Silvia Engels: Es sind nur knapp 20 Kilometer vom Umladebahnhof Dannenberg bis zum Zwischenlager Gorleben im Wendland. Schon seit Stunden stehen die Atommüll-Behälter abfahrbereit, doch die Straße ist dicht. Zum einen sitzen Tausende von Blockierern auf dem Weg, zum anderen hat ein LKW der Umweltorganisation Greenpeace den Polizeikräften zu schaffen gemacht.
Mitgehört hat der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Guten Morgen, Herr Wendt.
Rainer Wendt: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Sie haben gerade mitgehört. Welche sind denn die Hauptschwierigkeiten von Beamten, die jetzt eine solche Sitzblockade aufzulösen haben?
Wendt: Na ja, wir arbeiten unter Hochdruck und auch unter den Augen der Öffentlichkeit. Die Belastung unserer Einsatzkräfte ist noch nie so hoch gewesen, teilweise waren unsere Einheiten bis zu 30 Stunden im Einsatz. Wir werden im Anschluss an diesen Einsatz sehr sorgfältig nachzubereiten haben, ob wir das in Zukunft noch so machen können.
Engels: Was wollen Sie anders machen?
Wendt: Zunächst einmal muss man auch mit der Protestbewegung darüber diskutieren, ob das Ausdruck von demokratischem Protest ist, zum Beispiel die Funktionsfähigkeit der Polizei anzugreifen, die Nachschubwege der Polizei zu blockieren. Ich weiß nicht, was es mit demokratischem Protest zu tun hat, dass die Polizisten, Einsatzkräfte nichts zu essen bekommen und nicht abgelöst werden können. Das ist doch nicht Protest, das ist gezielter Angriff auf die Funktionsfähigkeit der Polizei, zulasten auch der Sicherheit und im Ergebnis auch zulasten des Protestes.
Engels: Das heißt, das, was ja auch einige Beamte beklagt haben, dass sie nach über 30-stündigem Dauerdienst weder mit warmen Getränken, noch mit Essen versorgt wurden, das ging zu Lasten der Demonstranten, weil da Zufahrtswege blockiert waren, oder war es auch zum Teil von den Behörden vorab schlecht organisiert?
Wendt: Das wird man sorgfältig nachzubereiten haben. Die polizeilichen Ziele sind ja erreicht worden. Wir werden in zweierlei Hinsicht eine Nachbereitung brauchen, natürlich die Einsatztaktik, wie können wir die Nachschubwege so sichern, dass das nicht passiert, aber auch vor allem die politische Diskussion muss dann einsetzen, die Frage, ob dieser massenhaft zelebrierte Rechtsbruch tatsächlich Ausdruck demokratischen Protestes sein kann. Das heißt, die Politik muss darauf Antworten finden, das darf nicht länger sozusagen auf Knochen und direkt auf der Gesundheit der eingesetzten Beamten gehen. Dieser Einsatz hat wirklich alle Dimensionen gesprengt.
Engels: Zu einer Zwischenbilanz dieses Einsatzes kommen wir gleich. Noch mal kurz zu der Kritik, die nun umgekehrt auch von Demonstranten an der Polizei geäußert wurde. Da hieß es gerade gestern, als die Schienen geräumt wurden, dass man zunächst verhandelt habe und dann wurde auf einmal doch geräumt und schneller geräumt mit der Folge eben von zahlreichen Verletzten durch Tränengas-Einsatz und andere Dinge, die eben durch diesen sehr schnellen, dann auch etwas rabiaten Polizeieinsatz verursacht worden seien. Was entgegnen Sie?
Wendt: Es hat ja auf den Schienen zwei Einsätze gegeben. Vormittags, als ganz gezielt schwere Straftaten begangen wurden, ...
Engels: Sie meinen das Schottern, also das Entfernen von Steinen.
Wendt: Das Schottern, ja. Das konnte man ja sogar im Fernsehen beobachten, und hier ist die Polizei richtigerweise sehr konsequent eingeschritten. Andererseits in der Nacht hat die Polizei diesen friedlichen Protest sehr friedlich auch geräumt. Das heißt, an diesem Einsatz ist überhaupt nichts einzusetzen. Alle in Gewahrsam genommenen Personen sind anständig behandelt worden, sind versorgt worden. Besser kann man es auch gar nicht machen.
