Fred Wander sieht sich in der Tradition chassidischer Geschichtenerzähler. Einen gravierenden Unterschied zu den Vorläufern des Schriftstellers in den Schtetln Galiziens und der Bukowina gibt es allerdings: Die monströsen Erfahrungen, die Fred Wander machen musste, sind den Chassidim des 18. und 19. Jahrhunderts erspart geblieben, so brutal etwa die Pogrome der Zarenzeit auch gewesen sein mögen.
Fred Wander hat von den Gräueln der Shoa vor allem in seinem Roman "Der siebente Brunnen" Zeugnis abgelegt. Unvermeidlich geistern seine Erfahrungen in deutschen Vernichtungslagern aber auch durch seine Lebenserinnerungen, die jetzt in einer aktualisierten Neufassung im Wallstein-Verlag erschienen sind.
Auschwitz, Groß-Rosen, Buchenwald, das waren die Stationen auf dem Passionsweg des Schriftstellers. Die Erfahrungen, die Wander in den Lagern gemacht hat, lasten bis heute wie ein Alptraum auf ihm.
"Das kann kein Mensch verstehen. Jeder der es überlebt hat, ist irgendwie auch dort geblieben. Ich bin nicht wirklich lebendig, ich bin halb tot. Irgendwo liegen dort meine Knochen begraben."
Fred Wander, 1917 als Sohn von Berta und Jakob Rosenblatt in Wien geboren, ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Die Mutter, eine Flickschneiderin, hielt die Familie mit Gelegenheitsaufträgen über Wasser, der Vater, ein erfolgloser Handelsvertreter, hatte kaum etwas über für seine Kinder, hielt sich zudem oft im Ausland auf. So blieb Fred wie sein Bruder vorwiegend sich selbst überlassen.
"Meine Mutter hat genäht, sie hat kaum Zeit gehabt für ihre Kinder. Die Mariahilferstraße ist für mich die eigentliche Heimat. Schon mit fünf, sechs Jahren bin ich stundenlang durch die Stadt gestreift. Ich war immer schon ein Wanderer. Oder anders gesagt: Ich war ein Gassenjunge."
Ein Gassenjunge, der vom häufig abwesenden Vater wenigstens eines vermittelt bekam: die Begeisterung für Bücher. Vater und Sohn Rosenblatt waren eifrige Benützer der Städtischen Leihbüchereien. Tolstoi, Dostojewski, Balzac, auch B. Traven wurden zu Idolen des Halbwüchsigen. Zugleich, auch das schildert Fred Wander in seinen Memoiren, wurde er Tag für Tag mit brutalen antisemitischen Übergriffen konfrontiert.
"Saujud, Dreckjud - das hast du den ganzen Tag gehört. Wie allgegenwärtig der Antisemitismus damals war in Wien, das kann man sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen. Den Grad von Hass, von Bosheit, von Gemeinheit, auch schon bei Kindern - davon macht sich heute niemand mehr einen Begriff."
Er habe es immer schon gewusst: Er gehöre nirgendwo dazu, bekennt Fred Wander in seiner Autobiografie. So habe er früh eine "Außenseiter-Identität" entwickelt. Über das mörderische Potenzial der Nazis habe er sich von Anfang an keine Illusionen gemacht.
"Ich habe den Einmarsch Hitlers in Wien gesehen. Ich stand eingekeilt in der dichten Masse der beinahe bewußtlosen Menschen auf der Mariahilferstraße. (...) Ich sah, wie die Frauen, die sich in die vordersten Reihen gedrängt hatten, in einer Art Krampf der Ekstase die Augen verdrehten. Ich sah den Ausdruck vollständiger Entpersönlichung der Gesichter in einem blinden Rausch, das mythisch narkotisierte Wesen der Masse, die sich nichts anderes wünscht, als unterworfen zu werden."
Totale Unterwerfung und hemmungslose Mordlust gehen Hand in Hand. Fred Wander wittert die Gefahr: Über die Berge flüchtet der junge Mann in die Schweiz. Von dort geht es weiter nach Frankreich. Es folgen: entbehrungsreiche Emigrantenjahre in Paris und andernorts, diverse Internierungslager, schlussendlich die Deportation nach Auschwitz.
Es gibt Passagen in Wanders Lebenserinnerungen, deren Lektüre nur schwer zu ertragen ist.
