Niemand wäre in der Lage, all die Menschen zu zählen, die sich auch dieses Jahr wieder zur Kumbh Mela eingefunden haben. Mehrere Millionen sind es in jedem Fall. Wallfahrer, Asketen, Händler, Polizisten und spirituelle Führer, die auf dem riesigen Festgelände in Zelten, provisorischen Hütten oder unter freiem Himmel kampieren. Ehrenamtliche Helfer nehmen umherirrende Kinder und alte Menschen bei der Hand, um sie zu einem der Ausrufer zu führen. In einem fort werden die Namen der verloren gegangenen Personen verlesen, gekoppelt mit der Bitte an die Angehörigen, sich an einem bestimmten Treffpunkt einzufinden.
Die Kumbh Mela ist das größte Wallfahrtsfest der Hindus. Alle drei Jahre wird sie an einem anderen heiligen Ort in Indien begangen. Jedes zwölfte Jahr findet sie als "Maha Kumbh Mela", als "großes Fest des Kruges", in Allahabad statt. Die Indologin Dr. Margaret Dasgupta:
"Die Wallfahrt zur Kumbh Mela in Allahabad ist besonders glückverheißend, denn hier kommen die Flüsse Ganges, Yamuna und der mystische Strom Sarasvati zusammen. Deshalb gilt diese Stätte den Hindus als Tirtharaj. Ein Tirtharaj ist der König aller Pilgerzentren. Die vier heiligen Orte, an denen die Kumbh Mela stattfindet, werden kraft einer Legende zu einer einheitlichen Traditionslinie zusammengeführt. Ein Mythos also, der besagt, dass einst an diesen vier Stätten einige Tropfen des Trankes der Unsterblichkeit niedergefallen sind."
"Nachdem Gott Indra durch einen Fluch seine ganze Macht eingebüßt hatte, wandte er sich hilfesuchend an Gott Vishnu, den Bewahrer des Universums. Vishnu riet Indra dazu, den heiligen Nektar Amrita zu sammeln, der in den Tiefen des Ozeans zu finden sei. Mithilfe dieses Elixiers, so Gott Vishnu, könne Indra seine frühere Macht zurückgewinnen. Nachdem die von Indra ausgesandten Gottheiten ein Gefäß mit dem kraftspendenden Nektar gefüllt hatten, kamen ihnen die Dämonen auf die Spur. Ein Streit entbrannte. An vier Stätten wurde der Gott, der den mit Amrita gefüllten Krug für Indra bei sich trug, besonders heftig angegriffen. Und so gingen eben hier einige Tropfen des heiligen Nektars nieder und vermischten sich mit dem Wasser der dort fließenden Ströme."
Analog zu dieser Legende sind während der Kumbh Mela rituelle Waschungen und Bäder von besonderer Wichtigkeit. Das heilige Wasser bereinigt in den Augen der Gläubigen jedwedes Fehlverhalten, ein Bad darin soll Heilung bringen und sich günstig auf die nächste Wiedergeburt auswirken.
Am Sangam, dem Zusammenfluss von Yamuna und Ganges, lassen die Pilger das Wasser betend und mit Blick auf die Sonne durch ihre Hände rinnen. Dann trinkt man einige Schlucke davon und gießt sich das heilige Wasser über den Kopf. Während nahebei, am Ufersaum, ein Junge mit dem Gesicht eines zehnjährigen Alten zu einem Gesangsvortrag anhebt.
So friedlich und fast geruhsam geht es allerdings nicht immer während der Kumbh Mela zu. Wegen der hohen Zahl der Wallfahrer sind die Badezeiten streng reglementiert. Dennoch ist es in der Vergangenheit wiederholt zu Todesfällen gekommen. Und noch immer gibt es eine ganze Reihe von gewaltsamen Auseinandersetzungen, bei denen es vor allem bei den Sadhus, den heiligen Männern, um das Recht des ersten Bades geht.
