Peter Kapern: Endspiel in Kairo. 48 Stunden hat das ägyptische Militär gestern Präsident Mohammed Mursi eingeräumt, auf die Forderungen der protestierenden Bürger einzugehen.
Bei uns am Telefon ist nun der deutsch-ägyptische Politikwissenschaftler Ahmed Khalifa vom Internationalen Konversionszentrum in Bonn. Guten Morgen, Herr Khalifa!
Ahmed Khalifa: Guten Morgen, Herr Kapern.
Kapern: Morgen Nachmittag läuft also das Ultimatum aus, das der ägyptische Verteidigungsminister im Namen des Militärs der Regierung gestellt hat. Glauben Sie, dass Mohammed Mursi morgen Nachmittag noch Präsident Ägyptens sein wird?
Khalifa: Das werden wir auch morgen sehen, wie Mursi jetzt reagieren wird. Er müsste jetzt wahrscheinlich auch noch mal eine Rede an die Nation halten, um die Sache noch mal ein bisschen zu entschärfen, und er müsste noch mal mit al-Sisi sich treffen, und zu entscheiden, wie die nächste Runde abläuft.
Kapern: Wie interpretieren Sie denn dieses Ultimatum der Armee? Was haben die Militärs in Ägypten wohl vor?
Khalifa: Für al-Sisi oder für das Militär ist wichtig Stabilität und Sicherheit, und diese zwei Sachen wurden im letzten Jahr auch nicht gewährleistet von der Muslimbruderschaft oder auch von der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, von den Muslembrüdern. Die Wirtschaft ist noch miserabler. Die Wirtschaftssituation ist miserabel. Die Sicherheit auf der Straße ist miserabel, es sind noch jede Menge Kleinwaffen vorhanden, die auch nicht unter Kontrolle sind. Das sind alles Sachen, die das Militär auch noch beunruhigen. Auch die Situation in Syrien, die ist auch noch beunruhigend für das Militär und auch für die ganze Region.
Kapern: Denken Sie, das Militär will vollständig die Macht übernehmen, oder was steckt hinter diesem Ultimatum?
Khalifa: Hinter diesem Ultimatum steckt, das ist ein Warnsignal an die Muslimbruderschaft: Mit der Politik, die sie jetzt im letzten Jahr getrieben haben, so kann es nicht mehr weitergehen. Die Opposition hat jetzt auch die Seite des Militärs eingenommen. Auch wenn Sie sich noch mal die Bilder von gestern angucken, wo das Ultimatum ausgesprochen wurde, da haben sich die Leute auf dem Tahrir-Platz gefreut und man hat das Militär noch unterstützt in diesem Ultimatum. Ich würde einfach sagen, erst mal abwarten und gucken, wie die Verhandlungen auch laufen, und dann können wir nachher noch entscheiden, wie die Zukunftsperspektive für Ägypten weiterläuft.
Kapern: In der Tat, Sie haben es ja gerade angesprochen: Gestern, als das Ultimatum der Militärs an die Adresse von Mohammed Mursi bekannt wurde, da bracht auf dem Tahrir-Platz bei der protestierenden Opposition Jubel aus. Teilen Sie diese Freude, oder haben Sie da auch Skepsis?
Khalifa: Ich habe ehrlich gesagt Skepsis. Ich weiß nicht so ganz genau, was dieses Ultimatum bedeutet. Das ist alles sehr überraschend. Es ist auch alles sehr schnell, wie es gerade in Ägypten verläuft. Ich beobachte erst mal die Situation als Wissenschaftler und werde danach erst entscheiden. Al-Sisi hat eine Übergangsregierung angeboten und das hat ja auch Mohammed el-Baradei vor einer Woche noch angesprochen, und diese Übergangsregierung soll folgendermaßen aussehen: Vertreter vom Militär, Vertreter von der Opposition, also von der Zivilgesellschaft, und der dritte Vertreter war jetzt noch unklar, wer diese Rolle noch besetzen soll.
Kapern: Könnte es sein, dass die Muslimbruderschaft in diese Übergangsregierung eingebunden sein würde?
Khalifa: Das wäre klug. Das wäre klug, dass man das dann auch so macht. Dann hat man vielleicht so eine Art Modell wie in Tunesien, das aber jetzt ohne Militär. Aber in Ägypten ist das Militär als wichtiger Akteur, der auch noch eine Entscheidungsrolle spielt. Deswegen würde ich dann auch sagen, es wäre klug, dass man auch einen Vertreter von den Muslimbrüdern mit einbezieht. Sie vollkommen auszugrenzen würde gefährlich sein.