"Die Fahrt nach Auschwitz dauerte ungefähr eine Woche. (...) Es gibt keine Worte, das zu beschreiben. Der Zug war sehr lang, vielleicht vierzig Waggons für je siebzig, manchmal neunzig Menschen. Wie das Vieh, wenn es zum Schlachthof gefahren wird. Für die Wegzehrung hatte jeder ein Stück Brot bekommen und dann noch eine Tüte mit überreifen Birnen - von den Leuten vom Roten Kreuz, die sich Zutritt zum Lager verschafft hatten, aber nichts für uns tun konnten! Für die Notdurft hatten wir eine leere Konservendose. Bald hatten wir nichts mehr zu essen und zu trinken, wir trockneten aus. (...) In der ersten Nacht hatte ein älterer Mann eine Packung Tabletten geschluckt. Bald darauf rief er mit erstickter Stimme nach Wasser, kippte zur Seite, starb. Jemand betete laut. Jemand redete im Schlaf. Eine junge Frau begann im Dunkeln gellend zu schreien. Die meisten aber schwiegen und dämmerten vor sich hin. (...) Bis auf die Mütter, die verzweifelt nach Wasser für ihre Kinder riefen. Niemand hörte sie."
Und dann Auschwitz. Buchenwald. Fred Wander überlebt, durch Glück, wie er betont. Die Rückkehr nach Wien wird zum Schock. Fritz Rosenblatt, wie er sich damals noch nannte, muss erkennen, dass die Mentalitäten, die Hitler ermöglicht haben, nicht über Nacht verschwunden sind.
"Als ich 1945 aus Buchenwald zurückkam, musste ich eines Tages zum Zahnarzt. Ich sitze mit 30 Leuten im Wartezimmer - und werde aufgerufen: 'Herr Rosenblatt!' Alle haben mich angestarrt. Ich konnte den Gesichtern der Leute ansehen, was sie gedacht haben: 'Was? Herr Rosenblatt? Ein Jud’? Der lebt noch? Unglaublich! Den haben sie nicht vergast?'"
Fritz Rosenblatt ändert seinen Namen. Fred Wander nennt er sich fortan. Er möchte Österreich verlassen, möchte in die Vereinigten Staaten auswandern, irgendwie bleibt er dann doch hängen in diesem "Land des Hasses", wie er es nennt. 1947 tritt er in die KPÖ ein, fängt für kommunistische Zeitungen zu arbeiten an, heiratet seine erste Frau Ottilie, wird Vater.
Im Dezember 1952 lernt er auf dem so genannten Völkerkongress für den Frieden im Wiener Konzerthaus Elfriede Brunner kennen, eine temperamentvolle junge Frau, 16 Jahre jünger als er. Elfriede, die Tochter einer kommunistischen Arbeiterfamilie, ist damals gerade 20, Fred 36. Die beiden verlieben sich ineinander, werden ein Paar, heiraten. Unter dem Namen "Maxie Wander" wird die junge Frau später selbst eine kurze, beachtliche Karriere als Schriftstellerin machen.
"Maxie gehörte zu jenen seltenen Menschen, die, wenn sie hereinkommen, das Licht verändern und eine Atmosphäre des naiven Staunens und der Freude verbreiten, ohne sich dessen bewußt zu sein."
Ein Stipendium für das Johannes-R.-Becher-Institut in Leipzig veranlasst Fred Wander, in den Osten Deutschlands zu übersiedeln. Maxie folgt ihm nach. Ohne es recht geplant zu haben, beginnen sich die beiden in der DDR eine Existenz aufzubauen.
"Ich bin zu einem Verlag gegangen, und die haben mir sofort einen Vertrag gegeben. Das Buch ist binnen kürzester Zeit erschienen, ich habe sofort Geld bekommen und hatte auch gleich einen Vertrag für das nächste Buch in der Tasche. Und so bin ich 30 Jahre in der DDR geblieben, weil ich ein Buch nach dem anderen geschrieben und immer sofort einen Vertrag für das nächste bekommen habe."
Natürlich sahen Fred und Maxie Wander, daß die real existierende DDR alles andere war als das Gelobte Land der Werktätigen. Die grauen, provinziellen Städte, die langen Schlangen vor den Restaurants, das muffige Verkaufspersonal in den Geschäften, die allenthalben herrschende Atmosphäre von Opportunismus und Duckmäusertum, das alles blieb den Wanders nicht verborgen. Dennoch wahrte man Solidarität.
"Warum sind wir dort geblieben? Weil die IDEE gut war, wie kurz nach dem Krieg viele der bedeutendsten Denker und Schriftsteller glaubten - von Sartre bis Brecht, von Bloch bis Arthur Miller. Weil wir lange nicht begreifen wollten, daß Menschen, die sich im Widerstand gegen Hitler stark, mutig und moralisch verhielten, plötzlich zu blinden Handlangern und Funktionären werden konnten."