Seit Langem ist genau festgelegt, welche der Gruppen zuerst baden darf, eine Reihenfolge, die vorsieht, dass alle drei Jahre eine andere Gruppierung den Vortritt hat. Doch besonders die Nagas, so der Religionswissenschaftler Professor Arjun Tripathi, versuchten sich unter Einsatz aller Mittel vorzudrängen.
"Viele Nagas sind es gewohnt, sich gewaltsam zu verteidigen. Man muss allerdings zwei Hauptgruppen der Nagas auseinanderhalten – diejenigen, die ausschließlich die Schriften studieren, und die, welche den Hinduismus mit der Waffe verteidigen. In den Zentren übt sich die kriegerische Sektion der Nagas im Dienst an der Waffe und im Ringkampf. Das Resultat von alledem kommt inzwischen nur noch selten zum Tragen. Mit Ausnahme dessen, dass die Nagas sich manchmal gegenseitig bekämpfen."
Die meisten orthodoxen Hindus werden auf die Frage, seit wann die Kumbh Mela eigentlich existiere, entgegnen, es gebe dieses Fest schon seit Beginn der Schöpfung. Die historische Verwurzelung dieses Wallfahrtszentrums liegt jedoch vor allem in einer regelmäßigen Versammlung der Sadhus. Etwa seit dem neunten Jahrhundert fanden sich am Zusammenfluss der drei Ströme bei Allahabad heilige Männer zusammen, die religiöse Fragestellungen erörterten und ihre Orden zu strukturieren suchten. Später, mit der Verbreitung des Islam in Indien und infolge der Rivalitäten zwischen den verschiedenen Gruppierungen, wollte man die Asketenorden schützen. Militärisch strukturierte Gemeinschaften entstanden, unter denen bald die Nagas hervortraten.
Man geht heute davon aus, dass die Kumbh Mela als eine Zusammenkunft der Nagas entstanden ist. Und noch immer erfahren Aspiranten, die der Gemeinschaft beitreten wollen, nur hier, auf der Kumbh Mela, ihre Initiation.
"Wenn die Neulinge ein oder zwei Jahre alle Dienste bei den Nagas versehen haben, können sie darauf hoffen, aufgenommen zu werden. Dann endlich erfolgt ihre Initiation – auf der Kumbh Mela."
Für die Gläubigen ist der Besuch der Kumbh Mela auch die Gelegenheit, mit ihrem Guru, dem religiösen Lehrer, in Kontakt zu treten. Wer irgend kann, wohnt in dem für den Guru und seine Gemeinschaft vorgesehenen Bezirk, lauscht dem religiösen Diskurs des Meisters, holt sich Rat bei persönlichen Problemen oder zieht bereits aus dem "Darshan", dem Anblick des Gurus, spirituellen Gewinn. Dr. Margaret Dasgupta:
"Es wird als eine wundervolle Erfahrung beschrieben, an den abendlichen Diskursen teilhaben zu können und die Gurus von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Man hat die wunderlichsten Persönlichkeiten vor sich – Heilige, die seit dreißig Jahren beide Arme hochrecken, oder andere, die sich eingegraben haben, sodass nur noch ihr Kopf herausschaut. Man ist tatsächlich umringt von Heiligen aller Couleur."
Nach Beendigung der Kumbh Mela wird es vielleicht wieder einige Tote zu beklagen geben. Nicht jede der verloren gegangenen Personen hat zu ihren Angehörigen zurückgefunden, und den einen oder anderen wird man bestohlen haben. Überdies werden manche der Besucher die Erkenntnis mit nach Hause nehmen, dass auch ein paar "Scheinheilige" unter den Sadhus waren. Nämlich solche, denen mehr am eigenen finanziellen Zugewinn als am spirituellen Fortkommen ihrer Anhänger gelegen war.
