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Das Künstler-Multitalent Nakhane
Schmerzhafte Themen sind für ihn heilsam

Sänger, Multiinstrumentalist, Romanautor und Schauspieler: Der südafrikanische Künstler Nakhane ist ein Mann mit vielen Talenten. Gerade tourt er mit seinem aktuellen Album "You Will Not Die" durch Deutschland - und gibt Einblick in das Leben als Schwuler unter den hypermaskulinen Männern des Xhosa-Volkes seiner Heimat am Ostkap.

Von Alexandra Friedrich |
    Schauspieler und Sänger Nakhane Touré
    "Mir geht es gut, und ich werde das Leben da draußen genießen": Schauspieler und Sänger Nakhane Touré (imago)
    Mit 30 Jahren hat er bereits zwei Alben und einen Roman veröffentlicht, die Hauptrolle in einem Kinofilm gespielt und für all das Kritikerlob und internationale Preise eingeheimst. Auf den ersten Blick scheint Nakhane ein Glückspilz zu sein.
    Aber wer dem zierlichen Sänger mit seinen weichen Gesichtszügen in seine ernsten Augen blickt, erkennt viel Traurigkeit und Fragilität, die auch in seiner Stimme unverkennbar mitschwingen: Dass der Weg zum Erfolg und seinem heute angstfreien Leben ein steiniger war - davon erzählt Nakhane auf seinem neuen, zweiten Album "You Will Not Die". Klavierballaden und Gospelstücke, soulige Dance- und Synthpop-Songs erzählen vom Heranwachsen als Homosexueller in seiner südafrikanischen Heimat, der Ostkap-Provinz.
    Nakhane: "Meine Heimat, das Ost-Kap, ist dieser ambivalente Ort, der einerseits sehr queer ist - die Xhosa-Männer sind grundsätzlich sehr fluide in ihrer Sexualität. Gleichzeitig sind sie aber wahnsinnig stark reglementiert und hypermaskulin. Das ist für Dich sehr verwirrend, wenn Dir klar wird, dass Du nicht nur mit Männern experimentieren oder ab und zu schlafen willst, sondern dieser Zustand permanent, Dein Leben, ist."
    Eine Jugend geprägt von Selbsthass und Angst
    Nakhane erkannte schon früh, dass er Männer liebt. Sein Volk, die Xhosa, mit ihren Männlichkeitsidealen und das Aufwachsen in Port Elizabeth, einer strenggläubigen Christengemeinde, die ihm weismachen wollte, es sei falsch und heilbar, Menschen desselben Geschlechts zu lieben - all das machte es ihm schwer, sich selbst anzunehmen oder gar zu lieben. In seiner Kindheit und Jugend gab es viel Dunkelheit - eine Zeit, die geprägt war von Gebeten, Selbsthass und vor allem Angst.
    "I was always afraid of dying. I am anxious all the time. The moment that I open my eyes, I'm anxious."
    Schon immer habe er Angst vor dem Tod, erzählt der 30-Jährige. Er berichtet von seiner diagnostizierten Angststörung - mit ernster Miene, dann beginnt er zu lächeln: "Eines Nachts im Traum hörte ich diese Stimme, die mir meinen Todestag nannte. Ich wachte auf und mir wurde klar: Ich werde nicht heute sterben, nicht morgen und auch nicht in zehn Jahren. Mir geht es gut, und ich werde das Leben da draußen genießen."
    Verlust der Todesangst und der Heimat
    Der Titelsong des Albums, "You Will Not Die", erzählt davon, wie Nakhane die elementarste aller Ängste verlor, jene vor dem Tod, und wie frei er sich danach fühlte. Da war er in seinen Zwanzigern. Nakhane verließ im Anschluss die Kirche und das Ostkap.
    Seit einigen Jahren schon lebt er offen homosexuell in der Metropole Johannesburg, seine Vergangenheit scheint ihn aber noch immer zu verfolgen: Sein Roman "Piggy Boy's Blues" aus 2015 beschäftigt sich mit den alten Fragen nach Homosexualität und Männlichkeit, Religion und Familie. Und auch in seinem Schauspieldebüt befasst er sich mit den hypermaskulinen Strukturen seines Xhosa-Volkes. Für Nakhane muss Kunst dahin schauen, wo es weh tut und vielleicht auch hässlich ist.
    "Art is a way of just ... you are forcing you to look at it. And saying: 'Ah, there you are.' Looking at each angle, each pore. 'Oh, I don’t like that.' But you are forced to fucking deal with it. Over and over and over again. It loses its power over you."
    Sich immer wieder mit diesen schmerzhaften Themen zu beschäftigen, hat für Nakhane auch etwas Heilsames. Er findet dadurch zu immer mehr Stärke, die man auch seinem neuen Album anhört. Im Vergleich zum Vorgänger "Brave Confusion" klingt der Sänger heute selbstbewusster, druckvoller, nicht mehr ganz so zerbrechlich. Im Vergleich zum Debüt spielt "handgemachte" Musik eine weniger wichtige Rolle auf "You Will Not Die". Zwar kommen Klavier und Gitarre hier und da noch zum Einsatz, aber Nakhane setzt auf dem neuen Album erstmals vor allem auf elektronisch erzeugte Klänge. Die Songs zum Teil richtig tanzbar, ohne dass sie dabei an emotionaler Intensität verlieren würden.
    Tiefgang und Hitpotential. "You Will Not Die" hat beides.