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"Das hat in den USA für einen wirklichen Schock gesorgt"

IT.- Chinas Supercomputer Tianhe-1A hat offenbar der Cray T5 aus den USA den Rang abgelaufen. Im Interview mit Manfred Kloiber berichtet der Wissenschaftsjournalist Peter Welchering über die Einzelheiten.

    Manfred Kloiber: Zweimal im Jahr geben die Computerwissenschaftler Hans Meuer und Jack Dongarra die Top-500-Liste mit den schnellsten Computern der Welt bekannt, immer im Juni und im November. Wenige Wochen vor der Herbstausgabe der Liste der schnellsten Supercomputer beansprucht nun China für den Tianhe-1A das Siegerpodest auf der Top-500-Liste und verdrängt damit den bisherigen Platzhirschen die Cray T5. Wie ist das in den Vereinigten Staaten aufgenommen worden, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Das hat in den USA für einen wirklichen Schock gesorgt. Und das vor allen Dingen jetzt, mitten im Kongresswahlkampf. Und es war sofort in den USA vom Computenik-Schock die Rede, also das sind Anspielungen auf den Sputnik-Schock des Jahres 1957. Damals hatten ja die Russen den Amerikanern die Führungsrolle in der Weltraumforschung abgenommen. Und heute, so wird gesagt, heute hätten eben die Chinesen den Amerikanern die Führungsrolle im Supercomputing abgenommen. Und Jack Dongarra, einer der Initiatore der Top-500-Liste, findet das auch durchaus ein vergleichbares Ereignis. Er wird demnächst einige Auftritte vor dem US-Kongress haben. Denn die Kongressabgeordneten, klar, mitten im Wahlkampf jetzt in den USA, haben den chinesischen Sieg bei den Supercomputern natürlich sofort aufgenommen und auch gleich gefordert, es müsse unbedingt wieder ein US-Supercomputer auf der Platz eins der Liste.

    Kloiber: Die Benchmark-Tests, also die Vergleichtests in der Leistung für die Top-500-Liste werden in den nächsten Tagen angeworfen. Wie wahrscheinlich ist es denn, dass sich Cray doch den Platz eins sichern kann?

    Welchering: Ja, da muss man sehen, Tianhe-1A hat es auf der Supercomputermesse in Peking auf 2,5 Petaflops gebracht. Das sind 2,5 Billiarden Rechenoperationen in der Sekunde. Und Cray mit dem bisherigen Erstplatzierten auf der Top-500-Liste, die Cray T5, auch Jaguar genannt, stand in den das Oak Ridge Laboratorys, die liegt eben bei 1,7 Petaflops. Also wir haben es hier schon mit einer beträchtlichen Differenz zu tun, immerhin 800 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde liegen zwischen den beiden. Und da muss sich Cray ganz schön sputen, wenn das in nur zwei Wochen aufgeholt werden soll. Die Chance, dass tatsächlich jetzt im November der chinesische Milchstraßenrechner auf Platz eins der Top-500-Liste stehen wird, ist sehr groß. Denn Tianhe heißt übrigens übersetzt Milchstraße. Und der Name Tianhe-1A steht dann auch für den Anspruch der chinesischen Supercomputer-Entwickler, den schnellsten Rechner der Milchstraße gebaut zu haben, nicht nur der Erde.

    Kloiber: Wer genau hat denn diesen schnellsten chinesischen Supercomputer entwickelt?

    Welchering: Also entstanden ist er an der Staatsuniversität für Verteidigungstechnologie, aber er ist gebaut worden mit Unterstützung des amerikanischen Grafikchipherstellers NVidia, das heißt, es steckt amerikanische Technologie dahinter. Nur eben konzipiert und zusammengebaut wurde er eben an der Staatsuniversität für Verteidigungstechnologie und die haben auch gleich eine Rechnerhalle, eine ganz neue, dahingestellt von 700 Quadratmetern und der Tianhe-1A braucht vier Megawatt Strom, also insgesamt ist das ein wirklicher Energiesparer, und er wurde vor allen Dingen für Anwendungen der Strömungsmechanik entwickelt. Und das hat damit zu tun, dass die chinesischen Wissenschaftler ein Projekt mit sehr komplizierten Simulationsgleichungen bearbeiten wollen und müssen. Und dabei handelt es sich um die bessere Energieausbeute am Dreischluchtenstaudamm. Da sollen ja, am Dreischluchtenstaudamm, die Turbinen zum einen viel mehr Strom erzeugen als das bisher der Fall ist. Da liegen die noch weit unter Durchschnitt. Zum anderen soll die Wartungsanfälligkeit der Turbinen verringert werden. Und das heißt, man braucht sehr genaue Angaben über die Strömungsmechanik in den Turbinen, um beispielsweise Wirbel auszuschalten. Denn Wirbel sorgen immer für einen unrunden Lauf und für eine sehr, sehr hohe Wartungsanfälligkeit. Und diese Simulationen sollen mit dem Tianhe-1A gefahren werden. Da aber natürlich der Superrechner an der Staatsuniversität für Verteidigungstechnologie steht, ist auch sofort der Verdacht aufgekommen, dass eben Tianhe auch für die Entschlüsselung von verschlüsselten Dateien, zum Beispiel Mails oder anderen Dokumenten eingesetzt wird. Und man muss eines sehen: Supercomputer dieser Art sind eine der gefährlichsten Angriffswaffen im digitalen Krieg, denn etwa Denial-of-Servcie-Attacken oder solche Brut-Force-Angriffe auf fremde Rechner, um die zu hacken, um da rein zu kommen, mit einem Supercomputer vorzunehmen, der 2,5 Billiarden Gleitkommarechnungen pro Sekunde ausführen kann, das bringt natürlich richtig Erfolgserlebnisse.

    Kloiber: Wie wird es denn weitergehen, Herr Welchering, im Wettlauf um den Platz 1 der Top-500-Liste?

    Welchering: Naja, eine wesentliche Bedeutung wird dabei Jack Dongarra haben. Das hat er ja im Jahr 2002 schon einmal bewiesen. Damals hat er einen sehr cleveren Job als Wissenschaftspolitiker gemacht. Denn damals, 2002, hatte ja der japanische Earthsimulator den ersten Platz auf der Top-500-Liste gemacht. Auch damals ist vom Computenik-Schock die Rede gewesen und da hat Dongarra einige Millionen Dollar Forschungsgelder im Kongress ganz plötzlich direkt loseisen können. Und diese Forschungsgelder haben dann letztlich dazu geführt, dass Cray wieder einen guten ersten Platz behaupten konnte und die IBM mit ihren Supercomputern direkt aufschließen konnte. Und schon heute haben ja einige Kongressabgeordnete gesagt, dass die USA unbedingt in den Supercomputerwettlauf mehr investieren müssen. Also ich rechne damit: Jack Dongarra wird in den nächsten Wochen wieder seine Tour durch den Kongress machen, seine berühmten Reden vor dem Kongress halten und das Oak Ridge National Laboratory wird dann sehr schnell ein Millionen schweres Programm in der Supercomputerforschung bekommen und dann wird auch bald wieder ein US-amerikanischer Rechner auf Platz eins der Top-500-Liste stehen.