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"Das ist total kontraproduktiv"

Die Bundesvorsitzende des Verbandes junger Unternehmer, Marie Christine Ostermann, lehnt eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote ab. Vielmehr seien bessere Rahmenbedingungen erforderlich, um Frauen in Führungspositionen zu bringen. Als Beispiel nannte sie mehr Kindergarten-Plätze und mehr Plätze in Ganztagsschulen.

Marie Christine Ostermann im Gespräch mit Christian Bremkamp |
    Christian Bremkamp: Auch nach dem Machtwort von Bundeskanzlerin Merkel zur Frauenquote schwelt die Debatte um mehr Frauen in deutschen Führungsetagen weiter. SPD, Grüne und die Gewerkschaft ver.di wollen sich mit der Absage der Kanzlerin nicht zufriedengeben und dringen weiter auf mehr Frauen in leitenden Positionen. Familienministerin Schröder sieht sich hingegen in ihrem Vorschlag bestätigt, erst einmal auf mehr Flexibilität in den Unternehmen zu setzen, um so die Aufstiegschancen von Frauen zu erleichtern und das Familienleben zu stärken. Am Telefon begrüße ich jetzt Marie Christine Ostermann. Sie ist Bundesvorsitzende des Verbandes "Die Jungen Unternehmer". Guten Tag, Frau Ostermann.

    Marie Christine Ostermann: Guten Tag!

    Bremkamp: Sie sind geschäftsführende Gesellschafterin eines Lebensmittel-Großhandels in Hamm, kommen also aus der Praxis. Wie fördern Sie denn Frauen in Ihrem Unternehmen? Inwieweit achten Sie dort auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

    Ostermann: Wir haben bei uns bei Rullko zum Glück die Situation, dass sich viel, viel mehr Frauen bei uns bewerben als Männer, und die sind wirklich alle sehr auf Zack. Ich freue mich natürlich auch, wenn die jungen Damen dann Kinder bekommen, und wir gehen individuell auf jede Frau zu und können uns da zum Glück sehr individuell auf flexible Arbeitszeiten einigen, und die meisten Frauen kommen dann wirklich auch schnell zurück ins Unternehmen, worüber wir sehr froh sind, denn so geht uns die Fachkompetenz auch nicht verloren. Zusätzlich bieten wir auch die Möglichkeit an, vom Home Office aus zu arbeiten, und wir leben auch eine Kultur im Unternehmen, dass wir wirklich normale Arbeitszeiten pflegen, sprich, dass die Leute auch abends und am Wochenende bei ihrer Familie sein können. Wir haben auch viel Vertrauen gegenseitig. Das heißt, wir versuchen, nicht immer alles selber machen zu müssen, sondern wir delegieren auch und legen Verantwortung in andere Hände, sodass die ganze Arbeit wirklich gut auf alle Schultern verteilt ist.

    Bremkamp: Das ist ja quasi das, was die Familienministerin gerade fordert. Sähe diese Kultur in Ihrem Unternehmen möglicherweise anders aus, wenn mehr Männer da wären?

    Ostermann: Nein, das glaube ich nicht. Wir haben zum Beispiel auch einen Mann, der eben auch vom Home Office teilweise aus arbeitet, und das funktioniert sehr gut und der ist hoch motiviert und die ganze Familie zieht mit, weil er sich so eben auch gut um die Familie kümmern kann. Wir haben auch andere Männer, die eben auch die Elternzeit in Anspruch genommen haben und da auch mit sehr gutem Beispiel vorangegangen sind, und das ist auch ganz wichtig, da es in Deutschland ja immer noch nicht ganz so üblich ist, dass der Mann dann vielleicht auch mal zurücksteckt und zu Hause bleibt und sich mehr um die Familie kümmert. Aber ich habe das Gefühl, dass es auch immer mehr Männer gibt, die da mit gutem Beispiel vorangehen, und das ist eine tolle Sache.

    Bremkamp: Aber offenbar nicht alle Chefs von deutschen Unternehmen denken so, denn sonst wäre diese Debatte um Quote ja gar nicht nötig.

    Ostermann: Diese Debatte um Quote finde ich völlig kontraproduktiv, denn ich glaube nicht, dass es den Frauen hilft, wenn sie als Quotenfrau abgestempelt werden. Und ich finde auch, dass es wirklich ein Unternehmer selbst frei entscheiden muss, wen er einstellt, unabhängig von einer Quote. Ich begrüße natürlich auch sehr mehr Frauen in Chefpositionen, aber dafür brauchen wir erst mal auch viel, viel bessere Rahmenbedingungen, und hier ist wirklich auch die Politik gefordert. Wir brauchen mehr Kitaplätze und mehr Ganztagsschulen, und dann bin ich auch überzeugt, dass mehr Frauen auch noch den Schritt in die Chefetage wagen möchten.

    Bremkamp: Der Ruf nach dem Staat. – Müssten nicht auch mehr Betriebe in Eigeninitiative beispielsweise eigene Kitas eröffnen?

    Ostermann: Das tun ja auch zum Glück schon viele. Gerade die mittelständischen Betriebe gehen mit gutem Beispiel voran. Zum Beispiel im Verband der jungen Unternehmer sind immerhin schon über 20 Prozent der Chefs weiblich. Aber natürlich wäre es auch toll, wenn sich gerade kleinere Betriebe noch mehr zusammenschließen könnten und vielleicht gemeinsam einen Kindergarten einrichten könnten, auch mithilfe des Staates. Das wäre zum Beispiel auch eine gute Idee.

    Bremkamp: Wenn bei Ihnen im Verband so viele Frauen engagiert sind, Mitglied sind, warum heißt der Verband dann eigentlich junger Unternehmer und nicht junger Unternehmerinnen?

    Ostermann: Wissen Sie, ich als Frau habe ja schon die Zügel in der Hand bei uns im Verband und ich habe mir gedacht, zumindest beim Namen kann ich ja dann mal den Herren bei uns den Vortritt lassen. Aber ich bin ja nun die Chefin und führe den Verband, wir haben viele andere Frauen bei uns, die mitwirken, aber auch viele Männer, und ich finde, die Mischung macht es. Das ist das, worauf es ankommt.

    Bremkamp: In einem Internetsteckbrief ist von Ihnen zu erfahren, "meinen Tag beginne ich mit einem gemeinsamen Frühstück mit meinem Vater. Mein Vater und ich führen das Unternehmen nämlich gemeinsam." Das Glück haben natürlich die wenigsten Frauen, die erfolgreich im Beruf sein wollen.

    Ostermann: Da haben Sie sicherlich recht, dass ich da auch Glück hatte in meinem Leben. Auf der anderen Seite ist mein Vater aber auch mein schärfster Kritiker und er würde mir nicht die Verantwortung für 150 Mitarbeiter eines Betriebes übertragen, der schon fast 90 Jahre besteht, wenn er nicht absolut davon überzeugt wäre, dass ich die richtige Person dafür bin. Ich habe eine sehr, sehr harte Ausbildung durchlaufen und ich kann Ihnen sagen, es ist teilweise auch sehr, sehr schwierig, wenn sie mit ihrem eigenen Vater im Betrieb zusammenarbeiten müssen. Abgesehen davon bin ich ja glücklicherweise auch bei Fielmann im Aufsichtsrat und diesen Posten habe ich aufgrund meiner Qualifikation auch bekommen und da bestehen auch überhaupt keine familiären Beziehungen zu Fielmann.

    Bremkamp: Also durchboxen mussten Sie sich auch?

    Ostermann: Ja, durchboxen musste ich mich auch und ich kann nur sagen, es ist machbar, es ist zu schaffen, es macht unglaublich viel Spaß, ich kann es den Damen wirklich nur raten. Aber ich finde es auch wichtig, dass jeder im Leben das macht, wozu er Lust hat und womit er oder sie glücklich wird. Es kann ein Chefposten sein, muss aber nicht. Das muss jeder Mensch wirklich selber wissen.

    Bremkamp: Im Grunde geht es in der laufenden Debatte ja um Freiwilligkeit versus Vorgabe. Halten Sie es denn für realistisch, dass sich Unternehmer, also männliche Unternehmer, beweglich zeigen und künftig wirklich mehr für Frauen tun? Die Forderung an sich ist ja nicht neu.

    Ostermann: Oh, ich glaube auf jeden Fall, weil es einfach schon so viele, viele gute Frauen gibt. Es müssen aber noch viel, viel mehr werden. Zum Beispiel müssten die Mädels mehr Ingenieurwesen studieren und naturwissenschaftliche Fächer, damit die Unternehmer natürlich noch viel mehr die Möglichkeit haben, diese Frauen überhaupt auf die Chefposten zu setzen. Aber ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass ganz viele Unternehmen und Unternehmer sehr daran interessiert sind, Frauen zu fördern und in Chefposten zu berufen. Auch ich kann mich vor Anfragen für Aufsichtsräte und andere Posten kaum retten, deswegen habe ich wirklich das Gefühl, dass die Frauen sehr stark im Kommen sind und sehr, sehr nachgefragt werden von den Unternehmen.

    Bremkamp: Aber wie erklären Sie sich dann, dass Arbeitsministerin von der Leyen mit ihrer Quotenforderung an die Öffentlichkeit gegangen ist, wenn es offenbar ja alles schon so toll ist, wie Sie meinen?

    Ostermann: Weil natürlich diese 97 Prozent Männer in Vorständen von börsennotierten, von den größten Unternehmen, das ist natürlich jetzt keine gute Zahl. Aber ich rede hier aus meinen eigenen Erfahrungen, was viele mittelständische Betriebe und was unseren Unternehmerverband betrifft. Da zeigt sich halt eben dieser Trend und deswegen bin ich mir absolut sicher, dass die Quote einfach der falsche Weg wäre, weil es einfach gesetzlicher Zwang ist. Ich bin mir sicher, dass wir einfach noch wesentlich bessere Rahmenbedingungen brauchen, denn der Wille – und das zeigt auch die Erfahrung bei uns im Verband – der Unternehmer, viele Frauen in die Chefposten zu nehmen, der ist wirklich da.