Engels: Herr Wendt, dann kommen wir nun zur Zwischenbilanz dieses Einsatzes. Sie kritisieren, dass die Polizei auch wieder umsetzen musste, was die Politik möglicherweise nicht genügend erklärt hat. Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, also der anderen deutschen Polizeigewerkschaft, verlangt eine bessere gesellschaftliche Vermittlung der Politik, damit solche Konflikte nicht auf dem Rücken der Polizei ausgetragen werden. Können Sie damit auch konkrete Forderungen verknüpfen?
Wendt: Hier stimme ich meinem Kollegen Freiberg ausdrücklich zu. Wir haben ja zum Beispiel den Bundesumweltminister Röttgen erlebt, der sich vor die Kameras setzt und erklärt, wir haben die Mehrheit, wir haben das beschlossen und ihr habt das gefälligst zu akzeptieren. So kann man Politik überhaupt nicht vermitteln. Herr Röttgen ist ja neuer CDU-Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen und genau wegen dieses Politikstils ist die Regierung Rüttgers abgewählt worden. So braucht er in NRW gar nicht erst anzutreten.
Engels: Nun ist ja, um zu einem anderen Thema zu kommen, auch bekannt, dass in der direkten Umgebung der Castor-Behälter auch Strahlung auftritt. Greenpeace warnte jetzt davor, dass diese Strahlung hoch sei, man solle sich nicht zu nah nähern, die Warnung gelte auch für Beamte. Die Behörden sagen, die Grenzwerte seien nicht erreicht. Sorgt so etwas auch für Unruhe unter den Beamten?
Wendt: Ja, das besorgt uns seit langer Zeit. Das ist ja auch der Grund, weshalb Polizisten immer schon vorsorglich Dienstunfallschutz beantragt haben. Diese Diskussion führen wir seit vielen Jahren. Ich kann zu der Technik da wenig sagen, da bin ich kein Fachmann. Wir müssen in der Tat auch darauf vertrauen, dass die Behördenangaben stimmen.
Engels: Welche Stimmung erreicht Sie von den Beamten, die jetzt auch schon lange Dienst in Gorleben geschoben haben?
Wendt: Als wirklich ganz, ganz schlimm werden die Stellungnahmen aus den Ministerien in Berlin empfunden, die überhaupt keine Probleme damit haben zu sagen, es ist alles in Ordnung und es ist alles prima. Das treibt den Beamten schon die Zornesröte ins Gesicht, die da 20 Stunden und länger bei Eiseskälte, hungrig, frierend an den Gleisen stehen. Da sollten sich die Ministeriensprecher mal überlegen, ob es nicht auch anders geht.
Engels: Dann noch mal der Blick dahin. Was denken Sie, wäre auch mit Mediatoren im Vorfeld, wäre über solche Möglichkeiten die Spitze dieses Protestes und vor allen Dingen die Dauer dieses Protestes zu brechen, oder hat das eine Eigendynamik?
Wendt: Das hat mittlerweile seine Eigendynamik. Dieser Protest ist ja zu einem Ritual geworden. Aber wir müssen dafür sorgen, dass das nicht länger so bleibt, denn die Polizei kann auf gar keinen Fall mit ihrer Gesundheit für dieses Ritual länger einstehen.
Engels: Sie kann nicht länger einstehen, das ist mittelfristig der Fall. Was denken Sie denn, wie Sie jetzt kurzfristig diesen Einsatz noch zu einem ruhigen Ende bringen können, denn man kann ja nicht garantieren, dass die Polizisten nach der langen Dienstzeit auch immer so ruhig bleiben können?
Wendt: Doch, das kann man garantieren. Unsere Polizisten sind Profis und die sind gut ausgebildet, die haben eine Engelsgeduld. Sie können sicher sein, dass das ganz ruhig zu Ende gebracht wird und auch gewaltfrei endet.
