Jasper Barenberg: Loukas Papadimos verhandelt weiter mit den Vertretern der EU, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank über mehr Geld, mit den Banken und den privaten Anlegern über einen Schuldenerlass. Was ist es da wert, dass sich die Koalitionsparteien zwar auf einige neue Sparbeschlüsse geeinigt haben, in einem wichtigen Punkt aber noch über Kreuz sind. Ein Verhandlungsmarathon immerhin ist heute am frühen Morgen zu Ende gegangen.
[...]
Mitgehört hat der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag in Berlin. Schönen guten Morgen, Otto Fricke.
Otto Fricke: Schönen guten Morgen aus dem frisch verschneiten Berlin.
Barenberg: Herr Fricke, Sparpläne mit Abstrichen, genug, um 130 Milliarden Euro an Hilfen heute Abend in Brüssel auf den Weg nach Athen zu schicken?
Fricke: Ich bin da sehr vorsichtig. Die Frage, was genug ist und was richtig ist, erleben wir ja in den letzten Wochen und Monaten immer wieder, dass es Veränderungen gibt, und ich bin gerade dann - das sagt auch ein deutscher Politiker -, wenn Politiker über die Frage entscheiden, welches ist die richtige Sparmaßnahme oder nicht und welche mache ich in meinem Land und setze sie durch und welche nicht, und das, ich sage mal, zweieinhalb Monate vor den Wahlen oder drei Monate vor den Wahlen, sehr vorsichtig. Ich schaue mir jetzt ganz genau an, was die Troika gesagt hat, was funktioniert, was nicht funktioniert. Das gilt für die Kollegen auch, wir haben gestern im Haushaltsausschuss auch schon darüber gesprochen. Und dann schaue ich mir genau an, was die Griechen zugesagt haben und wo sie Schwierigkeiten haben und warum. Aber ich will auch deutlich sagen, dass das einfach jetzt ein pauschales Abnicken wird nach dem Motto, ja, Strich gemacht, Haken dahinter, das wird sicherlich nicht gehen.
Barenberg: Und das auch, wenn nur 300 Millionen in einem Paket fehlen, das mehrere Milliarden an Kürzungen umfasst?
Fricke: Ja, genau das wäre jetzt der Einfall. Wenn es nur die 300 Millionen wären, dann wäre das ja schön, wenn nur die fehlen würden. Wir müssen immer daran denken, wir reden ja hier am Rande immer über die Frage, wie dreistellige Milliardenbeträge kompensiert oder fast schon dekompensiert werden. Dann muss man auch genau gucken, was ist das Nächste. Es gibt dann alternative Möglichkeiten sicherlich. Aber eines ist wichtig: Wir müssen doch erkennen, dass die griechische Politik, selbst wenn ich das Vertrauen habe, dass manche, sicherlich nicht alle der politischen Führer der Parteien bereit sind, etwas zu tun, immer vor der Versuchung steht, wegen des Wahlkampfes A zu sagen und B zu machen, und das ist etwas, was eben gerade das Vertrauen zerstört, und deswegen bin ich sehr vorsichtig im Zusagen, wenn die 300 Millionen, dann ist es das doch.
Barenberg: Mit anderen Worten, Herr Fricke, Ihnen kommt es auf das Votum der Troika an. Die Regierung und die Aussagen der Kabinettsmitglieder der Regierung dort sind irrelevant?
Fricke: Ja, genau das, und das halte ich auch weiterhin für die richtige Sache. Wir haben das von Anfang an gesagt, dass wir nicht den Fehler machen sollten, der noch in alten Zeiten passiert ist, nämlich dass die Politik selber über die Frage in Europa entscheidet, ob ein Mitglied Europas sich an die Bedingungen hält, die Dreiprozentregel erfüllt (wir wissen, wie es bei Griechenland war), sondern dass wir sagen, es sind unabhängige, relativ unabhängige Fachleute, die uns sagen: Bedingungen erfüllt, ja oder nein. Das haben wir von Anfang an gesagt und da sollten wir uns auch dran halten und wir sollten jetzt bloß nicht, auch nicht die Minister - ich habe aber auch nicht die Vermutung - nachher sagen, ja, wir korrigieren das noch mal ein bisschen, setzen es anders an. Nein! Diese Troika hat die Aufgabe und muss sie auch erfüllen und wir sollten uns dann bloß daran halten.
