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Das Internet des Stroms

Deutschland droht eine Stromlücke. Fast ein Drittel der Kraftwerke müssen in den nächsten Jahren abgeschaltet werden. Dazu kommt noch der Atomausstieg. Neue Kraftwerke werden aber kaum gebaut - Import scheint unausweichlich. Wirklich?

Von Sönke Gäthke |
    Nein, sagen Experten von Universitäten und Verbänden. Im Stromnetz kann noch viel Energie gespart werden; Strom, der nicht erzeugt werden muss, wenn Verbrauch und Gewinn von Energie besser aufeinander abgestimmt werden als bisher. So gut, dass große Kraftwerke, die rund um die Uhr laufen, nicht mehr notwendig sind.

    "Man kann das Internet teilweise als Beispiel des künftigen Stromnetz sehen, weil wir auch verteilte Erzeuger haben, genauso, wie wir auch verteilte Rechner haben im Netz,"

    "Das Stromnetz wird zum Strom-Internet ... ?"

    "... es gibt durch das Internet der Energie, das wir etablieren wollen, ..."

    "... einen durchgängigen Informationskanal ... "

    "... Informationskanal von der Erzeugung in einer bestimmten Windmühle zu einem bestimmten Kunden, ... "

    "das ist eine Symbiose zwischen Prozess, Energietechnik und IT, ... "

    "... die Verbraucher effizient steuern können, "

    "... also wir werden hier massiv Energie sparen können."

    "Durch das Internet... "

    "... des Stroms ... "

    "...Werden wir massiv Energie sparen können. "

    ".. wir werden in Zukunft ... "

    "... auch die Kleinaggregate, spricht die Kraft-Wärme-Kopplungs-Aggregate vernetzten... "

    "... sehr kleine Einheiten in Form von Brennstoffzellen oder Mikroturbinen... "

    "...in Zukunft zehn oder Hunderttausende Einzelaggregaten so steuern... "

    "so steuern, dass sie in den Zeiten produzieren, in denen der Bedarf da ist. "

    Durch das Internet des Stroms werden wir massiv Energie sparen können.

    "Was? "

    Durch das Internet des Stroms werden wir massiv Energie sparen können.

    "Was?"

    Massiv Strom sparen! Durch dezentrale Energieversorgung, Vernetzung, Kommunikation – durch alles, was das Internet auszeichnet. Das können wir im Stromnetz auch machen.

    "Aber wie?"

    Ja, gern. Also - als erstes bauen wir die dezentralen Energieversorger aus, dann vernetzen wir Verbraucher mit Versorgern, und als drittes erweitern wir unser Rückgrat, das Stromnetz. Dann elektrifizieren wir noch den Verkehr, vernetzen die Haushaltsgeräte, und ...

    "Du .. ich meine, Sie... "

    Ich werde Sie führen.

    "Äh ... Ja? "

    Ja. Erste Station also – Die Vernetzung der Erzeuger.

    "Am einfachsten über ein virtuelles Kraftwerk. Dann können Sie den Fahrplan garantieren, aber sie können auch Prognosen machen. Und dann ist die Frage, wer die Strafe zahlt. Nun ist der Glücksfall, das wir hier in der Nachbarschaft das Pumpspeicherwerk haben, so das wir die unstete Windenergie damit vergleichmäßigen können Das ist ja die Anlage 25 hier, für die vielen Besucher hier, Journalisten der schreibenden Zunft und der…"

    "Man muss ganz klar sehen, der Grundgedanke dieser Kraftwerke ist man hat fluktuierende Einspeisungen, aus Wind, Wasser, Biomasse und so weiter, man hat aber auch Verbraucher, die man steuern kann, indem man die Lasten ... so dass man die Erzeugungsspitzen mildern kann, also den Lastverlauf vergleichmäßigen kann. Und als drittes Element, sind Speicher. Einfach um die Erzeugung vom Verbrauch zu entkoppeln. Indem man bei hohem Winddargebot die erzeugte Energie speichert, denn Sie müssen ja sehen, nicht ... speichert diesen Strom zwischen in einem Speicher, und entlädt diese Speicher wieder, wenn wieder höhere Last vorhanden ist, wenn auch die Strompreise höher sind, dann kann man den Strom wieder verkaufen."

