Friedbert Meurer: Guten Tag, Herr Wasem.
Jürgen Wasem: Ich grüße Sie!
Meurer: Wir hören ja gerade, dass Sie bei der entscheidenden Abstimmung an der Seite der Ärzte gestanden haben. Deswegen gab es ein Ergebnis von fünf zu vier für die Tarifanhebung um 10 Prozent. Warum haben Sie für die Ärzte gestimmt?
Wasem: Es war eine schwierige Situation. Auf der einen Seite haben die Krankenkassen völlig zurecht gesagt, dass alles, was wir beschließen, von den Beitragszahlern bezahlt werden muss. Andererseits ist natürlich nicht zu leugnen gewesen, dass die Ärzte in den letzten Jahren zunehmend teilweise mit Recht geklagt haben, dass sie Leistungen umsonst bringen. Deswegen haben wir auch die 2,5 Milliarden Euro vorwiegend so eingesetzt, dass die Ärzte mehr Leistungen bezahlt bekommen. Das heißt es ist nicht so sehr, dass wir die Preise hoch gesetzt haben, dass die gleiche Leistung jetzt einfach teurer wird, sondern wir erlauben es den Ärzten, mehr Leistungen zu machen. Sie bekommen also weniger abgeschnitten und das, finde ich, ist auch eine gute Nachricht für Patienten.
Meurer: Was wäre denn gewesen, wenn Sie bei Ihrem Vorschlag geblieben wären, der da lautete, 2,3 Milliarden mehr?
Wasem: Das vermag ich nicht zu sagen. Für 2,3 wäre die Gefahr gewesen, dass ich alleine für diesen Vorschlag stimme, dass die Krankenkassen sagen, das ist viel zu viel, und die Ärzte sagen, das ist viel zu wenig, und dann wären die Verhandlungen gescheitert. Das wäre, glaube ich, ein schlechter Dienst auch an der Selbstverwaltung von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen, weil dann hätte ich den Auftrag im Grunde genommen an die Politik zurückgeben müssen.
Meurer: Wenn auch, Herr Wasem, Ärzte teilweise umsonst arbeiten, angeblich einen Monat im Quartal, trotzdem: der Durchschnittsverdienst liegt bei 120.000 Euro im Jahr. Muss man da zehn Prozent draufpacken?
Wasem: Es ist richtig, dass der Durchschnittsverdienst sicherlich nicht schlecht ist. Deswegen will ich auch darauf hinweisen, dass wir nicht einfach pauschal zehn Prozent draufgetan haben. Das kommt in der Summe heraus. Aber wir haben zwei Dinge gemacht, und das ist in Ihrem Beitrag auch schon angesprochen worden. Das erste ist: wir haben deutlich mehr im Osten draufgelegt als im Westen. Im Osten sind die Anstiege deutlich oberhalb von zehn Prozent und im Westen sind sie im Schnitt spürbar unter zehn Prozent. Das ist gut begründbar, weil die Ost-Einkommen bei den Ärzten schlechter sind als die im Westen.
Der zweite Punkt: wir haben dafür gesorgt, dass die Hausärzte überproportional davon profitieren im Vergleich zu den Fachärzten, und auch da gilt die Regel, dass die Hausärzte am unteren Einkommensende sind und einige Facharztgruppen halt deutlich höher sind. Das heißt, wir haben nicht einfach pauschal zehn Prozent draufgelegt, sondern die Formel, mit der ich versucht habe, diesen Kompromiss zu bewirken, versucht genau zu gucken, wo ist das Geld am sinnvollsten eingesetzt.
Meurer: Wie solidarisch waren denn Ihrem Eindruck nach die West-Ärzte gegenüber den Ost-Ärzten oder die Stadt-Ärzte gegenüber den Land-Ärzten?
Wasem: Die West-Ärzte haben bisher ein höheres Einkommensniveau, aber keiner verliert durch diese Reform. Auch in Bayern und Baden-Württemberg - das war ja die große Sorge der Südländer, dass sie bei dieser Honorarreform verlieren - wird es noch ein leichtes Plus geben. Aber dort, wo die Ärzte überdurchschnittlich viel arbeiten - das muss man auch mal sagen -, im Osten, und zugleich die Leistungen schlechter bezahlt bekommen haben, da haben wir ein deutliches Plus gegeben.
Stadt-Land ist ein guter Punkt. Wir sind nicht in der Lage, in so einer Honorarreform in so einem Flächenland wie etwa Nordrhein-Westfalen oder Bayern, wo es Stadt und Land gibt, dort differenzierte Regelungen zu treffen. Da bleiben insofern Unterschiede, die wir auch nicht angreifen können durch so eine Reform.
Meurer: Werden die Unterschiede zwischen Hausärzten und ich sage mal Radiologen ein bisschen eingeebnet, also Ärzten, die über teures Equipment verfügen und die doppelt so viel kriegen wie die Hausärzte?
Wasem: Ja. Das hatte ich ja gerade gesagt. Wir haben die Formel so ausgestaltet durch diese Reform, dass die Zuwächse bei den Hausärzten stärker sind als bei den Fachärzten. Insofern schließt sich die Schere ein bisschen. Das hat die Politik ja schon in den 90er Jahren angefangen und Anfang dieses Jahrzehnts fortgesetzt und wir haben dafür gesorgt, dass das ein Stück weiter so geht.
Meurer: Schönen Dank! - Das war Jürgen Wasem, Gesundheitsökonom an der Universität Duisburg-Essen, und er war der Vermittler bei den Honorarverhandlungen jetzt mit den Kassenärzten und Krankenkassen. Danke, Herr Wasem, und auf Wiederhören.