Engels: Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, heute in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk, und Sie hören es im Hintergrund: Herr Wendt ist ein sehr gefragter Mann. Dann gehen Sie dort ans Telefon. Danke und auf Wiederhören!
Wendt: Ja. Tschüss!
Mitgehört hat der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Guten Morgen, Herr Wendt.
Rainer Wendt: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Sie haben gerade mitgehört. Welche sind denn die Hauptschwierigkeiten von Beamten, die jetzt eine solche Sitzblockade aufzulösen haben?
Wendt: Na ja, wir arbeiten unter Hochdruck und auch unter den Augen der Öffentlichkeit. Die Belastung unserer Einsatzkräfte ist noch nie so hoch gewesen, teilweise waren unsere Einheiten bis zu 30 Stunden im Einsatz. Wir werden im Anschluss an diesen Einsatz sehr sorgfältig nachzubereiten haben, ob wir das in Zukunft noch so machen können.
Engels: Was wollen Sie anders machen?
Wendt: Zunächst einmal muss man auch mit der Protestbewegung darüber diskutieren, ob das Ausdruck von demokratischem Protest ist, zum Beispiel die Funktionsfähigkeit der Polizei anzugreifen, die Nachschubwege der Polizei zu blockieren. Ich weiß nicht, was es mit demokratischem Protest zu tun hat, dass die Polizisten, Einsatzkräfte nichts zu essen bekommen und nicht abgelöst werden können. Das ist doch nicht Protest, das ist gezielter Angriff auf die Funktionsfähigkeit der Polizei, zulasten auch der Sicherheit und im Ergebnis auch zulasten des Protestes.
Engels: Das heißt, das, was ja auch einige Beamte beklagt haben, dass sie nach über 30-stündigem Dauerdienst weder mit warmen Getränken, noch mit Essen versorgt wurden, das ging zu Lasten der Demonstranten, weil da Zufahrtswege blockiert waren, oder war es auch zum Teil von den Behörden vorab schlecht organisiert?
Wendt: Das wird man sorgfältig nachzubereiten haben. Die polizeilichen Ziele sind ja erreicht worden. Wir werden in zweierlei Hinsicht eine Nachbereitung brauchen, natürlich die Einsatztaktik, wie können wir die Nachschubwege so sichern, dass das nicht passiert, aber auch vor allem die politische Diskussion muss dann einsetzen, die Frage, ob dieser massenhaft zelebrierte Rechtsbruch tatsächlich Ausdruck demokratischen Protestes sein kann. Das heißt, die Politik muss darauf Antworten finden, das darf nicht länger sozusagen auf Knochen und direkt auf der Gesundheit der eingesetzten Beamten gehen. Dieser Einsatz hat wirklich alle Dimensionen gesprengt.
Engels: Zu einer Zwischenbilanz dieses Einsatzes kommen wir gleich. Noch mal kurz zu der Kritik, die nun umgekehrt auch von Demonstranten an der Polizei geäußert wurde. Da hieß es gerade gestern, als die Schienen geräumt wurden, dass man zunächst verhandelt habe und dann wurde auf einmal doch geräumt und schneller geräumt mit der Folge eben von zahlreichen Verletzten durch Tränengas-Einsatz und andere Dinge, die eben durch diesen sehr schnellen, dann auch etwas rabiaten Polizeieinsatz verursacht worden seien. Was entgegnen Sie?
Wendt: Es hat ja auf den Schienen zwei Einsätze gegeben. Vormittags, als ganz gezielt schwere Straftaten begangen wurden, ...
Engels: Sie meinen das Schottern, also das Entfernen von Steinen.
Wendt: Das Schottern, ja. Das konnte man ja sogar im Fernsehen beobachten, und hier ist die Polizei richtigerweise sehr konsequent eingeschritten. Andererseits in der Nacht hat die Polizei diesen friedlichen Protest sehr friedlich auch geräumt. Das heißt, an diesem Einsatz ist überhaupt nichts einzusetzen. Alle in Gewahrsam genommenen Personen sind anständig behandelt worden, sind versorgt worden. Besser kann man es auch gar nicht machen.