    "Das läuft vollautomatisch, dass heißt, wir werden an allen Erzeugern Messtechnik anbringen, dass heißt, wir werden messen, was gerade eingebracht wird, wir werden für jeden Erzeuger Prognosen erstellen, diese Informationen laufen zusammen, dort haben wir ... gewissen Vorgaben einen optimalen Energiemix dann berechnet und die Anteile der Einzelnen Erzeuger dann als Sollwerte wieder an die einzelnen Anlagen herausgibt, die sich dann daran halten müssen."

    "Dass dann auch den Ausgleich machen könnte, so dass wir erstmals in der Lage wären, Windstrom auch zu nutzen, wenn gar kein Wind weht. Ist ja das Prinzip – es sind..."

    "Der erste Schritt zur Vernetzung der Erzeuger bedeutet dass zum Beispiel die Windturbinen vernetzt werden – im Moment Laufen die meisten ungesteuert und das kann dazu führen, das bei Engpässen im Netz diese Maschinen einfach abgeschaltet, werden, was in der Regel nicht notwendig wäre."

    "Und dafür haben wir die Anlage so ein bisschen eingerichtet. Ist also ein Tisch drinne, normalerweise auch eine Tischdecke drauf, und ein bisschen Kunstrasen, damit es hier also ein bisschen schick ist, da gibt es auch einen Kühlschrank, da ist ein bisschen was zu trinken drinne."

    Das hier ist das Windrad 25 auf dem Druiberg bei Dardesheim. Thomas Radach - der mit den kurzen, schwarzen Haaren da - hat gerade die Tür zum Turm aufgeschlossen. Seine Eltern haben hier das erste Windrad aufgestellt, heute wartet der Sohn die Anlagen vom Energiepark Druiberg. Hat einen gewissen Humor... Das Windrad wird bald Teil eines großen Kombikraftwerks werden. Wie die anderen hier.

    "Dafür müssen die Anlagen doch aber vernetzt werden."

    Oh, ja. Aber das ist kein Problem. Thomas muss schon lange nicht mehr herumfahren, um nach den Anlagen zu sehen.

    "Das kann man machen, das kann man aber auch elektronisch über seinen Rechner, als aus dem Büro abwickeln."

    "Also vernetzt sind die Windräder schon."

    Korrekt. Jetzt müssen wir die Daten nur noch einer Steuerzentrale geben.

    "Windig. Das da hinten sieht aus wie der Brocken..."

    Oh ja! Die Stadt Dardesheim liegt im Landkreis Harz, hat 900 Einwohner, und mehr Strom durch Windräder als sie verbrauchen können. Deshalb wollen die Windparkbetreiber auch die Anlagen vernetzen. Und den ganzen Kreis mit Strom versorgen. Mit diesem Projekt haben sie die Ausschreibung des e-energy Projekts der Bundesregierung gewonnen – als einziges ostdeutsches Projekt übrigens!

    "Dardesheim – Stadt der Erneuerbaren Energien also…"

    So nennen sie sich.

    Das ist die Biogasanlage im Nachbardorf Zilly. Die kommt auch ins Energienetz. Der kleine Mann da, der gerade vom Radlader steigt, ist Lothar Pitschak.

    "Also wir füllen hier Mais ein, wir füllen hier am Tag für 27 bis 30 Tonnen Mais ein, und die werden eben dann umgesetzt in den Biologischen Prozess."

    "Machen Sie nur Mais?"

    "Und Gülle. Aus dem Stall, also so fünf bis sieben Kubikmeter am Tag. Und damit wird dann im Prinzip die Maschine mit betrieben. Das ist ein zwölf Zylinder Gasmotor, ganz normal mit Zündkerzen, eigentlich, und da ist ein 500 KW Generator dran."

