Jan Bosse inszeniert Kleists "Das Käthchen von Heilbronn". Wie Kleist spielen? Diese Frage stellt sich, seit der Poet wie ein Komet zwischen Sein und Traum eine Leuchtspur gezogen hat, quer durch ästhetische Gewohnheiten und gesellschaftliche Vereinbarungen. Und wie Käthchen spielen, diesem wie Goethe meinte "wunderbaren Gemisch aus Sinn und Unsinn". Wie vor allem von Menschen erzählen, die emotional und seelisch in Zuständen stecken, die völlig außerhalb des sinnlich nachvollziehbaren sind, in Zuständen einer Hingabe, die das eigene Leben nicht schont. Wie davon erzählen in Zeiten, in denen es nichts anderes gibt als den kleinen Vorteil hier und da, die kleine Selbstlüge hier und da, das opportunistische Wuseln und die völlige Absage an jede Metaphysik. Jan Bosse weiß natürlich um die tendenzielle Unspielbarkeit von Kleists "Käthchens von Heilbronn" und zerlegt das mythisch mittelalterliche Handlungs- und Bildergeschehen des historischen Ritterschauspiels in lustige und gut verdauliche Stadttheaterhäppchen. Also tritt Joachim Meyerhoff als Ritter Friedrich Graf Wetter vom Strahl mit blinkender Rüstung auf die Vorderbühne, röhrt die Vorgeschichte ins Publikum, in der erzählt wird, wie das Käthchen in sein Leben kam und lässt sich dabei von seinem Knappen Gottschalk jeweils soufflieren, wo das gewesen ist, weil der Kraftprotz sich den Städtenamen Heilbronn einfach nicht merken kann. Also erleben wir Kunigunde bei ihrem ersten Auftritt als den Inbegriff einer Nutte aus dem Morgenland, und die konkurrierenden Ritter als wackere langhaarige Recken, die allesamt von Albrecht A. Schuch verkörpert werden. Es wird dann viel gepoltert und geprotzt und immer wenn man mit grotesk komischer Darstellung ein Fragment Ritterschauspiel dargeboten hat, wechselt das Licht, nimmt dieses Theater das verspielt Kindliche zurück und wird plötzlich für Momente ganz ernsthaft. Nun ja, nach dem lustigen Unsinn sollte ja auch vom Sinn einer unwahrscheinlichen Liebegeschichte die Rede sein. Aber die geht in diesem Wechsel der allesamt lauten Register eher unter und das zentrale Paar, das von Anne Müller gespielte Käthchen und Meyerhoffs Friedrich finden nicht zu einer wirklichen Spielbeziehung:
"Was ist's, mit einem Wort, das dich aus deines Vaters Hause trieb, was fesselt dich an meine Schritte?"
"Mein hoher Herr, da fragst du mich zu viel, und läge ich so wie ich vor dir jetzt liege vor meinem eigenen Bewusstsein da, auf einem goldenen Richtstuhl lass es thronen, und alle Schrecken des Gewissens ihm in Flammenrüstungen zur Seite stehen, so spräche jeglicher Gedanke noch auf das, was du gefragt: Ich weiß es nicht."
"Du lügst, du lügst hier."
Auch am Ende der langwierigen, über dreistündigen Aufführung, haben das Käthchen, dessen noble Abstammung mittlerweile ermittelt wurde und der Graf nicht zueinander gefunden, zu mächtig ist die sie umgebende Revue der Albernheiten. Deren konsequentester Beitrag kommt von der Puppentheatertruppe das Helmi, das sich auf das Verfertigen lustig anarchischer Schaumstoffkreaturen versteht und hier diverse Nebenfiguren bis hin zum Kaiser beisteuert.
Stéphane Laimés Bühne besteht im Wesentlichen aus einem von blassgrauen Vorhängen drapierten Stahlgerüstkubus, der diverse Innenräume markieren kann. Er ist ein Theater im Theater, das Bosses multiperspektivischen Blick auf das Stück noch zusätzlich verdoppelt. Da der Regisseur aber immerfort Bebilderung auf Bebilderung schichtet, nie aber ein Bild für dieses aufgebrochene, Vers und Prosa wechselnde Stück findet, verbrauchen sich die zahlreichen aufgebotenen Theatermittel wie stumpfes Werkzeug.
Kleist zweihundertster Todestag mag den Fluss zusätzlicher Kulturgelder aus den Mitteln der Bundeskulturstiftung freisetzen aber ein erkenntnisstiftender Mehrwert ist damit für uns, für Kleist noch nicht erzielt, zumindest nicht beim Auftakt des Kleistfestivals in Berlins Maxim-Gorki-Theater.
"Was ist's, mit einem Wort, das dich aus deines Vaters Hause trieb, was fesselt dich an meine Schritte?"
"Mein hoher Herr, da fragst du mich zu viel, und läge ich so wie ich vor dir jetzt liege vor meinem eigenen Bewusstsein da, auf einem goldenen Richtstuhl lass es thronen, und alle Schrecken des Gewissens ihm in Flammenrüstungen zur Seite stehen, so spräche jeglicher Gedanke noch auf das, was du gefragt: Ich weiß es nicht."
"Du lügst, du lügst hier."
Auch am Ende der langwierigen, über dreistündigen Aufführung, haben das Käthchen, dessen noble Abstammung mittlerweile ermittelt wurde und der Graf nicht zueinander gefunden, zu mächtig ist die sie umgebende Revue der Albernheiten. Deren konsequentester Beitrag kommt von der Puppentheatertruppe das Helmi, das sich auf das Verfertigen lustig anarchischer Schaumstoffkreaturen versteht und hier diverse Nebenfiguren bis hin zum Kaiser beisteuert.
Stéphane Laimés Bühne besteht im Wesentlichen aus einem von blassgrauen Vorhängen drapierten Stahlgerüstkubus, der diverse Innenräume markieren kann. Er ist ein Theater im Theater, das Bosses multiperspektivischen Blick auf das Stück noch zusätzlich verdoppelt. Da der Regisseur aber immerfort Bebilderung auf Bebilderung schichtet, nie aber ein Bild für dieses aufgebrochene, Vers und Prosa wechselnde Stück findet, verbrauchen sich die zahlreichen aufgebotenen Theatermittel wie stumpfes Werkzeug.
Kleist zweihundertster Todestag mag den Fluss zusätzlicher Kulturgelder aus den Mitteln der Bundeskulturstiftung freisetzen aber ein erkenntnisstiftender Mehrwert ist damit für uns, für Kleist noch nicht erzielt, zumindest nicht beim Auftakt des Kleistfestivals in Berlins Maxim-Gorki-Theater.