Die Experimentierhalle ist riesig, sie beherbergt mehrere Messstände. An einem davon - einem 20 Meter langen, U-Boot-ähnlichen Metalltank - hat Phil Callow sein Experiment gemacht. Jetzt steht der Physiker ein paar Meter vom Tank entfernt vor einem Sicherheitszaun. Ein Warnzeichen leuchtet, ein am Zaun befestigter Geigerzähler tickt.
"Die Messstände hier haben einen unglaublich hohen Neutronenfluss. Die Neutronen kommen von nebenan, aus dem leistungsfähigsten Forschungsreaktor der Welt. Im Prinzip könnten die Proben, die wir mit den Neutronen bestrahlen, radioaktiv werden. Deshalb nehmen wir jedes Mal, wenn wir die Proben auswechseln, einen Geigerzähler mit, um sicherzugehen, dass sie nicht zu stark radioaktiv geworden sind."
Hier, am europäischen Forschungsreaktor ILL in Grenoble, haben Callow und seine Kollegen vor Kurzem eine besondere Probe mit Neutronen durchleuchtet. Ihr Name: Pyruvatdehydrogenase-Komplex, kurz PDC. Ein Konglomerat aus 60 Proteinmolekülen, geformt wie ein Fußball. Ein molekularer Riese, fast so groß wie ein Virus, im Körper zuständig für einen wichtigen Stoffwechseljob.
"Wenn Sie Zucker essen, etwa in Form eines Schokoriegels, dann stellt sich in Ihrem Körper irgendwann die folgende Frage: Was soll mit der Energie, die der Zucker enthält, passieren? Soll sie unmittelbar verbraucht werden, etwa von den Muskeln? Oder soll sie gespeichert werden, und zwar in Form von Fett? Bei genau dieser Frage spielt der Proteinkomplex PDC eine zentrale Rolle."
Länger schon war bekannt, dass PDC aus zwei verschiedenen Proteinsorten besteht. Sorte A scheint im Wesentlichen das Gerüst des molekularen Fußballs zu bilden. Sorte B dagegen greift aktiv in den Zuckerstoffwechsel ein und hilft dabei, den Zucker schnell zu verbrennen und den Körper mit Energie zu versorgen. Offen jedoch war die Frage, wie im Detail das Fußballmolekül aufgebaut ist.
"Keiner wusste so genau, wie viel von jeder Sorte es im Proteinkomplex gibt: Sind es 48 von Sorte A und 12 von Sorte B? Oder 40 von A und 20 von B?"
Um die Frage zu klären, griffen Phil Callow und seine Kollegen zu einem raffinierten Trick: In einer der beiden Proteinsorten tauschten sie den Wasserstoff aus durch Deuterium, quasi einen schweren Bruder von Wasserstoff. Das Entscheidende dabei: Deuterium lenkt die Neutronen aus dem Reaktor deutlich stärker ab als Wasserstoff. Dadurch lassen sich Proteine mit Deuterium klar unterscheiden von Proteinen mit Wasserstoff.
"Wir haben eine der beiden Proteinsorten, aus denen der PDC-Fußball besteht, mit Deuterium markiert, die andere Sorte blieb unmarkiert. Als wir die Fußballmoleküle dann in unseren Neutronenstrahl hielten, konnten wir erkennen, wie viele Proteine einer jeden Sorte im Fußball steckten und wie sie dort angeordnet waren."
Das Ergebnis überraschte: Die Fußbälle sind nicht etwa einheitlich aufgebaut, bestehen also nicht aus einer festen Anzahl von Proteinsorte A und Proteinsorte B. Stattdessen schwankt ihre Zusammensetzung: Manche PDC-Komplexe bestehen ausschließlich aus Sorte A, andere dagegen aus einem Gemisch - wobei das Verhältnis zwischen beiden Sorten variiert. Und das bedeutet: PDC scheint im Körper den Zuckerstoffwechsel zu steuern, indem es seine eigene Zusammensetzung schnell ändert. Dadurch kann es sofort auf rapide Änderungen des Blutzuckerspiegels reagieren. Bei hohem Spiegel wächst die Zahl der Proteinsorte B, also jener Sorte, die hilft, den Zucker zu verbrennen, statt ihn als Fett zu speichern. Bei fallendem Zuckerspiegel dagegen dominiert Sorte A. Der Stoffwechselumsatz nimmt ab. Eine Grundlagenerkenntnis, die - so hoffen die Forscher - das Verständnis von Diabetes und anderen Stoffwechselerkrankungen verbessern soll.