    "Läuft der rund um die Uhr?"

    "Läuft 24 Stunden, und 365 Tage, wenn... Es ist ja nichts anderes, ne Betonkuh. Was anderes ist es ja nicht."

    Die Leute gefallen mir hier.

    "Hier übrigens, hier oben drüber, hat unser Stadtorchester, ich hatte' schon gesagt, dreifacher deutscher Meister, ihre Übungsräume, hier unten ist die Feuerwehr drin, ja, und hier fahr ich mal über einen fremden Hof, hier können sie mal sehen, wo eine riesige Dachfläche mit Solar-Photovoltaik hier ist."

    Rolf Dieter Künne, ehemals Elektromeister, heute Bürgermeister der Stadt; Siebzig Jahre und beseelt von dem Projekt. Wie alle anderen hier übrigens...


    "So, und hier ist die riesige Dachfläche"

    Bartels:

    "100 kW installierte Leistung – Und aus Rot ist Blau geworden, und wir nutzen diese Energie insgesamt also auch wirklich zunehmend zur Einspeisung – viele Bürger möchten das auf ihren Gebäuden auch schon haben, man kommt gar nicht damit nach, ihre Wüsche zu erfüllen."

    "Die Sonne scheint aber nicht immer. Und der Wind weht auch mal stärker mal schwächer."

    Gut beobachtet. Die Experten nennen das ein Energie-Dargebot – Sie wollen den Charakter der Anlagen damit abgrenzen zu den klassischen Generatoren, die Energie erzeugen. Wir wollen dieses Dargebot sinnvoll nutzen. Dafür müssen wir es zuverlässig planbar machen – und dafür brauchen wir als allererstes einen Speicher für den Strom.

    Bartels:

    "Nun ist der Glücksfall, das wir hier in der Nachbarschaft das Pumpspeicherwerk haben, so das wir die unstete Windenergie damit vergleichmäßigen können","

    Das ist der Wolfgang Bartels. Ein Urgestein der Windenergieszene, von Anfang an dabei. Heute wirbt er mit Engelszungen für sein Projekt – ohne ihn würden die Leute hier wohl nicht wie ein Mann hinter den Erneuerbaren stehen...

    Bartels:

    ""... so dass wir erstmals in der Lage wären, Windstrom auch zu nutzen, wenn gar kein Wind weht. Ist ja das Prinzip – es sind zwei Becken da, bei starkem Wind wird Wasser hoch gepumpt, und wenn zu wenig Wind da ist oder gar kein Wind, lässt man das Wasser wieder runter laufen über zwei schwere 40 Megawatt Turbinen, die den Windstrom dann wieder zurück gewinnen mit nur 20 Prozent Verlust, also das Pumpspeicherwerk hat einen Wirkungsgrad von 70 bis 80 Prozent."

    "Und ein Rechner überwacht dann die Stromerzeugung und den Verbrauch?"

    Und wie. In einer neuen Steuerzentrale, einer Leitwarte…

    "Das läuft vollautomatisch, dass heißt, wir werden an allen Erzeugern Messtechnik anbringen, dass heißt, wir werden messen, was gerade eingebracht wird."

    Der Kurt Rohrig von Institut für Solare Energietechnik in Kassel. Die Krawatte hat er nur um, weil er gleich auf der Messe einen Vortrag halten soll – über das e-energy Projekt in Dardesheim. Er entwickelt die Steuerung.

    "Wir werden für jeden Erzeuger Prognosen erstellen, diese Informationen laufen zusammen, dort haben wir dann ein Energiemanagement-System installiert, welches nach gewissen Vorgaben einen optimalen Energiemix dann berechnet und die Anteile der einzelnen Erzeuger dann als Sollwerte wieder an die einzelnen Anlagen herausgibt, die sich dann daran halten müssen."

    "Und die Informationen laufen über das Internet?"