Kapern: Warum gefährlich?
Khalifa: Es gab gestern auch Freuden auf dem Tahrir-Platz, aber anders herum gab es von Mursis Unterstützern auch Skepsis gegenüber dem Militär und es wurde vorgeworfen, dass dies ein Militärputsch ist. Das Militär versucht, sich von einem Militärputsch zu distanzieren, wie wir das am Anfang auch gehört haben. Deswegen müsste man diesen Ton von einem Putsch erst einmal entschärfen.
Kapern: Sie haben eben das Nachbarland Tunesien gewissermaßen als Beispiel für eine mögliche Auflösung dieser Konfliktstellung in Ägypten genannt. Nun gibt es ein weiteres nordafrikanisches Land, das Erfahrungen gemacht hat mit einer islamistischen Regierung, nämlich Algerien. Dort haben auch einmal die Islamisten Wahlen gewonnen. Sie wurden dann von der Macht vertrieben und die Folge war ein langer Bürgerkrieg. Schwebt diese Gefahr auch über Ägypten?
Khalifa: Ich hoffe nicht, ehrlich gesagt. Wie ich auch gestern die Demonstrationen oder am 30. 6. die Demonstrationen mir angeguckt habe, das waren alles friedliche Demonstrationen. Man hat in Ägypten versucht zu gucken, wie die Bevölkerung auf die Muslimbruderschaft reagiert, und Sie haben das Ergebnis gesehen: Wir haben jetzt zehn Millionen Demonstranten auf den Straßen in Kairo, die die Straßen auch gefüllt haben. Deswegen würde ich jetzt erst mal noch abwarten und keine schnellen Prognosen ziehen oder auch Vergleiche mit Algerien. Na klar könnte es ein Szenario sein, aber es gibt auch jede Menge andere Szenarien, wo es auch anders gelaufen ist, wo es einen Pakt zwischen Militärs und Islamisten gab, zum Beispiel Türkei, Pakistan. Das sind auch andere Szenarien, die auch verlaufen können.
Kapern: Ahmed Khalifa, der Politikwissenschaftler vom Internationalen Konversionszentrum in Bonn, heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Khalifa, danke für Ihre Einschätzungen und Informationen über die Lage in Ägypten. Danke und auf Wiederhören!
Khalifa: Vielen Dank auch und einen schönen Tag noch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Bei uns am Telefon ist nun der deutsch-ägyptische Politikwissenschaftler Ahmed Khalifa vom Internationalen Konversionszentrum in Bonn. Guten Morgen, Herr Khalifa!
Ahmed Khalifa: Guten Morgen, Herr Kapern.
Kapern: Morgen Nachmittag läuft also das Ultimatum aus, das der ägyptische Verteidigungsminister im Namen des Militärs der Regierung gestellt hat. Glauben Sie, dass Mohammed Mursi morgen Nachmittag noch Präsident Ägyptens sein wird?
Khalifa: Das werden wir auch morgen sehen, wie Mursi jetzt reagieren wird. Er müsste jetzt wahrscheinlich auch noch mal eine Rede an die Nation halten, um die Sache noch mal ein bisschen zu entschärfen, und er müsste noch mal mit al-Sisi sich treffen, und zu entscheiden, wie die nächste Runde abläuft.
Kapern: Wie interpretieren Sie denn dieses Ultimatum der Armee? Was haben die Militärs in Ägypten wohl vor?
Khalifa: Für al-Sisi oder für das Militär ist wichtig Stabilität und Sicherheit, und diese zwei Sachen wurden im letzten Jahr auch nicht gewährleistet von der Muslimbruderschaft oder auch von der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, von den Muslembrüdern. Die Wirtschaft ist noch miserabler. Die Wirtschaftssituation ist miserabel. Die Sicherheit auf der Straße ist miserabel, es sind noch jede Menge Kleinwaffen vorhanden, die auch nicht unter Kontrolle sind. Das sind alles Sachen, die das Militär auch noch beunruhigen. Auch die Situation in Syrien, die ist auch noch beunruhigend für das Militär und auch für die ganze Region.
Kapern: Denken Sie, das Militär will vollständig die Macht übernehmen, oder was steckt hinter diesem Ultimatum?