Barenberg: Am Ende muss es aber politisch entschieden und politisch auch durchgesetzt werden, auch in Athen. Wie gering ist Ihr Vertrauen inzwischen?
Fricke: Na ja, ich bin von Hause aus Christ. Deswegen habe ich ein grundsätzliches Menschenvertrauen. Aber ich bin auf der anderen Seite auch jemand, der als Politiker erlebt, wie es ist, wie sich unsere Demokratien insgesamt immer wieder mal bei der Frage Sparen anstellen. Und die Frage, die ich nicht beantworten kann, beim Vertrauen, ist: Wie sehr sind es nicht nur die Politiker, sondern wie sehr sind es auch jeweils die Bürger eines Landes - nicht nur in Griechenland, das gilt für uns, das gilt für andere Länder Europas genauso - bereit zu sagen, ich verstehe, dass du mir sagst, dass an der und der Stelle es für mich weniger gibt oder ich, weil ich leistungsstark bin, mehr bezahlen muss, und deswegen, obwohl es mir eigentlich nicht gefällt, wähle ich dich, weil ich weiß, dass du einen Plan hast. Das kann ich in Griechenland so nicht erkennen, dafür bin ich jetzt als einzelner Abgeordneter auch nicht im täglichen Geschäft in Griechenland drin. Da muss ich mich auf Berichte verlassen. Und noch mal: Dann gelten Zahlen, Daten und Fakten und auch die Frage, die die Troika berichten muss, inwiefern sie der Meinung ist, dass sich Griechenland bisher an die Vorgaben gehalten hat - das wird nie hundertprozentig sein, aber im Grundsatz gehalten hat und übrigens nicht nur Gesetze beschlossen hat, sondern dann auch vollzogen hat. Das gilt insbesondere im Steuerrecht.
Barenberg: Wie groß ist Ihre Skepsis auch angesichts der Tatsache, dass das erste Sparprogramm, das Griechenland beschlossen hat, gar nicht das halten kann, oder jedenfalls nicht das hält, was es versprochen hat?
Fricke: Das führt natürlich dazu, je mehr auf dem Weg zu einem Umbau oder im Rahmen dieses, so nenne ich es persönlich auch, Insolvenzverfahrens - machen wir uns nichts vor: Das ist ein modernes Insolvenzverfahren. Man guckt, was an Gläubigern da ist, wir gucken, wie die Schulden da sind, man guckt, wie man es verringern kann, ohne - und das ist ganz wichtig - dass es in diesem Verfahren dazu kommt, dass der Betroffene mit voller Wucht gegen die Wand fährt. Das ist die Überlegung, die wir haben, und dabei sieht man dann eben, dass in der Vergangenheit der Schuldner sich an manches nicht gehalten hat, obwohl wir ihm als Mitglied der europäischen Familie helfen wollen. Und dann guckt man weiter und sagt, so, jetzt will ich aber sehen, wenn das nicht geklappt hat, machst du andere Dinge. Und gerade da, wo es schwierig ist, dem Bürger in dem Land das zu erklären, muss ich es tun. Das Beispiel mit den Renten ist ja auch genannt worden vorhin. Dann muss ich eben genau darstellen, es ist nicht der "normale" Rentner, sondern es sind hier Zusatzrenten, um die es geht, also um diejenigen Rentner, die weit über dem Durchschnitt sind, und dann muss ich das aber auch durchsetzen.
Barenberg: Sie haben eben von einer Insolvenz gesprochen. Mit anderen Worten: Der Staatsbankrott ist für Sie im Grunde schon die Grundlage allen weiteren Vorgehens?
Fricke: Nein! Vielleicht bin ich da zu sehr Jurist von Hause aus. Ich differenziere: Wir haben früher in Deutschland die Idee gehabt, jemand, der nicht mehr richtig zahlen kann, der ist pleite, der ist Konkurs, der ist weg. Dann haben wir klar gesagt, in einer sozialen Marktwirtschaft - und das gilt nach meiner Meinung auch in einem modernen Europa - müssen wir dafür sorgen, dass einerseits derjenige, der zu hohe Schulden hat, diese abbaut und auch Gläubiger verzichten, aber Ziel muss es doch immer sein, dass er wieder Teil des gesamten Ganzen ist, seinen Aufgaben als Sozialstaat nachkommt. Deswegen: Wir sind in einem Verfahren, aber wir sind nicht, wie viele meinen, vor einer Pleite, einem Crash, einer Insolvenz. Es geht jetzt darum - und das machen wir doch schon seit Wochen und Monaten -, Verschuldung klar darzustellen, zu sehen, wer verzichten muss, und ich bin auch sehr froh, dass jedenfalls der Punkt, über den wir gar nicht bisher gesprochen haben, nämlich dass endlich die Privaten klar und deutlich, der private Sektor klar und deutlich beteiligt wird, dass das kommen wird. 50 Prozent Verzicht von Forderungen ist nicht irgendwas, ist aber Teil eines solchen Verfahrens, das verhindert, dass am Ende eine Pleite da ist.