Was neu ist an Fred Wanders Erinnerungen, deren erste Fassung ja vor zehn Jahren bereits im Hanser-Verlag erschienen ist? Zunächst eine Passage über die Stasi-Akte des Schriftstellers, die er 2001 eingesehen hat. Da erfuhr Wander zu seinem Entsetzen, dass Erich Mielkes Staatssicherheit ihn bis 1977 als Inoffiziellen Mitarbeiter geführt hat. Der Grund: Dreimal hat sich Wander ausführlich mit einem Stasi-Mitarbeiter namens Karl unterhalten, über kulturpolitische Fragen, wie Wander betont. Dass Karl ihn zum IM machte, will der Schriftsteller nicht gewusst haben. Neu sind auch einige kürzere Kapitel über das Leben des Autors in Wien: 1982 ist Fred Wander wieder in seine Geburtsstadt übersiedelt. Nach dem frühen Tod Maxies hat er auch wieder geheiratet, Susanne Wedekind, eine Herzensfreundin aus Berliner Tagen.
Dass Wanders Bücher jetzt, da er fast 90 ist, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich wieder entdeckt werden, stimmt den Schriftsteller - beinahe - versöhnlich mit seinem Geburtsland.
"Nachdem ich 20 Jahre hier lebe, fängt man jetzt an, mich zu entdecken. Ich lebe noch, ich bin noch einigermaßen gesund und bei Bewusstsein, und ich freue mich riesig, dass man mich jetzt entdeckt."
Fred Wanders Autobiografie bietet einen bewegenden, einen notwendig auch lückenhaften Einblick in das Leben eines Mannes, der in einem Ausmaß Zeuge des Jahrhunderts war, auf das er selbst wohl gern verzichtet hätte. Wanders Haltung am Ende seines Lebens: stoisch, gelassen, vielleicht sogar - versöhnt.
"Alt werden heißt verzichten lernen und verschenken, um die Welt wunschlos zu betrachten. Loslassen, sage ich zu mir selbst, was äußerst beruhigend wirkt... Das Denken an den Tod stimmt mich heiter. Und das Wissen um den Hunger meiner Jugend und den Hunger in der Welt gibt dem Brot, das ich esse, einen kräftigen Geschmack. Ich bin unterwegs, mein Gepäck ist leicht."
Fred Wander hat von den Gräueln der Shoa vor allem in seinem Roman "Der siebente Brunnen" Zeugnis abgelegt. Unvermeidlich geistern seine Erfahrungen in deutschen Vernichtungslagern aber auch durch seine Lebenserinnerungen, die jetzt in einer aktualisierten Neufassung im Wallstein-Verlag erschienen sind.
Auschwitz, Groß-Rosen, Buchenwald, das waren die Stationen auf dem Passionsweg des Schriftstellers. Die Erfahrungen, die Wander in den Lagern gemacht hat, lasten bis heute wie ein Alptraum auf ihm.
"Das kann kein Mensch verstehen. Jeder der es überlebt hat, ist irgendwie auch dort geblieben. Ich bin nicht wirklich lebendig, ich bin halb tot. Irgendwo liegen dort meine Knochen begraben."
Fred Wander, 1917 als Sohn von Berta und Jakob Rosenblatt in Wien geboren, ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Die Mutter, eine Flickschneiderin, hielt die Familie mit Gelegenheitsaufträgen über Wasser, der Vater, ein erfolgloser Handelsvertreter, hatte kaum etwas über für seine Kinder, hielt sich zudem oft im Ausland auf. So blieb Fred wie sein Bruder vorwiegend sich selbst überlassen.
"Meine Mutter hat genäht, sie hat kaum Zeit gehabt für ihre Kinder. Die Mariahilferstraße ist für mich die eigentliche Heimat. Schon mit fünf, sechs Jahren bin ich stundenlang durch die Stadt gestreift. Ich war immer schon ein Wanderer. Oder anders gesagt: Ich war ein Gassenjunge."
Ein Gassenjunge, der vom häufig abwesenden Vater wenigstens eines vermittelt bekam: die Begeisterung für Bücher. Vater und Sohn Rosenblatt waren eifrige Benützer der Städtischen Leihbüchereien. Tolstoi, Dostojewski, Balzac, auch B. Traven wurden zu Idolen des Halbwüchsigen. Zugleich, auch das schildert Fred Wander in seinen Memoiren, wurde er Tag für Tag mit brutalen antisemitischen Übergriffen konfrontiert.