"Die Messstände hier haben einen unglaublich hohen Neutronenfluss. Die Neutronen kommen von nebenan, aus dem leistungsfähigsten Forschungsreaktor der Welt. Im Prinzip könnten die Proben, die wir mit den Neutronen bestrahlen, radioaktiv werden. Deshalb nehmen wir jedes Mal, wenn wir die Proben auswechseln, einen Geigerzähler mit, um sicherzugehen, dass sie nicht zu stark radioaktiv geworden sind."
Hier, am europäischen Forschungsreaktor ILL in Grenoble, haben Callow und seine Kollegen vor Kurzem eine besondere Probe mit Neutronen durchleuchtet. Ihr Name: Pyruvatdehydrogenase-Komplex, kurz PDC. Ein Konglomerat aus 60 Proteinmolekülen, geformt wie ein Fußball. Ein molekularer Riese, fast so groß wie ein Virus, im Körper zuständig für einen wichtigen Stoffwechseljob.
"Wenn Sie Zucker essen, etwa in Form eines Schokoriegels, dann stellt sich in Ihrem Körper irgendwann die folgende Frage: Was soll mit der Energie, die der Zucker enthält, passieren? Soll sie unmittelbar verbraucht werden, etwa von den Muskeln? Oder soll sie gespeichert werden, und zwar in Form von Fett? Bei genau dieser Frage spielt der Proteinkomplex PDC eine zentrale Rolle."
Länger schon war bekannt, dass PDC aus zwei verschiedenen Proteinsorten besteht. Sorte A scheint im Wesentlichen das Gerüst des molekularen Fußballs zu bilden. Sorte B dagegen greift aktiv in den Zuckerstoffwechsel ein und hilft dabei, den Zucker schnell zu verbrennen und den Körper mit Energie zu versorgen. Offen jedoch war die Frage, wie im Detail das Fußballmolekül aufgebaut ist.
"Keiner wusste so genau, wie viel von jeder Sorte es im Proteinkomplex gibt: Sind es 48 von Sorte A und 12 von Sorte B? Oder 40 von A und 20 von B?"
Um die Frage zu klären, griffen Phil Callow und seine Kollegen zu einem raffinierten Trick: In einer der beiden Proteinsorten tauschten sie den Wasserstoff aus durch Deuterium, quasi einen schweren Bruder von Wasserstoff. Das Entscheidende dabei: Deuterium lenkt die Neutronen aus dem Reaktor deutlich stärker ab als Wasserstoff. Dadurch lassen sich Proteine mit Deuterium klar unterscheiden von Proteinen mit Wasserstoff.
"Wir haben eine der beiden Proteinsorten, aus denen der PDC-Fußball besteht, mit Deuterium markiert, die andere Sorte blieb unmarkiert. Als wir die Fußballmoleküle dann in unseren Neutronenstrahl hielten, konnten wir erkennen, wie viele Proteine einer jeden Sorte im Fußball steckten und wie sie dort angeordnet waren."
Das Ergebnis überraschte: Die Fußbälle sind nicht etwa einheitlich aufgebaut, bestehen also nicht aus einer festen Anzahl von Proteinsorte A und Proteinsorte B. Stattdessen schwankt ihre Zusammensetzung: Manche PDC-Komplexe bestehen ausschließlich aus Sorte A, andere dagegen aus einem Gemisch - wobei das Verhältnis zwischen beiden Sorten variiert. Und das bedeutet: PDC scheint im Körper den Zuckerstoffwechsel zu steuern, indem es seine eigene Zusammensetzung schnell ändert. Dadurch kann es sofort auf rapide Änderungen des Blutzuckerspiegels reagieren. Bei hohem Spiegel wächst die Zahl der Proteinsorte B, also jener Sorte, die hilft, den Zucker zu verbrennen, statt ihn als Fett zu speichern. Bei fallendem Zuckerspiegel dagegen dominiert Sorte A. Der Stoffwechselumsatz nimmt ab. Eine Grundlagenerkenntnis, die - so hoffen die Forscher - das Verständnis von Diabetes und anderen Stoffwechselerkrankungen verbessern soll.