Silvia Engels: Auf diplomatischer Ebene setzen derzeit viele Beobachter ungewohnt viel Hoffnung auf Russland. Es geht darum, den Plan zur Kontrolle und Zerstörung syrischer Chemiewaffen voranzubringen und konkret umsetzbar zu machen. - Am Telefon ist Sergej Sumlenny, er ist Deutschland-Korrespondent des russischen Wirtschaftsmagazins "Expert". Guten Morgen, Herr Sumlenny.
Sergej Sumlenny: Guten Morgen!
Engels: Kann die russische Führung diese hohen Erwartungen an sie erfüllen?
Sumlenny: Nun ja, alles hängt davon ab, wie hoch die Erwartungen sind, und der US-amerikanische Außenminister Kerry hat schon gesagt, er würde gerne dem Herrn Lawrow glauben, aber bisher sind die Garantien von Russland noch nicht gut genug für Kerry. Das ist eigentlich das gleiche Spiel, das der Kreml in den letzten Tagen spielt. Die Beweise von Anwendung der Chemiewaffen durch Assad sind nicht gut genug für den Kreml, jetzt sind die russischen Garantien nicht gut genug für das Weiße Haus. Also, alles hängt davon ab, was genau eine Seite von der anderen erwartet. Ich gehe davon aus, dass Russland im Prinzip nichts dagegen hätte, wenn Assad entwaffnet wäre im Bereich Chemiewaffen. Das würde auch den Interessen Russlands dienen, würde ein bisschen mehr Sicherheit in der Region schaffen und gleichzeitig die Notwendigkeit des US-amerikanischen Schlages mindern beziehungsweise ganz vom Tisch fegen. Aber, wie viel Zeit und wie viel Investitionen das ganze braucht und wie viel Kräfte von Seiten der ganzen internationalen Gemeinschaft, das können wir natürlich heute noch kaum einschätzen. Das ist auf jeden Fall eine riesige Aufgabe.
Engels: Zeit ist ein gutes Stichwort, denn da klafft ja die Erwartungshaltung am meisten auseinander. Experten sagen ja, es kann Jahre dauern, bis man wirklich ganz akribisch Giftwaffen aus Syrien herausgeschafft hat. Der derzeitig verhandelte UN-Resolutionsentwurf im Sicherheitsrat sah zunächst einmal 15 Tage Frist für Assad zur Übergabe der Waffen vor. Könnte ein Kompromiss an diesem Zeitplan, der so weit auseinanderklafft, zerbrechen?
Sumlenny: Es ist natürlich nicht plausibel, dass binnen dieser kurzen Zeit die Chemiewaffen vernichtet werden können. Aber den Zugang der internationalen Beobachter zu erschaffen in dieser Zeit, die Chemiewaffen-Lagerung sowie die Werke, die für Produktion der Chemiewaffen geeignet sein können, das wäre vielleicht machbar. Warum ich "vielleicht" sage, weil, wenn in dem Lande Frieden herrschte, dann wäre es natürlich kein Problem, den Zugang zu schaffen. Da sind nicht so viele Lagerungsorte für die Chemiewaffen und nicht so viele Chemiefabriken in dem Lande. Aber wenn jetzt in dem Lande Krieg herrscht - und wir haben schon die Meinungen der Sicherheitsexperten gehört, die sagen, Nein, Nein, Nein, in dem Gebiet muss man erst sehr viele Soldaten haben, die eigentlich für die Sicherheit der UNO-Waffenexperten zuständig wären. Dann muss jeder UNO-Waffenexperte von bewaffneten Trupps begleitet werden. Wir wissen nicht, ob einige Lagerorte in den umkämpften Kriegsgebieten sich befinden, und ehrlich gesagt, ist das ganze Land ein umkämpftes Kriegsgebiet. Das könnte natürlich das ganze etwas verzögern. Die Vernichtung selbst dauert natürlich Jahre normalerweise. In Russland zum Beispiel vernichtet man schon seit über zehn Jahren die sowjetischen Chemiewaffen-Arsenale, obwohl man auf Hochtouren arbeitet, und man geht davon aus, 2016 vielleicht würde Russland dann chemiewaffenfrei. Aber in Russland gibt es keinen Krieg und es gibt riesige Chemiewerke, die den ganzen Stoff vernichten, und wie gesagt: alles auf Kosten der internationalen Gemeinschaft, mit Unterstützung von den USA und auf Hochtouren. In Syrien wäre das ganze natürlich nicht machbar. Dann muss man daran denken, wie diese Chemiewaffen-Arsenale abtransportiert werden könnten und nach welchem Land. Welches Land wäre bereit, das ganze aufzunehmen und zu bearbeiten - die Dinge sind todesgefährlich -, wie die Konvois garantiert werden können. Wenn überhaupt akzeptiert von den beiden Ländern, Russland und den USA. Das ganze wird ein sehr kompliziertes, sehr aufwendiges und sehr gefährliches Prozedere. Und wenn Russland und die USA sich darauf einigen können, dass das doch gemacht werden muss, dann könnte es vielleicht - das ist vielleicht auch eine der Hoffnungen Russlands - für Assad die Sicherheit gegen Einmischung der USA für Monate garantieren.