    Rohrig:

    "Wir werden das zunächst über das Internet machen müssen, die Frage ist, gibt es andere Medien. Das normale Internet ist sicher ausreichend für eine Steuerung, die nicht sonderlich sicherheitssensibel sein muss. Man muss sich das nachher aber fragen, ob das wirklich machbar ist. "

    Und wenn wir Wind- und Solar- und Biogas- und Wasserkraft verwoben haben, dann kommt der zweite Schritt: Die User – also die Verbraucher - müssen nämlich auch mitmachen, damit wir so viel aus den Erneuerbaren rausholen können wie möglich. Zweite Station also: Die Vernetzung der Erzeuger.

    "Man muss ganz klar sehen, der Grundgedanke dieser Kraftwerke ist man hat fluktuierende Einspeisungen, aus Wind, Wasser, Biomasse und so weiter, man hat aber auch Verbraucher, die man steuern kann, indem man die Lasten verschiebt, in andere Zeiträume, wenn eben nicht alle ne Ruhelast haben, so dass man die Erzeugungsspitzen mildern kann, also den Lastverlauf Vergleichmäßigen kann."

    "”Yeah, we call it virtual storage, each room will have a screen on the wall, where you can enter a policy for the room. Yeah, this used to be the turbine-hall.”"

    "Wir werden die Verbraucher effizient steuern können"

    "Nehmen wir mal ein Walzwerk, ich kann aber auch ein großen Industriebetrieb dazu anhalten, dann die Produktion dann in der Zeit etwas zu verschieben und dann gerade mehr Elektrizität zu verbrauchen wenn dieser Strom auch zur Verfügung steht. Drei Gigawatt kann man durch zeitliche Verschiebung durch Wäschetrockner, Waschmaschine und Spülmaschine einfach hin- und her schieben und hätte diese drei Gigawatt dann in Deutschland einfach zu Verfügung."

    "Das bedeutet, dass die Verbraucher erstmalig Informationen zur Verfügung gestellt bekommen, wie es mit der Auslastung des Netzes aussieht."

    "Yeah, this used to be the turbine-hall, so when Risoe started it’s activties in Windenergy in the Seventies”"

    Oliver Gehrke. Der junge Doktorand am Energieforschungszentrum in Risoe bei Kopenhagen führt gerade durchs Syslab – fährt jeden Tag aus Kopenhagen mit dem Fahrrad her. Hört uns dabei vielleicht gerade. Syslab ist ein Intelligentes Ministromnetz. So könnte unsere Zukunft aussehen: Viele Rechner kontrollieren die Produktion und den Verbrauch, und schalten zur Not auch mal Heizung oder Kühlschrank aus und wieder an.

    ""Was ist denn in der weißen Baracke?"

    "”You can smell the smoke…”"

    Das sind die Büros für die Wissenschaftler – die kann das Syslab fernsteuern.

    "”Since it’s the only building in Risoe that is not on district heating, so it’s the only one which has electric heating.”"

    Zum Beispiel die Heizungen. Sie sind elektrisch; ideal für die Forscher: Sie haben alle Räume mit Sensoren gepflastert und alle elektrischen Verbraucher mit Fernsteuerungen versehen. Die werden vom Stromnetz kontrolliert.

    "Ja und wozu dann die Bildschirme an der Wand?"

    "”Each room will have a screen on the wall, where you can enter a policy for the room, so the user can set a certain policy like: I allow you to increase the temperature by one degree celsius, because I don’t care.”"

    Für den Spielraum. Beispiel: Das Zimmer soll eine mittlere Temperatur von 20 Grad haben. Der Forscher erlaubt plus-minus ein Grad. Frischt Wind auf, kann Syslab die Räume mehr heizen, um das Netz stabil zu halten. Bei Flaute können die Räume etwas auskühlen, um Strom zu sparen. Genauso funktioniert der Kühlschrank.

    "”Yeah, we call it virtual storage, because you cannot get power out of it when you need it, but you can only…”"

    Das kann natürlich nur Energie binden, nicht wieder frei geben. Aber das reicht schon, um ein kleines Stromnetz zu stabilisieren. Oder ein großes, wenn größere Verbraucher gezielt ein- oder ausgeschaltet werden – Industrieunternehmen zum Beispiel.

