Dirk-Oliver Heckmann: Um genau 17:07 Uhr hob der Helikopter mit Papst Benedikt XVI. an Bord ab Richtung Castel Gandolfo, dorthin, wo das zurückgetretene Kirchenoberhaupt die nächste Zeit verbringen wird. Um 20 Uhr dann endete offiziell sein Pontifikat. Es ist bekanntlich das erste Mal seit Jahrhunderten, dass ein Papst von seinem Amt zurücktritt. Bis ein neues Oberhaupt gewählt ist, ist die katholische Kirche also praktisch führungslos.
Mein Kollege Thielko Grieß, der hat am Abend mit Ludwig Ring-Eifel gesprochen. Er ist Chefredakteur der katholischen Nachrichtenagentur KNA. Und er hat ihn zuerst gefragt, welchen Eindruck er denn gestern vom Papst gewonnen hat.
Ludwig Ring-Eifel: Das war ein ähnlicher Eindruck wie schon in den letzten Tagen. Einerseits ist er ganz sichtbar sehr gelöst, so als ob die Last von ihm gefallen wäre. Er ist deutlich weniger gedrückt und gebeugt, er lächelt mehr, er ist wirklich entspannt und drückt das ja auch so aus und sagt, ich gehe jetzt das letzte Stück meines irdischen Pilgerweges. Auf der anderen Seite wurde doch an den Bildern auch noch mal dramatisch deutlich, wie alt er geworden ist, also wie gebrechlich er ist, wie zaghaft der Schritt ist, wie schwach er auch ist. Das haben diese Bilder noch mal wirklich sehr, sehr eindrucksvoll gezeigt.
Thielko Grieß: Sie haben ihn zitiert. Der Papst, der ehemalige Papst, müssen wir zu dieser Stunde sagen, hat gesagt, ich werde nicht länger Papst sein, sondern Pilger. Was hat er gemeint damit?
Ring-Eifel: Er hat damit ein Bild aufgegriffen, was katholischen Christen sehr vertraut ist aus dem Kirchenlied "Wir sind nur Gast auf Erden". Nach katholischer Auffassung ist halt das Leben auf der Erde ohnehin nur eine lange Pilgerreise. Man ist unterwegs zu seinem ewigen Ziel, also zurück zu Gott, wo man ursprünglich auch hergekommen ist. Und insofern hat er das Bild vom Pilgerweg gebraucht.
Grieß: Nun hat also die Sedisvakanz begonnen, die Zeit des unbesetzten Heiligen Stuhls, die ja erst dann endet, wenn es einen neuen Papst gibt. Was wird diese begonnen habende Sedisvakanz unterscheiden von der letzten Sedisvakanz, die zwischen dem Tod Papst Johannes Pauls II. und Benedikts Amtsantritt lag?
Ring-Eifel: Das ist einmal ein zeremonieller Unterschied. Wenn der Papst stirbt, dann gibt es bestimmte Rituale. Es gibt diese ergreifende Totenmesse, entweder auf dem Petersplatz oder im Petersdom. Es gibt eine ganz andere Stimmung aber auch dadurch. Man redet zum Beispiel nicht kritisch über den verstorbenen Papst. Das ist jetzt eine ganz andere Situation. Wir erleben jetzt schon, dass einige Kardinäle, etwa der von Australien, den zurückgetretenen Papst jetzt auch offen kritisiert und sagt: Er war zwar ein großer Theologe, aber Regieren war nicht so seine Stärke und da gibt es einiges zu verbessern. Also die Debatte über den Zustand der Kirche und insbesondere auch über den Zustand der vatikanischen Kurie, also der Kirchenspitze, diese Debatte beginnt sehr viel früher und sie wird sehr viel offener geführt als nach dem Tod eines Papstes.
Grieß: Wenn Sie sagen, man wird über den Zustand der Kurie sprechen, dann wird man das tun mit Blick auf die Wahl eines Nachfolgers, also sozusagen mit Blick auf die Konsequenzen, die man daraus ziehen muss, die ein Nachfolger daraus ziehen muss. Wird das so sein, erwarten Sie das?