Engels: Auf der anderen Seite könnte ja auch Wladimir Putin einen Gesichtsverlust erleiden, wenn, wie sie es dargestellt haben, der Prozess dieser Chemiewaffen-Kontrolle einfach zu kompliziert wird und er dann das Macher-Image, das er gerade aufbaut, verliert.
Sumlenny: Das sehe ich nicht so. Er würde immer in der Lage sein zu sagen, ja, seht ihr alle, wir waren bereit, alle möglichen Optionen den Amerikanern anzubieten, und wir waren so nah an der Friedenslösung, jedoch die Amerikaner waren so stur, sie haben unsere wunderbaren Vorschläge nicht akzeptiert und haben doch angegriffen. Also, das wäre kein riesiger Gesichtsverlust. Er könnte immer sagen, Nein, Nein, Nein, Nein, alles wäre möglich, aber nur der sture Obama und die Republikaner, die den demokratischen Präsidenten mit dem Nasenring durch die Manege führen, haben das ganze nicht möglich gemacht.
Engels: Und dann könnte Russland zuschauen, wenn Barack Obama, wenn die Gespräche scheitern, womöglich eine Mehrheit im US-Kongress für einen Militärschlag mit Genuss verfehlt?
Sumlenny: Ich würde sagen, jede Option ab heute wäre für Russland ein größerer oder ein kleinerer Gewinn. Wenn Assad gesichert sein wird und wenn Russland der Friedensengel in der Region wird und die US-amerikanische Invasion oder den US-amerikanischen Schlag verhindert, das wäre wunderbar. Wenn Russland doch scheitert, das ganze zu verwirklichen, dann sind die Gewinne schon gut genug und groß genug. Russland hat sich schon als ein Land präsentiert, das die Politik der US-Amerikaner ändern kann. Das ist ein riesiger Gewinn für Putin, ehrlich gesagt. Dann würde man sagen, okay, das ist nicht ein Jackpot, aber das ist schon sechs Zahlen von sechs.
Engels: Sergej Sumlenny, russischer Journalist des Magazins "Expert" in Deutschland. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen.
Sumlenny: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema:
"Wir werden uns auf kein Spiel einlassen" USA warnen Syrien vor Hinhaltetaktik
Syrien beantragt bei UNO Aufnahme in C-Waffenkonvention USA und Russland verhandeln in Genf
Chronologie: Bürgerkrieg in Syrien Eckpunkte des Aufstands
Sergej Sumlenny: Guten Morgen!
Engels: Kann die russische Führung diese hohen Erwartungen an sie erfüllen?
Sumlenny: Nun ja, alles hängt davon ab, wie hoch die Erwartungen sind, und der US-amerikanische Außenminister Kerry hat schon gesagt, er würde gerne dem Herrn Lawrow glauben, aber bisher sind die Garantien von Russland noch nicht gut genug für Kerry. Das ist eigentlich das gleiche Spiel, das der Kreml in den letzten Tagen spielt. Die Beweise von Anwendung der Chemiewaffen durch Assad sind nicht gut genug für den Kreml, jetzt sind die russischen Garantien nicht gut genug für das Weiße Haus. Also, alles hängt davon ab, was genau eine Seite von der anderen erwartet. Ich gehe davon aus, dass Russland im Prinzip nichts dagegen hätte, wenn Assad entwaffnet wäre im Bereich Chemiewaffen. Das würde auch den Interessen Russlands dienen, würde ein bisschen mehr Sicherheit in der Region schaffen und gleichzeitig die Notwendigkeit des US-amerikanischen Schlages mindern beziehungsweise ganz vom Tisch fegen. Aber, wie viel Zeit und wie viel Investitionen das ganze braucht und wie viel Kräfte von Seiten der ganzen internationalen Gemeinschaft, das können wir natürlich heute noch kaum einschätzen. Das ist auf jeden Fall eine riesige Aufgabe.
Engels: Zeit ist ein gutes Stichwort, denn da klafft ja die Erwartungshaltung am meisten auseinander. Experten sagen ja, es kann Jahre dauern, bis man wirklich ganz akribisch Giftwaffen aus Syrien herausgeschafft hat. Der derzeitig verhandelte UN-Resolutionsentwurf im Sicherheitsrat sah zunächst einmal 15 Tage Frist für Assad zur Übergabe der Waffen vor. Könnte ein Kompromiss an diesem Zeitplan, der so weit auseinanderklafft, zerbrechen?
