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Das große Stechen

Die Überflutungsgebiete in Ostdeutschland leiden unter einer Mückenplage. Bei den Anwohnern wächst die Angst vor Krankheiten, die durch Stechmücken übertragen werden können. Das Magdeburger Umweltministerium hat reagiert und kurzfristig eine Task Force zur Bekämpfung der Mücken einberufen.

Von Christoph Richter |
    "Barbarisch","

    wirkt die Aedes vexans, die Wiesen- und Auwaldmücke - beispielsweise in der Region um Fischbek, dort wo der Deich gebrochen war, dort wo das Wasser immer noch in den Flächen steht. Die Menschen werden von den Mücken geradezu verfolgt, abends von dunklen Schwärmen regelrecht eingehüllt. Besonders ärgerlich ist es, dass die Mücken in den Flussgebieten um ein Vielfaches penetranter als ihre anderen Artgenossen sind.

    ""Aber wirklich. Das sind ja richtige Partisanen, die großen Dinger hier. Ist extrem dieses Jahr. Na klar. Spray, Spray, Spray. Aber Spray ist Mangelware."

    Die sogenannten Überschwemmungsmücken legen ihre Eier im feuchten Boden ab. Sobald sie vom Wasser überschwemmt werden, schlüpfen die Larven. Innerhalb nur einer Woche werden daraus blutdürstende Quälgeister, die den Menschen in Sachsen-Anhalt derzeit das Leben schwer machen.

    "Je mehr Wasserflächen man hat, umso mehr Brutstätten hat man natürlich. Und umso mehr Mücken haben wir dann auch","

    so der Magdeburger Biologe Kai Perret. In den überfluteten Gebieten Sachsen-Anhalts fänden die Insekten derzeit mehr als ideale Brut-Bedingungen. Angst vor Krankheiten wie Gelbfieber, Malaria oder Hepatitis brauche aber keiner zu haben. Erst mal kommen die Erreger hier kaum vor, zweitens seien die Mücken hierzulande keine klassischen Krankheitsüberträger, wie man es etwa aus den tropischen Regionen kenne, ergänzt Mückenkenner Kai Perret.

    ""Aber es gibt schon die Gefahr der Sekundärinfektion. Jeder kennt das: Es juckt, es kommt zum Kratzen, es kann dazu eine Infektion kommen, weil man sich diese Stellen genau aufkratzt und es dann zu einer Entzündung kommt. Die kann dann schon gefährlich sein, wenn man schon eine dementsprechende Menge hat, dann kann so eine Infektion auch gefährlicher werden."

    In der Magdeburger Landesregierung schaut man mit Sorge auf die Mückenplage. Und hat eine Art einmalige Task Force ins Leben gerufen, in der Wissenschaftler, Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und Experten aus dem Umwelt-, Sozial- und Innenministerium zusammen saßen, um sich über das gemeinsame Vorgehen abzustimmen. Mit dem Ergebnis:

    "Wir können großflächig, mit dem Abwerfen irgendwelcher Mitteln, nichts tun","

    sagt Detlef Thiel. Pressesprecher des sachsen-anhaltischen Umweltministeriums.

    ""Der Punkt ist nämlich: Die Mücken sind bereits geschlüpft, sie fliegen jetzt und stechen. Und es gibt eigentlich kein Mittel, was man in legitimer Weise einsetzen kann, um fliegende Mücken zu töten. Höchstens man griffe auf ein Total-Insektizid zurück. Dass würde kurzfristig in kürzester Zeit die ganze Insektenwelt umlegen, aber langfristig mehr Mücken befördern, als wir hätten. Weil wir nämlich auch die natürlichen Feinde der Mücken töten würden."

    Anders als am Rheingraben etwa - wo sich rund hundert Gemeinden auf einem Gebiet von 6000 Quadratkilometern zur Kommunalen Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage- kurz KABS - zusammengeschlossen haben und die Stechmücken mit biologischen Giften bekämpfen, habe man in Sachsen-Anhalt gar nicht die Mittel für solche Maßnahmen zur Verfügung. Unterstreicht Detlef Thiel vom Magdeburger Umweltministerium. Allein der Abwurf der Giftstoffe, der per Hubschrauber organisiert werden müsse, würde rund drei Millionen Euro kosten, rechnet Thiel vor.

    "Deswegen müssen wir mit den Mücken leben, die wir momentan haben. Wir können darauf hoffen, dass sich das in der nächsten Zeit auf normale Verhältnisse einpegelt. Und die Menschen nicht mehr so furchtbar geplagt werden, wie wir es bisher erlebt haben."


    Auch wenn Experten in Zukunft – Stichwort Klimawandel - mit einem vermehrten Mückenaufkommen in Sachsen-Anhalt rechnen, schreckt man in der Landesregierung davor zurück, die Mückenpopulationen mit einer Brutstätten Kartierung bzw. der Erstellung eines Mückenatlas zu überwachen. Sei schlicht zu teuer. Auch mache es in Sachsen-Anhalt keinen Sinn, einen Anti-Mücken Aktionsplan ins Leben zu rufen, ähnlich wie es am Chiemsee oder dem Rheingraben bereits geschehen ist, so Detlef Thiel. Denn:

    "Wir haben, das hoffen wir jedenfalls nicht jedes Jahr solches Hochwasser. Und wenn wir es aber dann bekämen, so sagen uns die Experten, wäre es auch zu spät."

    Die letzte Messe dürfte aber noch nicht gelesen sein. Denn noch diese Woche will sich der sachsen-anhaltische Landtag mit der Mückenplage auseinandersetzen und sich, wie es heißt, für eine bessere Mückenbekämpfung einsetzen. Was da am Ende rauskommt, keiner weiß es. Experten, wie Umweltmedizinerin Constanze Gottschalk oder Biologe Kai Perret nennen das puren Aktionismus. Denn gegen die Mückenplage könne man derzeit nur eines tun, sagen sie: Einfach nicht die Nerven verlieren, nicht jucken, sich richtig kleiden und immer ein Anti-Mückenmittelchen parat haben.
    Ein Exemplar der japanischen Buschmücke Aedes japonicus
    Aufgrund des Klimawandels werden auch fremde Mückenarten bei uns heimisch. (picture alliance / dpa - James Gathany)