Barenberg: Ist aber, Herr Fricke, nicht auch längst klar, dass das Konzept, das die ganzen Monate, ja seit zwei Jahren jetzt verfolgt wird, das Konzept Zuckerbrot und Peitsche nämlich, gescheitert ist?
Fricke: Na ja, ob es gescheitert ist oder nicht, würde ich immer sagen, messen wir ja oft nur daran, wie die gegenwärtige Lage ist, und die ist für viele, sowohl für die Griechen, die sagen, es ist zu hart, als auch für die deutschen Staatsbürger, die sagen, das ist zu viel, was wir da geben, irgendwo etwas, was keiner gerne hört und wo jeder frustriert ist. Nur ob es dann richtig oder falsch war, ist leider nicht möglich immer nachzuvollziehen, weil die Alternative, nämlich ein unkontrollierter Crash, dann erst bei den Leuten angekommen wäre, wenn wir zum Beispiel sehen würden, dass jemand, der jahrelang gespart hat, auf einmal von seiner Lebensversicherung etwa die Mitteilung bekommt: Pass mal auf, wir hatten leider wegen Griechenland einen Flächenbrand, deswegen ist nicht nur das, was wir als Versicherung für dich da und da hingestellt haben, weg, sondern auch noch anderes. Nein, ich glaube - und dabei muss es bleiben -, wir haben hier einen erstmaligen und hoffentlich einmaligen Fall innerhalb der Europäischen Union, der so nie wieder vorkommen darf. Das verlangt viel Mühen, ständiges neues Versuchen. Gewissen Frust gegenüber der Politik, das kann ich noch verstehen, aber der Wunsch nach einfachen Lösungen, bitte schön, aber das geht in einer Demokratie schwer.
Barenberg: Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag heute Morgen im Deutschlandfunk, Otto Fricke. Danke für das Gespräch.
Fricke: Ich danke - einen schönen Tag.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Mitgehört hat der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag in Berlin. Schönen guten Morgen, Otto Fricke.
Otto Fricke: Schönen guten Morgen aus dem frisch verschneiten Berlin.
Barenberg: Herr Fricke, Sparpläne mit Abstrichen, genug, um 130 Milliarden Euro an Hilfen heute Abend in Brüssel auf den Weg nach Athen zu schicken?
Fricke: Ich bin da sehr vorsichtig. Die Frage, was genug ist und was richtig ist, erleben wir ja in den letzten Wochen und Monaten immer wieder, dass es Veränderungen gibt, und ich bin gerade dann - das sagt auch ein deutscher Politiker -, wenn Politiker über die Frage entscheiden, welches ist die richtige Sparmaßnahme oder nicht und welche mache ich in meinem Land und setze sie durch und welche nicht, und das, ich sage mal, zweieinhalb Monate vor den Wahlen oder drei Monate vor den Wahlen, sehr vorsichtig. Ich schaue mir jetzt ganz genau an, was die Troika gesagt hat, was funktioniert, was nicht funktioniert. Das gilt für die Kollegen auch, wir haben gestern im Haushaltsausschuss auch schon darüber gesprochen. Und dann schaue ich mir genau an, was die Griechen zugesagt haben und wo sie Schwierigkeiten haben und warum. Aber ich will auch deutlich sagen, dass das einfach jetzt ein pauschales Abnicken wird nach dem Motto, ja, Strich gemacht, Haken dahinter, das wird sicherlich nicht gehen.
Barenberg: Und das auch, wenn nur 300 Millionen in einem Paket fehlen, das mehrere Milliarden an Kürzungen umfasst?