    Kurt Rohrig:

    "Nehmen wir mal ein Walzwerk, ich kann aber auch ein großen Industriebetrieb dazu anhalten, dann die Produktion dann in der Zeit etwas zu verschieben und dann gerade mehr Elektrizität zu verbrauchen wenn dieser Strom auch zur Verfügung steht. Und dann in der Produktion wieder etwas herunter zu gehen, wenn ich halt einen Mangel an Energie hab."

    "Ein Glück, wenn man so ein Walzwerk hat!"

    Im Landkreis Harz gibt es so eins, in Wernigerode. Und das hat bereits zu DDR–Zeiten seine Produktionszeiten nach dem Stromangebot ausrichten müssen; Rohrig und Bartels hoffen, dass es auch jetzt wieder geht – auch weil andere Fabriken wie Kühlhäuser und Aluminiumschmelzen ganz ähnlich verfahren.

    Rohrig:

    "Das wird schon gemacht, aber noch nicht im ausreichenden Maße, weil die Anreize auch noch nicht da sind."

    "Anreize wäre der Preis dann"

    "Der Anreiz ist der Preis dann, auf jeden Fall. Genauso für einen Haushalt…"

    "Einen Haushalt..."

    Natürlich.

    "Waschmaschinen, Kühlschränke und Geschirrspüler - kaum zu glauben, dass die so viel hergeben, dass man damit zuviel Wind oder Sonne ausgleichen kann."

    Aber es ist so!

    Rohrig:

    "Wir haben mal ausgerechnet, dass man bis zu drei Gigawatt – das ist die primäre Regelleistung, die so eine Region wie Deutschland zur Verfügung stellen muss…"

    Also Regelleistung, - das ist Strom, der kurzfristig erzeugt werden muss, um Engpässe zu vermeiden. Er ist sehr teuer.

    "Drei Gigawatt kann man durch zeitliche Verschiebung durch Wäschetrockner, Waschmaschine und Spülmaschine einfach hin- und her schieben und hätte diese drei Gigawatt dann in Deutschland einfach zu Verfügung."

    Und Pilotversuche gibt es schon viele.

    "Aber das virtuelle Kraftwerk greift doch ziemlich tief in die Lebensgewohnheiten der Menschen ein."

    Stimmt. Ist nicht jedermanns Sache.

    "Wir wollen den Kunden niemals gängeln, wir wollen ihm die Vorteile bieten können, die ein entsprechendes Verhalten mit sich bringt, also wenn wir Energie günstig beschaffen können wollen wir ihm dann Vorteile weiter geben können."

    "Heute interessiert das einen 08/15 Verbraucher nicht, er hat einen Strompreis über das Jahr, und er zahlt für seine Kilowattstunde einen festen Preis."

    "Dass die Europäische Union schon vor fünf Jahren die Bedeutung dieser neuen Strategie erkannt hat und die ersten Projekte erlaubt hat. Wir haben an diesen Projekten mitgemacht und die ersten Haushalte mit diesen Variablen Strompreistarifen versorgt, wo man ganz eindeutig sehen konnte, dass der Verbraucher sehr wohl in der Lage und auch willens ist, auf diese Preissignale richtig zu reagieren."

    "Man könnte das zum Beispiel eine Spülmaschine so designen, dass sie zwei Knöpfe hat, den jetzt-sofort-ich-brauch-neue-Gläser-Knopf und den laufe-in-den-nächsten-sechs-Stunden-durch–Hauptsache-es-ist-billig-Knopf."

    "Hier sind die Arbeitsplätze..."

    Andre Quadt. Der Wirtschaftsingenieur arbeitet für die Trianel. Das ist ein Stromhändler, kein Erzeuger. Im Großraumbüro hinter dieser Doppeltür sitzen tagsüber die Stromhändler vor ihren vier Monitoren, kontrollieren den Verbrauch, kaufen Strom ein. Möglichst billig.