Ring-Eifel: Unbedingt. Das ist ja der Sinn dieses sogenannten Präkonklaves. Die Sedisvakanz gliedert sich ja im Grunde in zwei Phasen. Das eine ist Präkonklave und das andere ist das eigentliche Konklave. Und während des Präkonklaves, was etwa zehn Tage oder so dauern wird, hat man eben die Chance, über den Zustand der Kirche zu diskutieren. Alle Kardinäle können da mitreden, übrigens auch die älteren Kardinäle, die gar nicht mehr wahlberechtigt sind, die aber oft eine Menge Erfahrung mitbringen aus ihrer Biografie und aus früheren Pontifikaten. Also das wird eine sehr bewegte Zeit mit sehr spannenden Debatten werden und das ist für uns Vatikanbeobachter mit die spannendste Zeit, die es überhaupt gibt.
Grieß: Benedikt XVI. hat noch zu seiner Amtszeit es ja ermöglicht, die finale Phase des Konklave vorzuverlegen, die Zeit also zu verkürzen unter die 15 Tage, die es eigentlich sonst mindestens sein müssten. Warum sollten die Kardinäle das tun?
Ring-Eifel: Da gibt es ganz offenbar jetzt schon zwei Lager. Es gibt ein Lager, die sagen, lasst uns doch in Ruhe diskutieren, 15 Tage sind sogar relativ knapp, es gibt so viele Probleme, die anstehen, also warum sollen wir es verkürzen. Dann gibt es ein anderes Lager, das sagt, na ja, der Zustand der Katholischen Kirche ist im Moment ohnehin schon sehr beunruhigend, wir haben hier eine Sache, für die es noch nie einen Präzedenzfall gab in der modernen Zeit, nämlich einen zurückgetretenen Papst, wir wissen nicht, wo das jetzt hingeht, lasst uns doch lieber diese Phase der Unsicherheit so kurz wie möglich halten und so schnell wie möglich einen Nachfolger bestimmen, damit wieder einer da ist, der das Heft in die Hand nimmt, damit also diese schwierige Übergangszeit nicht zu lange dauert und damit nicht zu viele Leute auf alle möglichen gefährlichen Ideen kommen.
Grieß: Ihre Einschätzung, Herr Ringeifel? Welches Lager wird sich durchsetzen?
Ring-Eifel: Es wird wahrscheinlich wie so oft in der Kirche auf einen Kompromiss hinauslaufen, nämlich dass man es ein bisschen vorzieht, vielleicht zwei, drei Tage, aber dann doch noch ausreichend Zeit für Debatten lässt, also vielleicht nicht 15 Tage, sondern nur zehn oder zwölf. Das wäre so mein Tipp. Vielleicht aber lässt man es dann doch bei den 15 Tagen.
Heckmann: Der Chefredakteur der katholischen Nachrichtenagentur KNA, Ludwig Ring-Eifel, war das im Gespräch mit meinem Kollegen Thielko Grieß.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mein Kollege Thielko Grieß, der hat am Abend mit Ludwig Ring-Eifel gesprochen. Er ist Chefredakteur der katholischen Nachrichtenagentur KNA. Und er hat ihn zuerst gefragt, welchen Eindruck er denn gestern vom Papst gewonnen hat.
Ludwig Ring-Eifel: Das war ein ähnlicher Eindruck wie schon in den letzten Tagen. Einerseits ist er ganz sichtbar sehr gelöst, so als ob die Last von ihm gefallen wäre. Er ist deutlich weniger gedrückt und gebeugt, er lächelt mehr, er ist wirklich entspannt und drückt das ja auch so aus und sagt, ich gehe jetzt das letzte Stück meines irdischen Pilgerweges. Auf der anderen Seite wurde doch an den Bildern auch noch mal dramatisch deutlich, wie alt er geworden ist, also wie gebrechlich er ist, wie zaghaft der Schritt ist, wie schwach er auch ist. Das haben diese Bilder noch mal wirklich sehr, sehr eindrucksvoll gezeigt.
Thielko Grieß: Sie haben ihn zitiert. Der Papst, der ehemalige Papst, müssen wir zu dieser Stunde sagen, hat gesagt, ich werde nicht länger Papst sein, sondern Pilger. Was hat er gemeint damit?
Ring-Eifel: Er hat damit ein Bild aufgegriffen, was katholischen Christen sehr vertraut ist aus dem Kirchenlied "Wir sind nur Gast auf Erden". Nach katholischer Auffassung ist halt das Leben auf der Erde ohnehin nur eine lange Pilgerreise. Man ist unterwegs zu seinem ewigen Ziel, also zurück zu Gott, wo man ursprünglich auch hergekommen ist. Und insofern hat er das Bild vom Pilgerweg gebraucht.