Fricke: Ja, genau das wäre jetzt der Einfall. Wenn es nur die 300 Millionen wären, dann wäre das ja schön, wenn nur die fehlen würden. Wir müssen immer daran denken, wir reden ja hier am Rande immer über die Frage, wie dreistellige Milliardenbeträge kompensiert oder fast schon dekompensiert werden. Dann muss man auch genau gucken, was ist das Nächste. Es gibt dann alternative Möglichkeiten sicherlich. Aber eines ist wichtig: Wir müssen doch erkennen, dass die griechische Politik, selbst wenn ich das Vertrauen habe, dass manche, sicherlich nicht alle der politischen Führer der Parteien bereit sind, etwas zu tun, immer vor der Versuchung steht, wegen des Wahlkampfes A zu sagen und B zu machen, und das ist etwas, was eben gerade das Vertrauen zerstört, und deswegen bin ich sehr vorsichtig im Zusagen, wenn die 300 Millionen, dann ist es das doch.
Barenberg: Mit anderen Worten, Herr Fricke, Ihnen kommt es auf das Votum der Troika an. Die Regierung und die Aussagen der Kabinettsmitglieder der Regierung dort sind irrelevant?
Fricke: Ja, genau das, und das halte ich auch weiterhin für die richtige Sache. Wir haben das von Anfang an gesagt, dass wir nicht den Fehler machen sollten, der noch in alten Zeiten passiert ist, nämlich dass die Politik selber über die Frage in Europa entscheidet, ob ein Mitglied Europas sich an die Bedingungen hält, die Dreiprozentregel erfüllt (wir wissen, wie es bei Griechenland war), sondern dass wir sagen, es sind unabhängige, relativ unabhängige Fachleute, die uns sagen: Bedingungen erfüllt, ja oder nein. Das haben wir von Anfang an gesagt und da sollten wir uns auch dran halten und wir sollten jetzt bloß nicht, auch nicht die Minister - ich habe aber auch nicht die Vermutung - nachher sagen, ja, wir korrigieren das noch mal ein bisschen, setzen es anders an. Nein! Diese Troika hat die Aufgabe und muss sie auch erfüllen und wir sollten uns dann bloß daran halten.
Barenberg: Am Ende muss es aber politisch entschieden und politisch auch durchgesetzt werden, auch in Athen. Wie gering ist Ihr Vertrauen inzwischen?
Fricke: Na ja, ich bin von Hause aus Christ. Deswegen habe ich ein grundsätzliches Menschenvertrauen. Aber ich bin auf der anderen Seite auch jemand, der als Politiker erlebt, wie es ist, wie sich unsere Demokratien insgesamt immer wieder mal bei der Frage Sparen anstellen. Und die Frage, die ich nicht beantworten kann, beim Vertrauen, ist: Wie sehr sind es nicht nur die Politiker, sondern wie sehr sind es auch jeweils die Bürger eines Landes - nicht nur in Griechenland, das gilt für uns, das gilt für andere Länder Europas genauso - bereit zu sagen, ich verstehe, dass du mir sagst, dass an der und der Stelle es für mich weniger gibt oder ich, weil ich leistungsstark bin, mehr bezahlen muss, und deswegen, obwohl es mir eigentlich nicht gefällt, wähle ich dich, weil ich weiß, dass du einen Plan hast. Das kann ich in Griechenland so nicht erkennen, dafür bin ich jetzt als einzelner Abgeordneter auch nicht im täglichen Geschäft in Griechenland drin. Da muss ich mich auf Berichte verlassen. Und noch mal: Dann gelten Zahlen, Daten und Fakten und auch die Frage, die die Troika berichten muss, inwiefern sie der Meinung ist, dass sich Griechenland bisher an die Vorgaben gehalten hat - das wird nie hundertprozentig sein, aber im Grundsatz gehalten hat und übrigens nicht nur Gesetze beschlossen hat, sondern dann auch vollzogen hat. Das gilt insbesondere im Steuerrecht.
Barenberg: Wie groß ist Ihre Skepsis auch angesichts der Tatsache, dass das erste Sparprogramm, das Griechenland beschlossen hat, gar nicht das halten kann, oder jedenfalls nicht das hält, was es versprochen hat?