Engels: Herr Wendt, dann kommen wir nun zur Zwischenbilanz dieses Einsatzes. Sie kritisieren, dass die Polizei auch wieder umsetzen musste, was die Politik möglicherweise nicht genügend erklärt hat. Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, also der anderen deutschen Polizeigewerkschaft, verlangt eine bessere gesellschaftliche Vermittlung der Politik, damit solche Konflikte nicht auf dem Rücken der Polizei ausgetragen werden. Können Sie damit auch konkrete Forderungen verknüpfen?
Wendt: Hier stimme ich meinem Kollegen Freiberg ausdrücklich zu. Wir haben ja zum Beispiel den Bundesumweltminister Röttgen erlebt, der sich vor die Kameras setzt und erklärt, wir haben die Mehrheit, wir haben das beschlossen und ihr habt das gefälligst zu akzeptieren. So kann man Politik überhaupt nicht vermitteln. Herr Röttgen ist ja neuer CDU-Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen und genau wegen dieses Politikstils ist die Regierung Rüttgers abgewählt worden. So braucht er in NRW gar nicht erst anzutreten.
Engels: Nun ist ja, um zu einem anderen Thema zu kommen, auch bekannt, dass in der direkten Umgebung der Castor-Behälter auch Strahlung auftritt. Greenpeace warnte jetzt davor, dass diese Strahlung hoch sei, man solle sich nicht zu nah nähern, die Warnung gelte auch für Beamte. Die Behörden sagen, die Grenzwerte seien nicht erreicht. Sorgt so etwas auch für Unruhe unter den Beamten?
Wendt: Ja, das besorgt uns seit langer Zeit. Das ist ja auch der Grund, weshalb Polizisten immer schon vorsorglich Dienstunfallschutz beantragt haben. Diese Diskussion führen wir seit vielen Jahren. Ich kann zu der Technik da wenig sagen, da bin ich kein Fachmann. Wir müssen in der Tat auch darauf vertrauen, dass die Behördenangaben stimmen.
Engels: Welche Stimmung erreicht Sie von den Beamten, die jetzt auch schon lange Dienst in Gorleben geschoben haben?
Wendt: Als wirklich ganz, ganz schlimm werden die Stellungnahmen aus den Ministerien in Berlin empfunden, die überhaupt keine Probleme damit haben zu sagen, es ist alles in Ordnung und es ist alles prima. Das treibt den Beamten schon die Zornesröte ins Gesicht, die da 20 Stunden und länger bei Eiseskälte, hungrig, frierend an den Gleisen stehen. Da sollten sich die Ministeriensprecher mal überlegen, ob es nicht auch anders geht.
Engels: Dann noch mal der Blick dahin. Was denken Sie, wäre auch mit Mediatoren im Vorfeld, wäre über solche Möglichkeiten die Spitze dieses Protestes und vor allen Dingen die Dauer dieses Protestes zu brechen, oder hat das eine Eigendynamik?
Wendt: Das hat mittlerweile seine Eigendynamik. Dieser Protest ist ja zu einem Ritual geworden. Aber wir müssen dafür sorgen, dass das nicht länger so bleibt, denn die Polizei kann auf gar keinen Fall mit ihrer Gesundheit für dieses Ritual länger einstehen.
Engels: Sie kann nicht länger einstehen, das ist mittelfristig der Fall. Was denken Sie denn, wie Sie jetzt kurzfristig diesen Einsatz noch zu einem ruhigen Ende bringen können, denn man kann ja nicht garantieren, dass die Polizisten nach der langen Dienstzeit auch immer so ruhig bleiben können?
Wendt: Doch, das kann man garantieren. Unsere Polizisten sind Profis und die sind gut ausgebildet, die haben eine Engelsgeduld. Sie können sicher sein, dass das ganz ruhig zu Ende gebracht wird und auch gewaltfrei endet.
Engels: Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, heute in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk, und Sie hören es im Hintergrund: Herr Wendt ist ein sehr gefragter Mann. Dann gehen Sie dort ans Telefon. Danke und auf Wiederhören!
Wendt: Ja. Tschüss!