Grieß: Nun hat also die Sedisvakanz begonnen, die Zeit des unbesetzten Heiligen Stuhls, die ja erst dann endet, wenn es einen neuen Papst gibt. Was wird diese begonnen habende Sedisvakanz unterscheiden von der letzten Sedisvakanz, die zwischen dem Tod Papst Johannes Pauls II. und Benedikts Amtsantritt lag?
Ring-Eifel: Das ist einmal ein zeremonieller Unterschied. Wenn der Papst stirbt, dann gibt es bestimmte Rituale. Es gibt diese ergreifende Totenmesse, entweder auf dem Petersplatz oder im Petersdom. Es gibt eine ganz andere Stimmung aber auch dadurch. Man redet zum Beispiel nicht kritisch über den verstorbenen Papst. Das ist jetzt eine ganz andere Situation. Wir erleben jetzt schon, dass einige Kardinäle, etwa der von Australien, den zurückgetretenen Papst jetzt auch offen kritisiert und sagt: Er war zwar ein großer Theologe, aber Regieren war nicht so seine Stärke und da gibt es einiges zu verbessern. Also die Debatte über den Zustand der Kirche und insbesondere auch über den Zustand der vatikanischen Kurie, also der Kirchenspitze, diese Debatte beginnt sehr viel früher und sie wird sehr viel offener geführt als nach dem Tod eines Papstes.
Grieß: Wenn Sie sagen, man wird über den Zustand der Kurie sprechen, dann wird man das tun mit Blick auf die Wahl eines Nachfolgers, also sozusagen mit Blick auf die Konsequenzen, die man daraus ziehen muss, die ein Nachfolger daraus ziehen muss. Wird das so sein, erwarten Sie das?
Ring-Eifel: Unbedingt. Das ist ja der Sinn dieses sogenannten Präkonklaves. Die Sedisvakanz gliedert sich ja im Grunde in zwei Phasen. Das eine ist Präkonklave und das andere ist das eigentliche Konklave. Und während des Präkonklaves, was etwa zehn Tage oder so dauern wird, hat man eben die Chance, über den Zustand der Kirche zu diskutieren. Alle Kardinäle können da mitreden, übrigens auch die älteren Kardinäle, die gar nicht mehr wahlberechtigt sind, die aber oft eine Menge Erfahrung mitbringen aus ihrer Biografie und aus früheren Pontifikaten. Also das wird eine sehr bewegte Zeit mit sehr spannenden Debatten werden und das ist für uns Vatikanbeobachter mit die spannendste Zeit, die es überhaupt gibt.
Grieß: Benedikt XVI. hat noch zu seiner Amtszeit es ja ermöglicht, die finale Phase des Konklave vorzuverlegen, die Zeit also zu verkürzen unter die 15 Tage, die es eigentlich sonst mindestens sein müssten. Warum sollten die Kardinäle das tun?
Ring-Eifel: Da gibt es ganz offenbar jetzt schon zwei Lager. Es gibt ein Lager, die sagen, lasst uns doch in Ruhe diskutieren, 15 Tage sind sogar relativ knapp, es gibt so viele Probleme, die anstehen, also warum sollen wir es verkürzen. Dann gibt es ein anderes Lager, das sagt, na ja, der Zustand der Katholischen Kirche ist im Moment ohnehin schon sehr beunruhigend, wir haben hier eine Sache, für die es noch nie einen Präzedenzfall gab in der modernen Zeit, nämlich einen zurückgetretenen Papst, wir wissen nicht, wo das jetzt hingeht, lasst uns doch lieber diese Phase der Unsicherheit so kurz wie möglich halten und so schnell wie möglich einen Nachfolger bestimmen, damit wieder einer da ist, der das Heft in die Hand nimmt, damit also diese schwierige Übergangszeit nicht zu lange dauert und damit nicht zu viele Leute auf alle möglichen gefährlichen Ideen kommen.
Grieß: Ihre Einschätzung, Herr Ringeifel? Welches Lager wird sich durchsetzen?
Ring-Eifel: Es wird wahrscheinlich wie so oft in der Kirche auf einen Kompromiss hinauslaufen, nämlich dass man es ein bisschen vorzieht, vielleicht zwei, drei Tage, aber dann doch noch ausreichend Zeit für Debatten lässt, also vielleicht nicht 15 Tage, sondern nur zehn oder zwölf. Das wäre so mein Tipp. Vielleicht aber lässt man es dann doch bei den 15 Tagen.
Heckmann: Der Chefredakteur der katholischen Nachrichtenagentur KNA, Ludwig Ring-Eifel, war das im Gespräch mit meinem Kollegen Thielko Grieß.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.