Wasem: Tschüß!
Jürgen Wasem: Ich grüße Sie!
Meurer: Wir hören ja gerade, dass Sie bei der entscheidenden Abstimmung an der Seite der Ärzte gestanden haben. Deswegen gab es ein Ergebnis von fünf zu vier für die Tarifanhebung um 10 Prozent. Warum haben Sie für die Ärzte gestimmt?
Wasem: Es war eine schwierige Situation. Auf der einen Seite haben die Krankenkassen völlig zurecht gesagt, dass alles, was wir beschließen, von den Beitragszahlern bezahlt werden muss. Andererseits ist natürlich nicht zu leugnen gewesen, dass die Ärzte in den letzten Jahren zunehmend teilweise mit Recht geklagt haben, dass sie Leistungen umsonst bringen. Deswegen haben wir auch die 2,5 Milliarden Euro vorwiegend so eingesetzt, dass die Ärzte mehr Leistungen bezahlt bekommen. Das heißt es ist nicht so sehr, dass wir die Preise hoch gesetzt haben, dass die gleiche Leistung jetzt einfach teurer wird, sondern wir erlauben es den Ärzten, mehr Leistungen zu machen. Sie bekommen also weniger abgeschnitten und das, finde ich, ist auch eine gute Nachricht für Patienten.
Meurer: Was wäre denn gewesen, wenn Sie bei Ihrem Vorschlag geblieben wären, der da lautete, 2,3 Milliarden mehr?
Wasem: Das vermag ich nicht zu sagen. Für 2,3 wäre die Gefahr gewesen, dass ich alleine für diesen Vorschlag stimme, dass die Krankenkassen sagen, das ist viel zu viel, und die Ärzte sagen, das ist viel zu wenig, und dann wären die Verhandlungen gescheitert. Das wäre, glaube ich, ein schlechter Dienst auch an der Selbstverwaltung von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen, weil dann hätte ich den Auftrag im Grunde genommen an die Politik zurückgeben müssen.
Meurer: Wenn auch, Herr Wasem, Ärzte teilweise umsonst arbeiten, angeblich einen Monat im Quartal, trotzdem: der Durchschnittsverdienst liegt bei 120.000 Euro im Jahr. Muss man da zehn Prozent draufpacken?
Wasem: Es ist richtig, dass der Durchschnittsverdienst sicherlich nicht schlecht ist. Deswegen will ich auch darauf hinweisen, dass wir nicht einfach pauschal zehn Prozent draufgetan haben. Das kommt in der Summe heraus. Aber wir haben zwei Dinge gemacht, und das ist in Ihrem Beitrag auch schon angesprochen worden. Das erste ist: wir haben deutlich mehr im Osten draufgelegt als im Westen. Im Osten sind die Anstiege deutlich oberhalb von zehn Prozent und im Westen sind sie im Schnitt spürbar unter zehn Prozent. Das ist gut begründbar, weil die Ost-Einkommen bei den Ärzten schlechter sind als die im Westen.
Der zweite Punkt: wir haben dafür gesorgt, dass die Hausärzte überproportional davon profitieren im Vergleich zu den Fachärzten, und auch da gilt die Regel, dass die Hausärzte am unteren Einkommensende sind und einige Facharztgruppen halt deutlich höher sind. Das heißt, wir haben nicht einfach pauschal zehn Prozent draufgelegt, sondern die Formel, mit der ich versucht habe, diesen Kompromiss zu bewirken, versucht genau zu gucken, wo ist das Geld am sinnvollsten eingesetzt.
Meurer: Wie solidarisch waren denn Ihrem Eindruck nach die West-Ärzte gegenüber den Ost-Ärzten oder die Stadt-Ärzte gegenüber den Land-Ärzten?
Wasem: Die West-Ärzte haben bisher ein höheres Einkommensniveau, aber keiner verliert durch diese Reform. Auch in Bayern und Baden-Württemberg - das war ja die große Sorge der Südländer, dass sie bei dieser Honorarreform verlieren - wird es noch ein leichtes Plus geben. Aber dort, wo die Ärzte überdurchschnittlich viel arbeiten - das muss man auch mal sagen -, im Osten, und zugleich die Leistungen schlechter bezahlt bekommen haben, da haben wir ein deutliches Plus gegeben.
Stadt-Land ist ein guter Punkt. Wir sind nicht in der Lage, in so einer Honorarreform in so einem Flächenland wie etwa Nordrhein-Westfalen oder Bayern, wo es Stadt und Land gibt, dort differenzierte Regelungen zu treffen. Da bleiben insofern Unterschiede, die wir auch nicht angreifen können durch so eine Reform.
Meurer: Werden die Unterschiede zwischen Hausärzten und ich sage mal Radiologen ein bisschen eingeebnet, also Ärzten, die über teures Equipment verfügen und die doppelt so viel kriegen wie die Hausärzte?
Wasem: Ja. Das hatte ich ja gerade gesagt. Wir haben die Formel so ausgestaltet durch diese Reform, dass die Zuwächse bei den Hausärzten stärker sind als bei den Fachärzten. Insofern schließt sich die Schere ein bisschen. Das hat die Politik ja schon in den 90er Jahren angefangen und Anfang dieses Jahrzehnts fortgesetzt und wir haben dafür gesorgt, dass das ein Stück weiter so geht.
Meurer: Schönen Dank! - Das war Jürgen Wasem, Gesundheitsökonom an der Universität Duisburg-Essen, und er war der Vermittler bei den Honorarverhandlungen jetzt mit den Kassenärzten und Krankenkassen. Danke, Herr Wasem, und auf Wiederhören.
Wasem: Tschüß!