"Saujud, Dreckjud - das hast du den ganzen Tag gehört. Wie allgegenwärtig der Antisemitismus damals war in Wien, das kann man sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen. Den Grad von Hass, von Bosheit, von Gemeinheit, auch schon bei Kindern - davon macht sich heute niemand mehr einen Begriff."
Er habe es immer schon gewusst: Er gehöre nirgendwo dazu, bekennt Fred Wander in seiner Autobiografie. So habe er früh eine "Außenseiter-Identität" entwickelt. Über das mörderische Potenzial der Nazis habe er sich von Anfang an keine Illusionen gemacht.
"Ich habe den Einmarsch Hitlers in Wien gesehen. Ich stand eingekeilt in der dichten Masse der beinahe bewußtlosen Menschen auf der Mariahilferstraße. (...) Ich sah, wie die Frauen, die sich in die vordersten Reihen gedrängt hatten, in einer Art Krampf der Ekstase die Augen verdrehten. Ich sah den Ausdruck vollständiger Entpersönlichung der Gesichter in einem blinden Rausch, das mythisch narkotisierte Wesen der Masse, die sich nichts anderes wünscht, als unterworfen zu werden."
Totale Unterwerfung und hemmungslose Mordlust gehen Hand in Hand. Fred Wander wittert die Gefahr: Über die Berge flüchtet der junge Mann in die Schweiz. Von dort geht es weiter nach Frankreich. Es folgen: entbehrungsreiche Emigrantenjahre in Paris und andernorts, diverse Internierungslager, schlussendlich die Deportation nach Auschwitz.
Es gibt Passagen in Wanders Lebenserinnerungen, deren Lektüre nur schwer zu ertragen ist.
"Die Fahrt nach Auschwitz dauerte ungefähr eine Woche. (...) Es gibt keine Worte, das zu beschreiben. Der Zug war sehr lang, vielleicht vierzig Waggons für je siebzig, manchmal neunzig Menschen. Wie das Vieh, wenn es zum Schlachthof gefahren wird. Für die Wegzehrung hatte jeder ein Stück Brot bekommen und dann noch eine Tüte mit überreifen Birnen - von den Leuten vom Roten Kreuz, die sich Zutritt zum Lager verschafft hatten, aber nichts für uns tun konnten! Für die Notdurft hatten wir eine leere Konservendose. Bald hatten wir nichts mehr zu essen und zu trinken, wir trockneten aus. (...) In der ersten Nacht hatte ein älterer Mann eine Packung Tabletten geschluckt. Bald darauf rief er mit erstickter Stimme nach Wasser, kippte zur Seite, starb. Jemand betete laut. Jemand redete im Schlaf. Eine junge Frau begann im Dunkeln gellend zu schreien. Die meisten aber schwiegen und dämmerten vor sich hin. (...) Bis auf die Mütter, die verzweifelt nach Wasser für ihre Kinder riefen. Niemand hörte sie."
Und dann Auschwitz. Buchenwald. Fred Wander überlebt, durch Glück, wie er betont. Die Rückkehr nach Wien wird zum Schock. Fritz Rosenblatt, wie er sich damals noch nannte, muss erkennen, dass die Mentalitäten, die Hitler ermöglicht haben, nicht über Nacht verschwunden sind.
"Als ich 1945 aus Buchenwald zurückkam, musste ich eines Tages zum Zahnarzt. Ich sitze mit 30 Leuten im Wartezimmer - und werde aufgerufen: 'Herr Rosenblatt!' Alle haben mich angestarrt. Ich konnte den Gesichtern der Leute ansehen, was sie gedacht haben: 'Was? Herr Rosenblatt? Ein Jud’? Der lebt noch? Unglaublich! Den haben sie nicht vergast?'"
Fritz Rosenblatt ändert seinen Namen. Fred Wander nennt er sich fortan. Er möchte Österreich verlassen, möchte in die Vereinigten Staaten auswandern, irgendwie bleibt er dann doch hängen in diesem "Land des Hasses", wie er es nennt. 1947 tritt er in die KPÖ ein, fängt für kommunistische Zeitungen zu arbeiten an, heiratet seine erste Frau Ottilie, wird Vater.
