Länder sagen, wir stimmen jeglichem Schiedsspruch zu, und das macht es schwierig, noch dazu wo Kroatien weiß, die Erweiterung, so schnell kommt sie nicht, es dauert noch einige Zeit, und auf der anderen Seite Slowenien natürlich am längeren Ast sitzt, weil es ja schon Mitglied der Europäischen Union ist.

    Dobovisek: Wie schätzen Sie, Herr Swoboda, die Stimmung unter den Europapolitikern, also Ihren Kollegen ein? Reißt da wirklich langsam dem einen oder anderen der Geduldsfaden?

    Swoboda: Ja, das ist schon richtig. Wir sind schon sehr ungeduldig und es gab auch viel Kritik am Verhalten Sloweniens. Auf der anderen Seite muss ich natürlich auch sagen, dass es nicht nur Slowenien ist, das hier behindert hat, sondern auch Kroatien nicht wirklich einen sehr, sagen wir, offenen Standpunkt dort vertreten hat, sodass es hier zu entsprechenden Missverständnissen gekommen ist. Auch in Kroatien selbst sind verschiedene Politiker, die setzen andere Politiker wieder unter Druck, dass sie ja nicht nachgeben dürfen, sonst stehen sie als Verräter da. Also auf beiden Seiten gibt es diese inneren Diskussionen, die nicht sehr hilfreich sind.

    Dobovisek: Könnte denn am Ende der EU-Beitritt Kroatiens tatsächlich gefährdet sein wegen, sagen wir, dieser Posse?

    Swoboda: Er könnte gefährdet sein. Das habe ich den Kroaten auch immer wieder klar gemacht. Man muss den Slowenen entgegenkommen, aber wichtig ist natürlich auf der anderen Seite – da bin ich nicht ganz glücklich über die Vorgangsweise von Kommissar Olli Rehn gewesen -, dass man beiden Seiten von Vornherein etwas gibt. Man muss den Kroaten auch zugestehen, dass die Rechtssituation der wesentliche Ausgangspunkt ist, und dann kann man auch den Slowenen etwas entgegenkommen auf der politischen Seite. Aber man kann nicht ohne Rechtsgrundlage und ohne internationales Recht die Kroaten einfach nur zu einer politischen Konzession zwingen. Man hätte, glaube ich, zuerst mit beiden Seiten mehr intern reden müssen, bevor man nach außen geht, aber das ist nun mal geschehen. Jetzt gilt es, dass beide Seiten wirklich sich zu Europa bekennen. Zu Europa bekennen heißt, dass man nach einer Lösung sucht und nicht die nächsten Regional- oder Kommunalwahlen immer als Vordergrund sieht und als Vorwand sieht, nicht nachzugeben.

    Dobovisek: Herr Swoboda wir sind über ein Mobiltelefon miteinander verbunden, deshalb auch die eingeschränkte Qualität. Vielleicht können Sie sich ein bisschen aus dem Wind herausdrehen und mir dann die Frage beantworten, wie es denn jetzt weitergeht?

    Swoboda: Aus meiner Sicht sollte Kroatien und Slowenien zustimmen. Es sollte auch klargestellt werden – das gilt insbesondere für das Interesse Kroatiens -, dass man eine rechtliche Basis als Ausgangsbasis sieht, sodass das internationale Recht, das Völkerrecht zentral ist, und auf der anderen Seite sollte Kroatien von Vornherein erklären, dass es jenseits des Völkerrechts bereit ist, Slowenien eine Konzession zu geben, den offenen Zugang zum Meer, und auch in der Bucht von Beran einen Kompromiss anzubieten.

    Dobovisek: Kann denn die Europäische Union kein Machtwort sprechen?

    Swoboda: Nein, das kann sie nicht, weil wie gesagt die Einstimmigkeit gegeben ist. Ich glaube, nur wenn Kroatien auf der einen Seite einen gewissen Kompromiss anzeigt, wird der Druck auf Slowenien auch größer werden. Das Problem ist, dass jeder auf den anderen nur wartet. Ich verstehe, dass die Mitgliedsländer nicht Slowenien unter Druck setzen, soweit nicht ganz klar ist, dass Kroatien wirklich bereit ist zu einem Kompromiss.

    Dobovisek: Was bedeutet denn dieser Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien für ähnliche Konflikte in der EU, zum Beispiel für das geteilte Zypern?

    Swoboda: Aus meiner Sicht muss es eine klare Entscheidung geben - ich rede jetzt weniger von Zypern als von Mazedonien, von Serbien und dem Kosovo -, dass schon vor der Aufnahme von Verhandlungen das Prozedere, wie man zu einer Lösung von bilateralen Problemen kommt, klargestellt wird. Man kann nicht alle Probleme vorher lösen, aber das was jetzt als Vermittlungsvorschlag gemacht wird, das muss vor Beginn der Verhandlungen in Zukunft gemacht werden - und wir haben ja noch einige Verhandlungen im Balkan zu führen -, sodass klar ist, dass beide Streitparteien, beide Nachbarländer sich entscheiden für einen ganz konkreten Kompromiss beziehungsweise dafür, dass wenn dann ein Schiedsspruch kommt, dass beide Seiten das anerkennen werden. So werden dann in Zukunft die Verhandlungen mit einzelnen Kandidaten nicht mehr durch bilaterale Probleme belastet.

    Dobovisek: Wollen Sie damit sagen, dass die EU mit der Aufnahme Sloweniens und zum Beispiel auch Zyperns vor genau fünf Jahren vielleicht noch hätte warten sollen, nämlich bis die Konflikte intern gelöst sind? War das ein Fehler, diese frühe Aufnahme?

    Swoboda: Es war insofern ein Fehler, als man hätte sagen sollen - zum Beispiel zu Slowenien, okay, wir nehmen euch auf, aber es ist klar, wir nehmen euch mit den Grenzen auf, die ihr jetzt habt, oder gibt es da ein Problem? Bei Zypern hätte man klar sagen sollen, selbst wenn wir jetzt den griechischen Teil aufnehmen, dass die Europäische Union davon ausgeht, dass Zypern nicht alle Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für den Norden Zyperns blockiert. Das ist leider geschehen. Hier waren wirklich zwei Versäumnisse, die man vielleicht deswegen gemacht hat, weil man gehofft hat, dass beide Seiten jeweils - Slowenien im einen Fall, der griechische Teil von Zypern im anderen Fall - hilfreich sein werden und wirklich in vollem europäischen Geist handeln werden.

    Dobovisek: Wunderbar. Hannes Swoboda, für die österreichischen Sozialdemokraten ist er Abgeordneter im Europaparlament. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen.