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Das Kyoto-Protokoll tritt in Kraft

Klimaforschung. - Lange hat es gedauert, am Mittwoch ist es endlich in Kraft getreten: das Kyoto-Protokoll. Es soll den Ausstoß von Treibhausgasen vermindern, allen voran Kohlendioxid. Seine Ursprünge lagen auf dem historischen Umweltgipfel von Rio de Janeiro 1992 und der ersten UN-Konvention zum Klimaschutz. Fünf Jahre später einigte man sich in Kyoto auf handfeste Zahlen, doch erste heute wurde das Protokoll für die Unterzeichnerstaaten völkerrechtlich bindend. Klimaforscher warnen jedoch: Nach Kyoto müssen weitere Maßnahmen folgen.

Von Volker Mrasek |
    Absichtserklärungen gab es viele. Doch erst seit dem heutigen Mittwoch sind 35 Industrieländer und die Europäische Union völkerrechtlich zum Klimaschutz verpflichtet. Spätestens 2012 müssen sie den Ausstoß von Kohlendioxid und fünf anderen Treibhausgasen gebremst haben. Bis dahin, das ist die Vorgabe, sollen die Emissionen insgesamt um rund fünf Prozent sinken:

    Ich denke, es ist unerhört wichtig, dass das Protokoll in Kraft tritt. Wir haben kein anderes Instrument gegen den Klimawandel. Und es ist doch ermutigend zu sehen, dass das Protokoll nun internationales Recht wird, obwohl die USA und Australien massiv versucht haben, es zu zerstören.

    Sogar der Klimadirektor von Greenpeace International, Bill Hare, begrüßt das Protokoll. Auch wenn ein großes Manko des Vertrages offensichtlich ist: Ausgerechnet der weltgrößte Treibhausgas-Produzent, die USA, weigert sich zu ratifizieren.

    Hare ist zur Zeit Gastwissenschaftler am PIK, am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Auch PIK-Direktor Hans-Joachim Schellnhuber spricht von einer wichtigen politischen Signalwirkung, die vom nun gültigen Kyoto-Protokoll ausgehe:

    Damit hat die Völkergemeinschaft anerkannt, dass das Klimaproblem etwas ist, was man ernst nehmen muss. Es ist insofern ein historischer Wendepunkt. Diese Worte sind wirklich nicht zu stark gewählt.

    Andererseits sei auch klar: Kyoto könne nur ein erster Schritt sein.

    Dem müssen andere, viel größere Schritte folgen. Und das ist eben jetzt die zweite Bewertung des Kyoto-Protokolls: Physikalisch ist der Effekt fast null. Das wird also den Erwärmungstrend fast überhaupt nicht abschwächen, um ein Zehntel oder Zwanzigstel Grad vielleicht. Das heißt, nur wenn man das als ersten Schritt auf einem langen Weg begreift, macht das überhaupt Sinn.

    Zurzeit ist nicht einmal absehbar, ob die Vertragsstaaten es überhaupt schaffen, diesen ersten Schritt zu tun.

    Das Klima-Sekretariat der Vereinten Nationen in Bonn kennt die aktuellen Trends. Sie sehen gar nicht gut aus. Vitaly Matsarski, Physiker aus der Ukraine und einer der Emissions-Kontrolleure im Sekretariat:

    Die Prognosen für die nächsten Jahre sind alarmierend. Sie zeigen, dass die Emissionen in vielen Industrieländern nicht zurückgehen, sondern ansteigen. Sie könnten im Jahr 2010 um bis zu 17 Prozent höher liegen als 1990.

    Und das, obwohl sich die Erderwärmung ungebremst fortsetzt und Wissenschaftler vergeblich nach Sicherheitsventilen im Klimasystem fahnden - nach Naturprozessen, die dem Trend vielleicht entgegenwirken könnten. Da sei leider keiner in Sicht, bedauert PIK-Direktor Schellnhuber:

    Man will auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als würde man jetzt Weltuntergangsstimmung verbreiten, ganz und gar nicht. Und trotzdem wird das Bild eigentlich immer dunkler und pessimistischer.

    Noch schluckt das Meer große Mengen Kohlendioxid. Noch nehmen Böden und Vegetation zusätzliches CO2 auf. Noch schirmt Schwebstaub aus Schornsteinen und Auspuffrohren die einfallende Sonnenstrahlung zum Teil ab. Doch diese Gegenspieler der Erwärmung fielen bald aus, das stehe schon jetzt fest:

    Stellen Sie sich vor: In 30, 40, 50 Jahren verlieren wir alle unsere Hilfskräfte. Und mit einem Schlag wird dann die nackte Wahrheit enthüllt, nämlich dann ist es so, dass eben die globale Erwärmung ungehemmt durchschlägt. Und dann werden wir nicht mehr in der Lage sein, das Ganze zu beherrschen.

    Es komme nun auf die nächsten zehn bis 15 Jahre an, mahnt Schellnhuber. Und darauf, dass Industrie- und Entwicklungsländer weit über die Kyoto-Vereinbarungen hinausgehen:

    Die Umstellung des Weltenergiesystems steht ohnehin irgendwann an. Im Grunde genommen würden wir die Reform der Energiesysteme klimabedingt um ein Jahrhundert vorziehen. Und übrigens: Die ersten Ländergruppen, die diesen Weg gehen werden, werden auch ökonomische Vorteile haben. Sie werden unheimlich viele technologische Innovationen antreiben - durch, letztendlich, Klimapolitik.