Fricke: Das führt natürlich dazu, je mehr auf dem Weg zu einem Umbau oder im Rahmen dieses, so nenne ich es persönlich auch, Insolvenzverfahrens - machen wir uns nichts vor: Das ist ein modernes Insolvenzverfahren. Man guckt, was an Gläubigern da ist, wir gucken, wie die Schulden da sind, man guckt, wie man es verringern kann, ohne - und das ist ganz wichtig - dass es in diesem Verfahren dazu kommt, dass der Betroffene mit voller Wucht gegen die Wand fährt. Das ist die Überlegung, die wir haben, und dabei sieht man dann eben, dass in der Vergangenheit der Schuldner sich an manches nicht gehalten hat, obwohl wir ihm als Mitglied der europäischen Familie helfen wollen. Und dann guckt man weiter und sagt, so, jetzt will ich aber sehen, wenn das nicht geklappt hat, machst du andere Dinge. Und gerade da, wo es schwierig ist, dem Bürger in dem Land das zu erklären, muss ich es tun. Das Beispiel mit den Renten ist ja auch genannt worden vorhin. Dann muss ich eben genau darstellen, es ist nicht der "normale" Rentner, sondern es sind hier Zusatzrenten, um die es geht, also um diejenigen Rentner, die weit über dem Durchschnitt sind, und dann muss ich das aber auch durchsetzen.
Barenberg: Sie haben eben von einer Insolvenz gesprochen. Mit anderen Worten: Der Staatsbankrott ist für Sie im Grunde schon die Grundlage allen weiteren Vorgehens?
Fricke: Nein! Vielleicht bin ich da zu sehr Jurist von Hause aus. Ich differenziere: Wir haben früher in Deutschland die Idee gehabt, jemand, der nicht mehr richtig zahlen kann, der ist pleite, der ist Konkurs, der ist weg. Dann haben wir klar gesagt, in einer sozialen Marktwirtschaft - und das gilt nach meiner Meinung auch in einem modernen Europa - müssen wir dafür sorgen, dass einerseits derjenige, der zu hohe Schulden hat, diese abbaut und auch Gläubiger verzichten, aber Ziel muss es doch immer sein, dass er wieder Teil des gesamten Ganzen ist, seinen Aufgaben als Sozialstaat nachkommt. Deswegen: Wir sind in einem Verfahren, aber wir sind nicht, wie viele meinen, vor einer Pleite, einem Crash, einer Insolvenz. Es geht jetzt darum - und das machen wir doch schon seit Wochen und Monaten -, Verschuldung klar darzustellen, zu sehen, wer verzichten muss, und ich bin auch sehr froh, dass jedenfalls der Punkt, über den wir gar nicht bisher gesprochen haben, nämlich dass endlich die Privaten klar und deutlich, der private Sektor klar und deutlich beteiligt wird, dass das kommen wird. 50 Prozent Verzicht von Forderungen ist nicht irgendwas, ist aber Teil eines solchen Verfahrens, das verhindert, dass am Ende eine Pleite da ist.
Barenberg: Ist aber, Herr Fricke, nicht auch längst klar, dass das Konzept, das die ganzen Monate, ja seit zwei Jahren jetzt verfolgt wird, das Konzept Zuckerbrot und Peitsche nämlich, gescheitert ist?
Fricke: Na ja, ob es gescheitert ist oder nicht, würde ich immer sagen, messen wir ja oft nur daran, wie die gegenwärtige Lage ist, und die ist für viele, sowohl für die Griechen, die sagen, es ist zu hart, als auch für die deutschen Staatsbürger, die sagen, das ist zu viel, was wir da geben, irgendwo etwas, was keiner gerne hört und wo jeder frustriert ist. Nur ob es dann richtig oder falsch war, ist leider nicht möglich immer nachzuvollziehen, weil die Alternative, nämlich ein unkontrollierter Crash, dann erst bei den Leuten angekommen wäre, wenn wir zum Beispiel sehen würden, dass jemand, der jahrelang gespart hat, auf einmal von seiner Lebensversicherung etwa die Mitteilung bekommt: Pass mal auf, wir hatten leider wegen Griechenland einen Flächenbrand, deswegen ist nicht nur das, was wir als Versicherung für dich da und da hingestellt haben, weg, sondern auch noch anderes. Nein, ich glaube - und dabei muss es bleiben -, wir haben hier einen erstmaligen und hoffentlich einmaligen Fall innerhalb der Europäischen Union, der so nie wieder vorkommen darf. Das verlangt viel Mühen, ständiges neues Versuchen. Gewissen Frust gegenüber der Politik, das kann ich noch verstehen, aber der Wunsch nach einfachen Lösungen, bitte schön, aber das geht in einer Demokratie schwer.
Barenberg: Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag heute Morgen im Deutschlandfunk, Otto Fricke. Danke für das Gespräch.
Fricke: Ich danke - einen schönen Tag.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.