Dirk-Oliver Heckmann: Die Hungersnot in Ostafrika, es ist wohl die größte humanitäre Katastrophe seit Jahrzehnten. Gestern kam die Welternährungsorganisation FAO in Rom zu einer Krisensitzung zusammen. Allerdings waren die Beschlüsse eher dürftig. Wie steht es da um die Spendenbereitschaft der Deutschen derzeit? – Das hat mein Kollege Martin Zagatta Josef Sayer gefragt, er ist Vorstandsvorsitzender der Hilfsorganisation Misereor.
Josef Sayer: Ich meine, wenn die Staaten 1,1 Milliarden zusammenbringen wollen, ist das eine Sache. Die Spendenbereitschaft der Menschen, also nicht der staatlichen Hilfe, ist eine andere Sache. Wir bei Misereor machen doch die Erfahrung, dass eigentlich die Spendenbereitschaft gut ist, dass die Menschen sich die Not der Hungernden und vor allem auch der Durstenden da zu Herzen gehen lassen. Also ich könnte nicht sagen, dass hier ein Mangel bestünde. Für mich besteht eher der Mangel im Verhalten der Staaten.
Martin Zagatta: Inwiefern?
Sayer: Und zwar deshalb, weil das ist ja keine Katastrophe, die vom Himmel gefallen ist von heute auf morgen, sondern man weiß ja lange schon, dass eben seit dem ganzen letzten Jahr der Regen um 50 Prozent zurückgegangen ist in dem ganzen ostafrikanischen Gebiet, und von daher hätte man sich längst einstellen können. Also ich bin, muss ich sagen, erschüttert, dass es so weit kommen konnte. Die Opfer stehen für mich im Vordergrund. Es gilt, dem Leben Vorrang zu geben einerseits.
Andererseits muss ich sagen, wir haben gute Versprechen von der UN gehabt im Jahr 2000, die Millenniums-Entwicklungsziele, den Hunger um die Hälfte zu reduzieren. Was ist daraus geworden?
Zagatta: Davon ist keine Rede mehr?
Sayer: Davon hört man kaum was und ich denke, als die Banken in die Krise gekommen sind und untergehen zu drohten, es ans Sterben ging, da hatte man rasch eingegriffen und hat geholfen. Und ich sage, eben jetzt müssten die, denen da geholfen worden ist, beispielsweise mit einer Transaktionssteuer langfristig helfen, sodass nicht einmalig 1,1 Milliarden da gesammelt werden, sondern dass langfristig Programme in die Wege geleitet werden können, dass solche Hungergebiete tatsächlich aufgearbeitet werden, dass hier Landwirtschaft in einer Weise möglich ist, die trotz des wenigen Niederschlags das Nötige für das Leben abwirft. Und da, denke ich, muss man tatsächlich Schritte tun, um dem Hunger langfristig zu begegnen.
Zagatta: Aber das – und das ist ja heute auch wieder beschlossen worden bei der FAO, bei dieser Konferenz -, solche Konzepte hat es doch so oft schon gegeben in der Vergangenheit. Warum soll das jetzt funktionieren, wenn es zuvor nicht funktioniert hat?
Sayer: Ich finde, was es vorher gegeben hat bei den verschiedenen Tagungen, das waren immer die Versprechungen: Eine Milliarde für Afrika jetzt, also für ein kleineres Gebiet, im Zusammenhang mit dem Klimawandel sind Versprechungen gemacht worden, im Zusammenhang mit den G-8- und G-20-Gipfeln werden Versprechungen gemacht, aber es fehlt an der Kohärenz, an der Umsetzung, und das ist für mich der entscheidende Punkt. Es gibt doch Instrumente, zum Beispiel den Weltagrarbericht. Hätte man den Weltagrarbericht, der von der UN herausgegeben worden ist 2008, 2009, mit ganz konkreten Schritten, hätte man den umgesetzt, dann, denke ich, würden wir nicht einfach dastehen. Es geht hier um den Willen.
Und mit den Banken, noch mal zurückzukommen, glaube ich, ist entscheidend, dass wir Instrumente haben, um Geld einzusammeln nicht nur, wenn eine Katastrophe ist, sondern dass kontinuierlich Geldflüsse da sind, um solche Programme für Ostafrika beispielsweise Jahr für Jahr umsetzen zu können.
Zagatta: Welche Rolle spielt da Deutschland aus Ihrer Sicht? Der Bundesregierung wird ja vorgeworfen, deutlich weniger Hilfe zu leisten als andere westeuropäische Staaten. Ist dieser Vorwurf berechtigt?
Sayer: Ich denke, anfangs sah es so aus. Aber mittlerweile hat ja die Bundesrepublik mit nachgezogen und hat jetzt ja, wenn ich recht informiert bin, 60 Millionen zugesagt und ist da am Ball. Aber was das Entscheidende für mich ist, dass die Bundesregierung ihre Rolle spielen müsste bei der Bekämpfung des Klimawandels, dass sie schauen müsste, was kann sie tun in Richtung auf Südafrika, wenn die nächste Konferenz da ist, Rio plus 20, was kann sie tun, um andere europäische Länder mit ins Boot zu nehmen, damit eben nicht diejenigen in den Südkontinenten, die kaum CO2-Ausstöße haben, dass die die Folgen erleiden müssen und wir eigentlich uns in den Industrieländern, in den Schwellenländern nicht bewegen, um tatsächlich die Maßnahmen für die Anpassung an einen Klimawandel langfristig zu schaffen.
Zagatta: Herr Sayer, was kann man denn in einem Land wie Somalia überhaupt tun, wenn es da eine islamistische Miliz gibt im Moment, die das Sagen hat und die jetzt angekündigt hat, die westliche Hilfe gar nicht erst ins Land zu lassen?
Sayer: Ich denke, Somalia ist wirklich ein schwieriges Land. Wenn ich sehe, was die Trockenheitsanfälligkeit Somalias anlangt, steht Somalia gar nicht so schlecht da, ist im Vergleich zu Äthiopien und Kenia viel, viel besser. Äthiopien und Kenia stehen auf dem 6. beziehungsweise auf dem 5. Platz der Anfälligkeit von 184 Staaten und Somalia auf dem 85. Platz. Ich sage das, weil damit auch das Problem gekennzeichnet ist. Es geht nämlich um die Sicherheitsfrage. Wie ist es zu schaffen, dass in so einem Land ja Strukturen da sind, dass der Staat funktioniert und Sicherheit da ist, um so etwas wie eine Landwirtschaft kontinuierlich ausführen zu können, damit tatsächlich die Menschen sich ernähren können. Also Sicherheitsfrage, und da, denke ich, spielen eben die al-Shabab eine wichtige Rolle, wie schaffen wir, dass eben in dem südlichen Teil – ist ja nur ein Teil, wo die da sind, im südlichen Teil – eine Sicherheit so zu bewegen, dass die Menschen nicht fliehen müssen. Ich weiß, das ist äußerst schwierig zu erreichen. Ich weiß aber nicht, ob sich die Weltgemeinschaft tatsächlich mit der nötigen Konsequenz diesem Problem zuwendet zurzeit.
Heckmann: Über die Hungerkatastrophe im Osten Afrikas hat mein Kollege Martin Zagatta gesprochen mit Josef Sayer, er ist Vorstandsvorsitzender der Hilfsorganisation Misereor.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Josef Sayer: Ich meine, wenn die Staaten 1,1 Milliarden zusammenbringen wollen, ist das eine Sache. Die Spendenbereitschaft der Menschen, also nicht der staatlichen Hilfe, ist eine andere Sache. Wir bei Misereor machen doch die Erfahrung, dass eigentlich die Spendenbereitschaft gut ist, dass die Menschen sich die Not der Hungernden und vor allem auch der Durstenden da zu Herzen gehen lassen. Also ich könnte nicht sagen, dass hier ein Mangel bestünde. Für mich besteht eher der Mangel im Verhalten der Staaten.
Martin Zagatta: Inwiefern?
Sayer: Und zwar deshalb, weil das ist ja keine Katastrophe, die vom Himmel gefallen ist von heute auf morgen, sondern man weiß ja lange schon, dass eben seit dem ganzen letzten Jahr der Regen um 50 Prozent zurückgegangen ist in dem ganzen ostafrikanischen Gebiet, und von daher hätte man sich längst einstellen können. Also ich bin, muss ich sagen, erschüttert, dass es so weit kommen konnte. Die Opfer stehen für mich im Vordergrund. Es gilt, dem Leben Vorrang zu geben einerseits.
Andererseits muss ich sagen, wir haben gute Versprechen von der UN gehabt im Jahr 2000, die Millenniums-Entwicklungsziele, den Hunger um die Hälfte zu reduzieren. Was ist daraus geworden?
Zagatta: Davon ist keine Rede mehr?
Sayer: Davon hört man kaum was und ich denke, als die Banken in die Krise gekommen sind und untergehen zu drohten, es ans Sterben ging, da hatte man rasch eingegriffen und hat geholfen. Und ich sage, eben jetzt müssten die, denen da geholfen worden ist, beispielsweise mit einer Transaktionssteuer langfristig helfen, sodass nicht einmalig 1,1 Milliarden da gesammelt werden, sondern dass langfristig Programme in die Wege geleitet werden können, dass solche Hungergebiete tatsächlich aufgearbeitet werden, dass hier Landwirtschaft in einer Weise möglich ist, die trotz des wenigen Niederschlags das Nötige für das Leben abwirft. Und da, denke ich, muss man tatsächlich Schritte tun, um dem Hunger langfristig zu begegnen.
