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Das Haus der verlassenen Kinder
Ein Kinderheim in Rumänien

Seit mehr als 20 Jahren betreibt Sybille Hüttemann-Boca ein Kinderheim in Rumänien. Kurz nach der Revolution ist die deutsche Kinderkrankenschwester zum ersten Mal nach Rumänien gereist - die schrecklichen Bilder aus den Heimen der Ceausescu-Diktatur vor Augen. Was eigentlich nur als Spenden- und Hilfsaktion gedacht war, ist zu ihrem Lebensprojekt geworden.

Von Leila Knüppel und Manfred Götzke | 13.01.2018
    Kinder des Heims "Stern der Hoffnung" spielen mit dem Hund Blacky.
    Während die anderen Kinder des Heims "Stern der Hoffnung" noch Hausaufgaben machen, spielen die dreijährige Diana und Cosmin mit dem Hund Blacky. (Leila Knüppel)
    Erst kümmerte sie sich um misshandelte und verwahrloste behinderte Kinder, später betreute sie Straßenkinder in Bukarest. Sie lebte Monate mit ihnen zusammen, um ihr Vertrauen zu gewinnen, gründete schließlich für sie ein Kinderheim.
    Mittlerweile leben Kinder mit ganz unterschiedlichen Problemen in dem Heim "Stern der Hoffung" in der westrumänischen Stadt Alba Iulia. Einige von ihnen wurden von ihren Eltern zurückgelassen, weil diese zum Geld verdienen ins Ausland gegangen sind: EU-Waisen. Andere kommen aus Familien, in denen extreme Armut, Alkohol und Gewalt zum Alltag gehören. Und so war und ist das Kinderheim auch ein Spiegel der sozialen Verhältnisse in Rumänien.
    Christiana zeigt Reporter Manfred Götzke ihr Schulabschluss-Heft. Weil ihre Mutter zum Arbeiten nach Spanien gegangen ist, ist Christiana im Kinderheim
    Mama arbeitet im Ausland
    Europa produziert Waisenkinder. Die bittere Armut zwingt Familien in Rumänien, ihre Kinder in fremde Hände zu geben. Denn Arbeit gibt es nur jenseits der Grenze. Wer Pech und keine Verwandtschaft hat, landet als sogenannte Euro-Waise in einem Heim.

     In diesem ehemaligen Kinderheim für behinderte Jungen im rumänischen Dorf Coltesti wurden die Kinder während der Ceaușescu-Zeit unter unmenschlichen Umständen
    Das Grauen der Ceaușescu-Zeit
    Mit Worten lässt sich das Elend nicht beschreiben, das während der Ceaușescu-Diktatur herrschte. Behinderte Kinder, eingesperrt, verwahrlost hinter Gittern. Viele starben, weil sie nicht ins Konzept der sozialistischen Familienpolitik passten.

    Annas Töchter spielen vor der Haustür der kleinen zusammengezimmerten Hütte. Essen gibt es selten, immerhin: Es regnet nicht mehr durch das Dach.
    Hungern mitten in Europa
    Die Wirtschaft in Rumänien boomt - trotzdem lebt rund ein Viertel der Bevölkerung unter "erheblichen materiellen Entbehrungen", wie es heißt. Viele Familien wissen nicht, wie sie ihre Kinder ernähren sollen - so wie die dreifache Mutter Anna.
    Ein altes Schwarz-Weiß-Foto zeigt Kinderheimleiterin Sibylle Hüttemann mit Straßenkindern am Bukarester Nordbahnhof.
    Von der Straße in die Geborgenheit
    Die Kinder vom Bukarester Bahnhof hatten Glück: Anfang der 90er-Jahre kam eine junge Krankenschwester aus Deutschland, mit Spenden in der Tasche und dem Willen anzupacken. So keimte, mitten im Elend, die Hoffnung auf ein besseres Leben.

    Die Kinder des Heims Stern der Hoffnung im rumänischen Alba Iulia beim gemeinsamen Singen
    Happy End für Mircea
    Es hätte anders kommen können. Als der Junge Mircea im Heim landete, weil die Eltern sich nicht kümmerten, war das für ihn eine Chance. Aus dem Heimkind wurde ein Arzt mit eigener Praxis, aus der Not ein Lebensentwurf.