"All das spielt für die meisten Gläubigen keine sonderliche Rolle. Was zählt, ist, dabei gewesen zu sein und am spirituellen Geschehen teilgehabt zu haben. Viele verzichten bewusst auf einige ihrer Gewohnheiten – so essen sie während der Kumbh Mela vielleicht nur einmal am Tag. Und selbstverständlich nehmen sie nur vegetarische Speisen zu sich, denn etwas anderes ist auf dem gesamten Gelände nicht erhältlich. Die Atmosphäre im Verein mit der Gelegenheit, so viele heilige Männer auf einem Fleck zu erleben. Eine derartige religiöse Erfahrung lassen die Gläubigen sich nicht entgehen."
Die Kumbh Mela ist das größte Wallfahrtsfest der Hindus. Alle drei Jahre wird sie an einem anderen heiligen Ort in Indien begangen. Jedes zwölfte Jahr findet sie als "Maha Kumbh Mela", als "großes Fest des Kruges", in Allahabad statt. Die Indologin Dr. Margaret Dasgupta:
"Die Wallfahrt zur Kumbh Mela in Allahabad ist besonders glückverheißend, denn hier kommen die Flüsse Ganges, Yamuna und der mystische Strom Sarasvati zusammen. Deshalb gilt diese Stätte den Hindus als Tirtharaj. Ein Tirtharaj ist der König aller Pilgerzentren. Die vier heiligen Orte, an denen die Kumbh Mela stattfindet, werden kraft einer Legende zu einer einheitlichen Traditionslinie zusammengeführt. Ein Mythos also, der besagt, dass einst an diesen vier Stätten einige Tropfen des Trankes der Unsterblichkeit niedergefallen sind."
"Nachdem Gott Indra durch einen Fluch seine ganze Macht eingebüßt hatte, wandte er sich hilfesuchend an Gott Vishnu, den Bewahrer des Universums. Vishnu riet Indra dazu, den heiligen Nektar Amrita zu sammeln, der in den Tiefen des Ozeans zu finden sei. Mithilfe dieses Elixiers, so Gott Vishnu, könne Indra seine frühere Macht zurückgewinnen. Nachdem die von Indra ausgesandten Gottheiten ein Gefäß mit dem kraftspendenden Nektar gefüllt hatten, kamen ihnen die Dämonen auf die Spur. Ein Streit entbrannte. An vier Stätten wurde der Gott, der den mit Amrita gefüllten Krug für Indra bei sich trug, besonders heftig angegriffen. Und so gingen eben hier einige Tropfen des heiligen Nektars nieder und vermischten sich mit dem Wasser der dort fließenden Ströme."
Analog zu dieser Legende sind während der Kumbh Mela rituelle Waschungen und Bäder von besonderer Wichtigkeit. Das heilige Wasser bereinigt in den Augen der Gläubigen jedwedes Fehlverhalten, ein Bad darin soll Heilung bringen und sich günstig auf die nächste Wiedergeburt auswirken.
Am Sangam, dem Zusammenfluss von Yamuna und Ganges, lassen die Pilger das Wasser betend und mit Blick auf die Sonne durch ihre Hände rinnen. Dann trinkt man einige Schlucke davon und gießt sich das heilige Wasser über den Kopf. Während nahebei, am Ufersaum, ein Junge mit dem Gesicht eines zehnjährigen Alten zu einem Gesangsvortrag anhebt.
So friedlich und fast geruhsam geht es allerdings nicht immer während der Kumbh Mela zu. Wegen der hohen Zahl der Wallfahrer sind die Badezeiten streng reglementiert. Dennoch ist es in der Vergangenheit wiederholt zu Todesfällen gekommen. Und noch immer gibt es eine ganze Reihe von gewaltsamen Auseinandersetzungen, bei denen es vor allem bei den Sadhus, den heiligen Männern, um das Recht des ersten Bades geht.
Seit Langem ist genau festgelegt, welche der Gruppen zuerst baden darf, eine Reihenfolge, die vorsieht, dass alle drei Jahre eine andere Gruppierung den Vortritt hat. Doch besonders die Nagas, so der Religionswissenschaftler Professor Arjun Tripathi, versuchten sich unter Einsatz aller Mittel vorzudrängen.