    Bremkamp: Aber dann scheint der Trend ja in der mittleren Ebene haltzumachen und die Männer können sagen, ach gut, dann lassen wir die Frauen mal irgendwie in den mittelständischen Unternehmen werkeln, wir können ja Chef von einem DAX-Konzern werden, denn das können die Frauen offenbar ja noch nicht.

    Ostermann: Nein, der Trend macht nicht Halt. Es gibt ja auch viele positive Beispiele, sowohl in Unternehmen, aber auch in der Politik, ob sie Angela Merkel nehmen, oder Margaret Thatcher schon vor 30 Jahren, oder Hillary Clinton. Es gibt so viele positive Beispiele an Frauen, die es ohne Quote geschafft haben.

    Bremkamp: Das waren jetzt drei!

    Ostermann: Sie können einfach planwirtschaftlich mit der Gesetzeskeule kommen. Das ist einfach der falsche Weg und der wird auch nicht nachhaltig sein.

    Bremkamp: Aber wäre es nicht überlegenswert oder sinnvoll, für die Höchsten, diese DAX-Konzerne, dort eine Quote einzurichten, weil dort scheitern Frauen ja offenbar?

    Ostermann: Nein, das ist Quatsch, weil sie brauchen ja dann auch wirklich erst noch die Möglichkeit, dass sie Auswahl haben, und das haben sie einfach noch nicht, auch aufgrund schlechter Rahmenbedingungen. Sie können ja auch nicht jetzt einfach sagen, okay, ich benachteilige jetzt einen Mann, oder ich entlasse jetzt einen Mann, um stattdessen eine Frau einzustellen. Das wäre ja Quatsch. Und wenn wir schon bei dieser Geschlechterdebatte sind, dann bräuchten wir ja auch Quoten eigentlich in allen Bereichen, wo Menschen irgendwo benachteiligt sind. Das ist doch ein Fass ohne Boden. Das ist einfach der absolut falsche Weg, das ist total kontraproduktiv. Außerdem nehmen sie den Frauen oder einigen Frauen auf jeden Fall sicherlich auch noch ihr Selbstwertgefühl, mehr wenn sie als Quotenfrau abgestempelt werden, und ich glaube, das ist überhaupt nicht schön für keine einzige Frau. Sie brauchen bessere Rahmenbedingungen, und das ist der richtige Weg.

    Bremkamp: Haben Sie denn eigentlich die letzten Tage mit Ihrem Vater beim Frühstück mal über das Thema Quote gesprochen? Was sagt der denn?

    Ostermann: Wir haben schon oft darüber gesprochen. Er persönlich kann das auch nicht nachvollziehen, weil es bei uns im Unternehmen halt schon immer so gelebt wurde, dass wir die Leute anhand der Qualifikation einstellen und nicht anhand des Geschlechtes. Aber wir freuen uns über viele Frauen, die bei uns arbeiten, und ich sagte ja schon am Anfang, dass sich viel, viel mehr Frauen bei uns bewerben, und auch die ganzen Nachwuchskräfte, die wir im Betrieb haben, das sind überwiegend Frauen, die auch echt auf Zack sind. Deswegen stellt sich bei uns diese Problematik auch gar nicht. Auch in der oberen Ebene: Klar, mein Vater und ich, wir sind beide Geschäftsführer, das ist eh fifty-fifty männlich-weiblich. Auf der Ebene darunter sind es immerhin schon zwei Frauen von sechs, die in der oberen Etage mitarbeiten. Also das ist ja immerhin auch schon ganz erfreulich.

    Bremkamp: Frau Ostermann, kurz zum Schluss. Hatten Sie eigentlich einen Bruder, dem Sie in die Quere gekommen sind, der vielleicht auch hätte Chef werden wollen?

    Ostermann: Nein. Ich habe eine jüngere Schwester, die in einem anderen Bereich tätig ist. Die Konkurrenz gegen einen männlichen Bewerber hatte ich nicht, aber mein Vater hätte sicherlich einen externen Geschäftsführer oder eine externe Geschäftsführerin eingestellt, oder die Firma verkauft, wenn ich nicht die richtige Person für diesen Posten gewesen wäre. Und auch ich musste mich hart bewähren durch ein Studium an der Universität St. Gallen, durch ein Genieprogramm bei Aldi Süd, durch meine Arbeit in unserem eigenen Unternehmen, und wie gesagt, auch der Aufsichtsratsposten bei Fielmann ist für mich auch die Bestätigung, dass ich sicherlich die richtige, geeignete Frau für den Chefposten bei Rullko bin.

    Ostermann: Also: Durchboxen lohnt sich, meint Marie Christine Ostermann. Sie ist Bundesvorsitzende des Verbandes Die Jungen Unternehmer. Herzlichen Dank für das Gespräch.

    Ostermann: Danke schön!