Sumlenny: Es ist natürlich nicht plausibel, dass binnen dieser kurzen Zeit die Chemiewaffen vernichtet werden können. Aber den Zugang der internationalen Beobachter zu erschaffen in dieser Zeit, die Chemiewaffen-Lagerung sowie die Werke, die für Produktion der Chemiewaffen geeignet sein können, das wäre vielleicht machbar. Warum ich "vielleicht" sage, weil, wenn in dem Lande Frieden herrschte, dann wäre es natürlich kein Problem, den Zugang zu schaffen. Da sind nicht so viele Lagerungsorte für die Chemiewaffen und nicht so viele Chemiefabriken in dem Lande. Aber wenn jetzt in dem Lande Krieg herrscht - und wir haben schon die Meinungen der Sicherheitsexperten gehört, die sagen, Nein, Nein, Nein, in dem Gebiet muss man erst sehr viele Soldaten haben, die eigentlich für die Sicherheit der UNO-Waffenexperten zuständig wären. Dann muss jeder UNO-Waffenexperte von bewaffneten Trupps begleitet werden. Wir wissen nicht, ob einige Lagerorte in den umkämpften Kriegsgebieten sich befinden, und ehrlich gesagt, ist das ganze Land ein umkämpftes Kriegsgebiet. Das könnte natürlich das ganze etwas verzögern. Die Vernichtung selbst dauert natürlich Jahre normalerweise. In Russland zum Beispiel vernichtet man schon seit über zehn Jahren die sowjetischen Chemiewaffen-Arsenale, obwohl man auf Hochtouren arbeitet, und man geht davon aus, 2016 vielleicht würde Russland dann chemiewaffenfrei. Aber in Russland gibt es keinen Krieg und es gibt riesige Chemiewerke, die den ganzen Stoff vernichten, und wie gesagt: alles auf Kosten der internationalen Gemeinschaft, mit Unterstützung von den USA und auf Hochtouren. In Syrien wäre das ganze natürlich nicht machbar. Dann muss man daran denken, wie diese Chemiewaffen-Arsenale abtransportiert werden könnten und nach welchem Land. Welches Land wäre bereit, das ganze aufzunehmen und zu bearbeiten - die Dinge sind todesgefährlich -, wie die Konvois garantiert werden können. Wenn überhaupt akzeptiert von den beiden Ländern, Russland und den USA. Das ganze wird ein sehr kompliziertes, sehr aufwendiges und sehr gefährliches Prozedere. Und wenn Russland und die USA sich darauf einigen können, dass das doch gemacht werden muss, dann könnte es vielleicht - das ist vielleicht auch eine der Hoffnungen Russlands - für Assad die Sicherheit gegen Einmischung der USA für Monate garantieren.
Engels: Auf der anderen Seite könnte ja auch Wladimir Putin einen Gesichtsverlust erleiden, wenn, wie sie es dargestellt haben, der Prozess dieser Chemiewaffen-Kontrolle einfach zu kompliziert wird und er dann das Macher-Image, das er gerade aufbaut, verliert.
Sumlenny: Das sehe ich nicht so. Er würde immer in der Lage sein zu sagen, ja, seht ihr alle, wir waren bereit, alle möglichen Optionen den Amerikanern anzubieten, und wir waren so nah an der Friedenslösung, jedoch die Amerikaner waren so stur, sie haben unsere wunderbaren Vorschläge nicht akzeptiert und haben doch angegriffen. Also, das wäre kein riesiger Gesichtsverlust. Er könnte immer sagen, Nein, Nein, Nein, Nein, alles wäre möglich, aber nur der sture Obama und die Republikaner, die den demokratischen Präsidenten mit dem Nasenring durch die Manege führen, haben das ganze nicht möglich gemacht.
Engels: Und dann könnte Russland zuschauen, wenn Barack Obama, wenn die Gespräche scheitern, womöglich eine Mehrheit im US-Kongress für einen Militärschlag mit Genuss verfehlt?
Sumlenny: Ich würde sagen, jede Option ab heute wäre für Russland ein größerer oder ein kleinerer Gewinn. Wenn Assad gesichert sein wird und wenn Russland der Friedensengel in der Region wird und die US-amerikanische Invasion oder den US-amerikanischen Schlag verhindert, das wäre wunderbar. Wenn Russland doch scheitert, das ganze zu verwirklichen, dann sind die Gewinne schon gut genug und groß genug. Russland hat sich schon als ein Land präsentiert, das die Politik der US-Amerikaner ändern kann. Das ist ein riesiger Gewinn für Putin, ehrlich gesagt. Dann würde man sagen, okay, das ist nicht ein Jackpot, aber das ist schon sechs Zahlen von sechs.
Engels: Sergej Sumlenny, russischer Journalist des Magazins "Expert" in Deutschland. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen.
Sumlenny: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
"Wir werden uns auf kein Spiel einlassen" USA warnen Syrien vor Hinhaltetaktik
Syrien beantragt bei UNO Aufnahme in C-Waffenkonvention USA und Russland verhandeln in Genf
Chronologie: Bürgerkrieg in Syrien Eckpunkte des Aufstands