Khalifa: Hinter diesem Ultimatum steckt, das ist ein Warnsignal an die Muslimbruderschaft: Mit der Politik, die sie jetzt im letzten Jahr getrieben haben, so kann es nicht mehr weitergehen. Die Opposition hat jetzt auch die Seite des Militärs eingenommen. Auch wenn Sie sich noch mal die Bilder von gestern angucken, wo das Ultimatum ausgesprochen wurde, da haben sich die Leute auf dem Tahrir-Platz gefreut und man hat das Militär noch unterstützt in diesem Ultimatum. Ich würde einfach sagen, erst mal abwarten und gucken, wie die Verhandlungen auch laufen, und dann können wir nachher noch entscheiden, wie die Zukunftsperspektive für Ägypten weiterläuft.
Kapern: In der Tat, Sie haben es ja gerade angesprochen: Gestern, als das Ultimatum der Militärs an die Adresse von Mohammed Mursi bekannt wurde, da bracht auf dem Tahrir-Platz bei der protestierenden Opposition Jubel aus. Teilen Sie diese Freude, oder haben Sie da auch Skepsis?
Khalifa: Ich habe ehrlich gesagt Skepsis. Ich weiß nicht so ganz genau, was dieses Ultimatum bedeutet. Das ist alles sehr überraschend. Es ist auch alles sehr schnell, wie es gerade in Ägypten verläuft. Ich beobachte erst mal die Situation als Wissenschaftler und werde danach erst entscheiden. Al-Sisi hat eine Übergangsregierung angeboten und das hat ja auch Mohammed el-Baradei vor einer Woche noch angesprochen, und diese Übergangsregierung soll folgendermaßen aussehen: Vertreter vom Militär, Vertreter von der Opposition, also von der Zivilgesellschaft, und der dritte Vertreter war jetzt noch unklar, wer diese Rolle noch besetzen soll.
Kapern: Könnte es sein, dass die Muslimbruderschaft in diese Übergangsregierung eingebunden sein würde?
Khalifa: Das wäre klug. Das wäre klug, dass man das dann auch so macht. Dann hat man vielleicht so eine Art Modell wie in Tunesien, das aber jetzt ohne Militär. Aber in Ägypten ist das Militär als wichtiger Akteur, der auch noch eine Entscheidungsrolle spielt. Deswegen würde ich dann auch sagen, es wäre klug, dass man auch einen Vertreter von den Muslimbrüdern mit einbezieht. Sie vollkommen auszugrenzen würde gefährlich sein.
Kapern: Warum gefährlich?
Khalifa: Es gab gestern auch Freuden auf dem Tahrir-Platz, aber anders herum gab es von Mursis Unterstützern auch Skepsis gegenüber dem Militär und es wurde vorgeworfen, dass dies ein Militärputsch ist. Das Militär versucht, sich von einem Militärputsch zu distanzieren, wie wir das am Anfang auch gehört haben. Deswegen müsste man diesen Ton von einem Putsch erst einmal entschärfen.
Kapern: Sie haben eben das Nachbarland Tunesien gewissermaßen als Beispiel für eine mögliche Auflösung dieser Konfliktstellung in Ägypten genannt. Nun gibt es ein weiteres nordafrikanisches Land, das Erfahrungen gemacht hat mit einer islamistischen Regierung, nämlich Algerien. Dort haben auch einmal die Islamisten Wahlen gewonnen. Sie wurden dann von der Macht vertrieben und die Folge war ein langer Bürgerkrieg. Schwebt diese Gefahr auch über Ägypten?
Khalifa: Ich hoffe nicht, ehrlich gesagt. Wie ich auch gestern die Demonstrationen oder am 30. 6. die Demonstrationen mir angeguckt habe, das waren alles friedliche Demonstrationen. Man hat in Ägypten versucht zu gucken, wie die Bevölkerung auf die Muslimbruderschaft reagiert, und Sie haben das Ergebnis gesehen: Wir haben jetzt zehn Millionen Demonstranten auf den Straßen in Kairo, die die Straßen auch gefüllt haben. Deswegen würde ich jetzt erst mal noch abwarten und keine schnellen Prognosen ziehen oder auch Vergleiche mit Algerien. Na klar könnte es ein Szenario sein, aber es gibt auch jede Menge andere Szenarien, wo es auch anders gelaufen ist, wo es einen Pakt zwischen Militärs und Islamisten gab, zum Beispiel Türkei, Pakistan. Das sind auch andere Szenarien, die auch verlaufen können.
Kapern: Ahmed Khalifa, der Politikwissenschaftler vom Internationalen Konversionszentrum in Bonn, heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Khalifa, danke für Ihre Einschätzungen und Informationen über die Lage in Ägypten. Danke und auf Wiederhören!
Khalifa: Vielen Dank auch und einen schönen Tag noch.
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