"Viele Nagas sind es gewohnt, sich gewaltsam zu verteidigen. Man muss allerdings zwei Hauptgruppen der Nagas auseinanderhalten – diejenigen, die ausschließlich die Schriften studieren, und die, welche den Hinduismus mit der Waffe verteidigen. In den Zentren übt sich die kriegerische Sektion der Nagas im Dienst an der Waffe und im Ringkampf. Das Resultat von alledem kommt inzwischen nur noch selten zum Tragen. Mit Ausnahme dessen, dass die Nagas sich manchmal gegenseitig bekämpfen."
Die meisten orthodoxen Hindus werden auf die Frage, seit wann die Kumbh Mela eigentlich existiere, entgegnen, es gebe dieses Fest schon seit Beginn der Schöpfung. Die historische Verwurzelung dieses Wallfahrtszentrums liegt jedoch vor allem in einer regelmäßigen Versammlung der Sadhus. Etwa seit dem neunten Jahrhundert fanden sich am Zusammenfluss der drei Ströme bei Allahabad heilige Männer zusammen, die religiöse Fragestellungen erörterten und ihre Orden zu strukturieren suchten. Später, mit der Verbreitung des Islam in Indien und infolge der Rivalitäten zwischen den verschiedenen Gruppierungen, wollte man die Asketenorden schützen. Militärisch strukturierte Gemeinschaften entstanden, unter denen bald die Nagas hervortraten.
Man geht heute davon aus, dass die Kumbh Mela als eine Zusammenkunft der Nagas entstanden ist. Und noch immer erfahren Aspiranten, die der Gemeinschaft beitreten wollen, nur hier, auf der Kumbh Mela, ihre Initiation.
"Wenn die Neulinge ein oder zwei Jahre alle Dienste bei den Nagas versehen haben, können sie darauf hoffen, aufgenommen zu werden. Dann endlich erfolgt ihre Initiation – auf der Kumbh Mela."
Für die Gläubigen ist der Besuch der Kumbh Mela auch die Gelegenheit, mit ihrem Guru, dem religiösen Lehrer, in Kontakt zu treten. Wer irgend kann, wohnt in dem für den Guru und seine Gemeinschaft vorgesehenen Bezirk, lauscht dem religiösen Diskurs des Meisters, holt sich Rat bei persönlichen Problemen oder zieht bereits aus dem "Darshan", dem Anblick des Gurus, spirituellen Gewinn. Dr. Margaret Dasgupta:
"Es wird als eine wundervolle Erfahrung beschrieben, an den abendlichen Diskursen teilhaben zu können und die Gurus von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Man hat die wunderlichsten Persönlichkeiten vor sich – Heilige, die seit dreißig Jahren beide Arme hochrecken, oder andere, die sich eingegraben haben, sodass nur noch ihr Kopf herausschaut. Man ist tatsächlich umringt von Heiligen aller Couleur."
Nach Beendigung der Kumbh Mela wird es vielleicht wieder einige Tote zu beklagen geben. Nicht jede der verloren gegangenen Personen hat zu ihren Angehörigen zurückgefunden, und den einen oder anderen wird man bestohlen haben. Überdies werden manche der Besucher die Erkenntnis mit nach Hause nehmen, dass auch ein paar "Scheinheilige" unter den Sadhus waren. Nämlich solche, denen mehr am eigenen finanziellen Zugewinn als am spirituellen Fortkommen ihrer Anhänger gelegen war.
"All das spielt für die meisten Gläubigen keine sonderliche Rolle. Was zählt, ist, dabei gewesen zu sein und am spirituellen Geschehen teilgehabt zu haben. Viele verzichten bewusst auf einige ihrer Gewohnheiten – so essen sie während der Kumbh Mela vielleicht nur einmal am Tag. Und selbstverständlich nehmen sie nur vegetarische Speisen zu sich, denn etwas anderes ist auf dem gesamten Gelände nicht erhältlich. Die Atmosphäre im Verein mit der Gelegenheit, so viele heilige Männer auf einem Fleck zu erleben. Eine derartige religiöse Erfahrung lassen die Gläubigen sich nicht entgehen."