    "Die arbeiten auch an einem Strom-Internet?"

    Natürlich. Und sie gehen dabei noch weiter als die Forscher aus Kassel oder Kopenhagen: Sie suchen eine Lösung für alle Händler und alle Verbraucher.

    Quadt:

    "Also: Sie müssen dafür sorgen, dass Ihre Kunden möglichst genauso viel verbrauchen wie Sie vorher eingekauft haben, und das ist natürlich die Herausforderung an der Stelle, die Kunden gut genug zu kennen, und Sie mit unseren Systemen, die wir planen, auch gut genug beeinflussen zu können hinsichtlich des Verbrauchs, so dass also mein Angebot und meine Nachfrage in jedem Fall zusammenpassen."

    "Das Problem haben ja wohl alle Verkäufer – wenn im Supermarkt keine Milch mehr da ist, kann man eben keine mehr verkaufen."

    Schon, nur – wenn die Händler zu wenig Strom gekauft haben, können sie nicht einfach dem Kunden den Strom abdrehen. Sie müssen nachkaufen – und das wird teuer. Das wollen die Stromhändler auf jeden Fall vermeiden.

    Quadt:

    "Und dass wollen wir schaffen über das Preissignal in der Steckdose, letztlich Kunden die Möglichkeit zu geben, sich mit ihrem Verbrauch auch einzustellen auf bestimmte Situationen in der Energieversorgung oder auch des Handels"

    "Preissignal in der Steckdose. Klingt ein bisschen nach Powerline, dem gescheiterten Internet aus der Steckdose."

    Jaaa - und nein. Powerline sollte ein Breitband-Datentransfer werden. Das Preissignal braucht dagegen nicht viel Platz, es sendet auf dem vorhandenen Frequenzband für Stromversorger. Die Daten können aber auch über das Telefon gehen oder das Internet. Der Weg ist noch offen. Viel wichtiger ist die Frage:

    "Wie kommt der Preis ins Netz."

    Bravo.

    Quadt:

    "Es gibt dann je Lieferant ein zentrales System, das also überwacht, wie ist die Auslastung, was habe ich eingekauft, wie ist der Verbrauch, und das Annahmen darüber trifft, was passiert, wenn ich bestimmte Signale absetze – das System tut das dann auch anhand einer bestimmten Optimierungsmatrix selbstständig, das kann also unter Umständen auch kein Preissignal sendet, sondern die eigene Kraftwerksscheibe hoch oder runter fahren."

    Stadtwerke betreiben oft ein Kraftwerk gemeinsam. Ihr Anteil heißt dann Kraftwerksscheibe.

    Quadt:

    "... weil das günstiger ist, wenn das Preissignal besser ist, dann wird das entsprechend an die Netzbetreiber weiter geleitet, die das dann weiter leiten zu ihren Kunden."

    Schmid:

    "Auf der Verbraucherseite wird sich einiges ändern, denn der jetzige Stromzähler ist für diese Situation ungeeignet, er muss die geänderten Preissignale in jedem Augenblick multiplizieren mit der Anzahl der verbrauchten Energie, und muss dieses Produkt dann speichern, denn das sind die Kosten, die letztlich für den Verbraucher auflaufen. Die kommen aber ohnehin"

    Die ersten elektronischen Zähler sind bereits auf dem Markt. Aber sie gefallen den Stadtwerken nicht...

    Quadt:

    "Warum wir nicht einfach losgehen und die kaufen, liegt an zwei Gründen. Zum einen: Das sind alles proprietäre Techniken. Dass heißt, wenn ich jetzt mir ein Netz ausstatte von vorne bis hinten mit Siemens–Technik, dann habe ich keine Möglichkeit, in diese Infrastruktur einen Echelon-Zähler zu integrieren, dass heißt, faktisch könnte mir dann Siemens den Preis diktieren, für das Nachkaufen von Zählern."

    Das gilt natürlich auch für die anderen Hersteller, zum Beispiel für Echelon.