Im Dezember 1952 lernt er auf dem so genannten Völkerkongress für den Frieden im Wiener Konzerthaus Elfriede Brunner kennen, eine temperamentvolle junge Frau, 16 Jahre jünger als er. Elfriede, die Tochter einer kommunistischen Arbeiterfamilie, ist damals gerade 20, Fred 36. Die beiden verlieben sich ineinander, werden ein Paar, heiraten. Unter dem Namen "Maxie Wander" wird die junge Frau später selbst eine kurze, beachtliche Karriere als Schriftstellerin machen.
"Maxie gehörte zu jenen seltenen Menschen, die, wenn sie hereinkommen, das Licht verändern und eine Atmosphäre des naiven Staunens und der Freude verbreiten, ohne sich dessen bewußt zu sein."
Ein Stipendium für das Johannes-R.-Becher-Institut in Leipzig veranlasst Fred Wander, in den Osten Deutschlands zu übersiedeln. Maxie folgt ihm nach. Ohne es recht geplant zu haben, beginnen sich die beiden in der DDR eine Existenz aufzubauen.
"Ich bin zu einem Verlag gegangen, und die haben mir sofort einen Vertrag gegeben. Das Buch ist binnen kürzester Zeit erschienen, ich habe sofort Geld bekommen und hatte auch gleich einen Vertrag für das nächste Buch in der Tasche. Und so bin ich 30 Jahre in der DDR geblieben, weil ich ein Buch nach dem anderen geschrieben und immer sofort einen Vertrag für das nächste bekommen habe."
Natürlich sahen Fred und Maxie Wander, daß die real existierende DDR alles andere war als das Gelobte Land der Werktätigen. Die grauen, provinziellen Städte, die langen Schlangen vor den Restaurants, das muffige Verkaufspersonal in den Geschäften, die allenthalben herrschende Atmosphäre von Opportunismus und Duckmäusertum, das alles blieb den Wanders nicht verborgen. Dennoch wahrte man Solidarität.
"Warum sind wir dort geblieben? Weil die IDEE gut war, wie kurz nach dem Krieg viele der bedeutendsten Denker und Schriftsteller glaubten - von Sartre bis Brecht, von Bloch bis Arthur Miller. Weil wir lange nicht begreifen wollten, daß Menschen, die sich im Widerstand gegen Hitler stark, mutig und moralisch verhielten, plötzlich zu blinden Handlangern und Funktionären werden konnten."
Was neu ist an Fred Wanders Erinnerungen, deren erste Fassung ja vor zehn Jahren bereits im Hanser-Verlag erschienen ist? Zunächst eine Passage über die Stasi-Akte des Schriftstellers, die er 2001 eingesehen hat. Da erfuhr Wander zu seinem Entsetzen, dass Erich Mielkes Staatssicherheit ihn bis 1977 als Inoffiziellen Mitarbeiter geführt hat. Der Grund: Dreimal hat sich Wander ausführlich mit einem Stasi-Mitarbeiter namens Karl unterhalten, über kulturpolitische Fragen, wie Wander betont. Dass Karl ihn zum IM machte, will der Schriftsteller nicht gewusst haben. Neu sind auch einige kürzere Kapitel über das Leben des Autors in Wien: 1982 ist Fred Wander wieder in seine Geburtsstadt übersiedelt. Nach dem frühen Tod Maxies hat er auch wieder geheiratet, Susanne Wedekind, eine Herzensfreundin aus Berliner Tagen.
Dass Wanders Bücher jetzt, da er fast 90 ist, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich wieder entdeckt werden, stimmt den Schriftsteller - beinahe - versöhnlich mit seinem Geburtsland.
"Nachdem ich 20 Jahre hier lebe, fängt man jetzt an, mich zu entdecken. Ich lebe noch, ich bin noch einigermaßen gesund und bei Bewusstsein, und ich freue mich riesig, dass man mich jetzt entdeckt."
Fred Wanders Autobiografie bietet einen bewegenden, einen notwendig auch lückenhaften Einblick in das Leben eines Mannes, der in einem Ausmaß Zeuge des Jahrhunderts war, auf das er selbst wohl gern verzichtet hätte. Wanders Haltung am Ende seines Lebens: stoisch, gelassen, vielleicht sogar - versöhnt.
"Alt werden heißt verzichten lernen und verschenken, um die Welt wunschlos zu betrachten. Loslassen, sage ich zu mir selbst, was äußerst beruhigend wirkt... Das Denken an den Tod stimmt mich heiter. Und das Wissen um den Hunger meiner Jugend und den Hunger in der Welt gibt dem Brot, das ich esse, einen kräftigen Geschmack. Ich bin unterwegs, mein Gepäck ist leicht."