Zagatta: Aber das – und das ist ja heute auch wieder beschlossen worden bei der FAO, bei dieser Konferenz -, solche Konzepte hat es doch so oft schon gegeben in der Vergangenheit. Warum soll das jetzt funktionieren, wenn es zuvor nicht funktioniert hat?
Sayer: Ich finde, was es vorher gegeben hat bei den verschiedenen Tagungen, das waren immer die Versprechungen: Eine Milliarde für Afrika jetzt, also für ein kleineres Gebiet, im Zusammenhang mit dem Klimawandel sind Versprechungen gemacht worden, im Zusammenhang mit den G-8- und G-20-Gipfeln werden Versprechungen gemacht, aber es fehlt an der Kohärenz, an der Umsetzung, und das ist für mich der entscheidende Punkt. Es gibt doch Instrumente, zum Beispiel den Weltagrarbericht. Hätte man den Weltagrarbericht, der von der UN herausgegeben worden ist 2008, 2009, mit ganz konkreten Schritten, hätte man den umgesetzt, dann, denke ich, würden wir nicht einfach dastehen. Es geht hier um den Willen.
Und mit den Banken, noch mal zurückzukommen, glaube ich, ist entscheidend, dass wir Instrumente haben, um Geld einzusammeln nicht nur, wenn eine Katastrophe ist, sondern dass kontinuierlich Geldflüsse da sind, um solche Programme für Ostafrika beispielsweise Jahr für Jahr umsetzen zu können.
Zagatta: Welche Rolle spielt da Deutschland aus Ihrer Sicht? Der Bundesregierung wird ja vorgeworfen, deutlich weniger Hilfe zu leisten als andere westeuropäische Staaten. Ist dieser Vorwurf berechtigt?
Sayer: Ich denke, anfangs sah es so aus. Aber mittlerweile hat ja die Bundesrepublik mit nachgezogen und hat jetzt ja, wenn ich recht informiert bin, 60 Millionen zugesagt und ist da am Ball. Aber was das Entscheidende für mich ist, dass die Bundesregierung ihre Rolle spielen müsste bei der Bekämpfung des Klimawandels, dass sie schauen müsste, was kann sie tun in Richtung auf Südafrika, wenn die nächste Konferenz da ist, Rio plus 20, was kann sie tun, um andere europäische Länder mit ins Boot zu nehmen, damit eben nicht diejenigen in den Südkontinenten, die kaum CO2-Ausstöße haben, dass die die Folgen erleiden müssen und wir eigentlich uns in den Industrieländern, in den Schwellenländern nicht bewegen, um tatsächlich die Maßnahmen für die Anpassung an einen Klimawandel langfristig zu schaffen.
Zagatta: Herr Sayer, was kann man denn in einem Land wie Somalia überhaupt tun, wenn es da eine islamistische Miliz gibt im Moment, die das Sagen hat und die jetzt angekündigt hat, die westliche Hilfe gar nicht erst ins Land zu lassen?
Sayer: Ich denke, Somalia ist wirklich ein schwieriges Land. Wenn ich sehe, was die Trockenheitsanfälligkeit Somalias anlangt, steht Somalia gar nicht so schlecht da, ist im Vergleich zu Äthiopien und Kenia viel, viel besser. Äthiopien und Kenia stehen auf dem 6. beziehungsweise auf dem 5. Platz der Anfälligkeit von 184 Staaten und Somalia auf dem 85. Platz. Ich sage das, weil damit auch das Problem gekennzeichnet ist. Es geht nämlich um die Sicherheitsfrage. Wie ist es zu schaffen, dass in so einem Land ja Strukturen da sind, dass der Staat funktioniert und Sicherheit da ist, um so etwas wie eine Landwirtschaft kontinuierlich ausführen zu können, damit tatsächlich die Menschen sich ernähren können. Also Sicherheitsfrage, und da, denke ich, spielen eben die al-Shabab eine wichtige Rolle, wie schaffen wir, dass eben in dem südlichen Teil – ist ja nur ein Teil, wo die da sind, im südlichen Teil – eine Sicherheit so zu bewegen, dass die Menschen nicht fliehen müssen. Ich weiß, das ist äußerst schwierig zu erreichen. Ich weiß aber nicht, ob sich die Weltgemeinschaft tatsächlich mit der nötigen Konsequenz diesem Problem zuwendet zurzeit.
Heckmann: Über die Hungerkatastrophe im Osten Afrikas hat mein Kollege Martin Zagatta gesprochen mit Josef Sayer, er ist Vorstandsvorsitzender der Hilfsorganisation Misereor.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.