    Quadt:

    "Und wir wollen also erreichen, dass wir einen gemeinsamen Standart etabliert bekommen, indem wir mit Zählerherstellern zusammenarbeiten und eine Austauschbarkeit der Zähler in den Grundfunktionen hinbekommen"

    "Eine Art offenes System also – wie Linux, ein Stromzähler–Linux."

    Bravissimo.

    Quadt:

    "Das zweite ist, die Technik, die Sie heute zur Verfügung haben, gibt keinen durchgängigen Kanal her vom Versorger bis an die Steckdose."

    Haben wir die entwickelt, kommt das Preissignal bis zur Waschmaschine.

    "Die Waschmaschine mit den zwei Knöpfen."

    Exakt. Das müssen wir aber noch viel tun – wir müssen noch die Kommunikation von Erzeuger, Stromnetz und Verbraucher entwickeln, die Sprache, mit der die Geräte sich verständigen, die Lesegeräte, die Haushaltsgeräte – aber die Aachener sind zuversichtlich, bis 2012/2013 handfeste Ergebnisse zu haben. Und bis dahin müssen wir auch die Stromnetze auf Vordermann bringen – Dritte Station also – Der Ausbau der Stromnetze.

    Andre Quadt:

    "Wir folgen also der Vision, dass wir dem Strom Informationen über den Weg des Kabels mitgeben, und auf diese Art und Weise dieses sehr abstrakte Produkt Strom differenzieren, dahin treiben, dass man sagt, es gibt durch das Internet der Energie, das wir etablieren wollen, einen durchgängiger Informationskanal von der Erzeugung in einer bestimmten Windmühle zu einem bestimmten Kunden."

    Wolfgang Glaunsinger:

    "Das ist sicherlich der Trend der Zukunft, die Dezentralisierung der Energieversorgung, indem man kleine Kraftwerkseineinheiten, die in einer Region angesiedelt sind, zusammenführt zu so genannten smart grids, und hier gibt es inzwischen... Also wir werden mit Sicherheit Energie sparen können, einfach weil wir sowohl von der Energieerzeugung energieeffiziente Erzeuger am Netz haben, wir werden die Verbraucher effizient steuern könne, das ganze System wird sicherlich trotz vermehrter Aufwendungen für die Steuerung positiv sein, also wir werden hier massiv Energie sparen können."

    Jürgen Schmid:

    "Man kann das Internet teilweise als Beispiel des künftigen Stromnetz sehen, weil wir auch verteilte Erzeuger haben, genauso, wie wir auch verteilte Rechner haben im Netz, eine Stelle lässt sich jedenfalls nicht so direkt übertragen, dass ist die physische Notwendigkeit, Energien zu übertragen. Diese Probleme haben wir nicht bei der Übertragung von Informationen im Internet, da kann ich alles durch sehr dünne Drähtchen, sogar durch Lichtleiter, also immateriell, durchleiten, das gelingt bei der Stromübertragung nicht, da brauche ich dicke, handfeste Stromleitungen."

    "Also ist das Internet nicht direkt mit dem Stromnetz zu vergleichen – selbst wenn Daten über die Kabel fließen, die Energie wie beim Internet dezentral eingespeist wird."

    Exaktemundo.

    "Aber so schwierig dürfte es kaum sein, handfeste Stromkabel aufzuhängen. Schließlich gibt es ja bereits eine Menge davon."

    Das ist gut. Die Schwierigkeit liegt woanders: Das Stromnetz ist in mehrere Ebenen unterteilt. Hierarchische Ebenen, wie das Straßennetz: Es gibt Autobahnen, Fernstraßen, Landstraßen und die Innerortwege. Die Autobahnen verteilen den Strom im ganzen Land – sie verbinden die dezentralen Netze. Ohne sie geht es nicht.

    Wolfgang Glaunsinger:

    "Ein dezentrales Netz ohne die überlagerten Transportnetze funktioniert nicht. Warum nicht? Weil Sie eben bei der dezentralen Energieversorgung immer gewisse Unsicherheiten haben, und um ein sicheres, stabiles, dezentrales Energienetz betreiben zu können, brauchen sie einfach dieses Übertragungsnetz als Absicherung."

    "Aber das gibt es doch auch schon."

    Oh ja! Aber der Verkehr auf den Autobahnen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Es ist kaum noch Platz auf den Kabeln, den Fahrbahnen. Also: Wir müssen neue Kabel bauen. Und selbst die schützen uns nicht vor Geisterfahrern – Geisterstrom. Auf den Autobahnen gibt es nämlich keine Spuren für den Gegenverkehr, Strom fließt immer von oben nach unten - aber jetzt könnte es auch vorkommen, dass Strom von unten nach oben will. Das darf er nicht, dafür sind die Sicherungen nicht gedacht.

    Antje Orths:

    "Wir hatten vor einigen Jahren den Fall, dass im Süden Dänemarks ein Fehler im Hochspannungsnetz gewesen ist, woraufhin im Norden Dänemarks einige Blockheizkraftwerke ausgefallen sind, was wir uns erst einmal nicht erklären konnten, und aus dieser Geschichte ist dann entstanden, dass man sich auch auf untergeordneten Spannungsebenen kümmern muss."

    Wolfgang Glaunsinger:

    "Das fängt damit an, dass Sie den Übertragungsnetzbetreibern viel mehr Informationen aus den unterlagerten Netzen geben müssen, Sie müssen der Netzführung auch mehr Steuerungs-, Eingriffsmöglichkeiten in diese unterlagerten Netzebenen geben. Die sind ja heute nicht gegeben, das heißt, Sie brauchen mehr Informationen, Smart Transmission Networks."

    "Das Stromnetz entwickelt sich also in zwei Richtungen: Es wird dezentral, gleichzeitig werden die Strom-Autobahnen erweitert und mit mehr Intelligenz verknüpft. Das scheint mir ein großer Aufwand zu sein."

    Und: Es wird teuer. Aber Wissenschaftler wie Händler sind überzeugt, dass das Geld gut angelegt ist.

    Wolfgang Glaunsinger:

    "Also wir werden mit Sicherheit Energie sparen können, einfach weil wir sowohl von der Energieerzeugung energieeffiziente Erzeuger am Netz haben, wir werden die Verbraucher effizient steuern können."

    Andre Quadt:

    "Wir können also, wenn wir es schaffen, uns auf andere Weise diese Balance herzustellen, könne wir es schaffen – Regelenergie zu verzichten und den Preis letztlich günstiger zu machen."

    Wolfgang Glaunsinger:

    "Das ganze System wird sicherlich trotz vermehrter Aufwendungen für die Steuerung positiv sein, also wir werden hier massiv Energie sparen können."

    Wolfgang Steiger:

    "Wir sehen die Zukunft des Automobils so..."

    Jürgen Schmid:

    "Wir werden den Begriff Grundlast, und auch die Grundlast selber, nicht mehr in dem Maße haben, denn die Verbraucher würden dann dafür sorgen, wenn es wirklich eng wird im Stromnetz, nur noch die absolut nötige Strommenge abzurufen, aufgrund der dann geänderten Tarife, so dass man nicht mehr von Grundlast sprechen kann."

    "Die Elektromobilität ist die wichtigste Maßnahme für eine Effizienzsteigerung."

    Kurt Rohrig:

    "Wir wollen in die Richtung gehen, dass wir nicht zu viele neue Geräte brauchen."

    "Wir haben auch eine Solartankstelle für Elektroautos, windenergiebetrieben."

    Das Feature ist die erste Folge der dreiteiligen Serie "Die Zukunft des Energiesparens". Der zweite Teil wird am Sonntag, 8. Juni, 16:30 Uhr, im Deutschlandfunk gesendet. Titel:

    Die Benzinkutsche tankt Strom
    Elektroautos eröffnen eine neue Dimension


    Der dritte Teil folgt am Sonntag, 27. Juli, 16:30 Uhr im Deutschlandfunk. Titel

    Das Internet des Hausstroms