"Mille et tre " - der Ausstellungstitel spielt auf Mozarts Don Giovanni an. Auf die Eroberungs-Liste des Schürzenjägers in der berühmten Registerarie des Leporello. Doch während diese Liste doch einmal endet - eben bei "Mille et tre", 1003 - scheint die Liste der Listen in der Kunst tatsächlich unendlich. Angefangen bei den antiken Listen Mesopotamiens: Beispiele finden sich in der altägyptischen Abteilung des Louvre. Eine Grab-Stele aus dem dritten Jahrtausend vor Christus etwa zeigt den ägyptischen Wesir Tepemânkh bei Tisch - nebst einer umfänglichen Liste von Brotsorten und anderen Nahrungsmitteln, die dem verstorbenen Würdenträger für immer und ewig zur Verfügung stehen sollen. Andere antike Listen führen die Namen von Göttern oder großen Athleten, nennen Schlachten und Dynastien. Fern von diesen frühen Listen sind in einem Saal des Denon-Flügels im Louvre jetzt auch moderne und zeitgenössische Listen zu sehen. Eingerahmt wie ein Kunstwerk findet sich da zum Beispiel ein Zettel mit einer Farbenliste, die Delacroix im 19. Jahrhundert geschrieben hat. Doch zu eigenständigen Kunstwerken werden die Listen der Künstler erst in den 1970er Jahren - der großen Zeit der "Individuellen Mythologie" und der Konzeptkunst.
"I will not make any more boring art,
I will not make any more boring art,
I will not make any more boring art,
I will not make any more boring art,
I will not make any more boring art,
I will not make any more boring art"
Immer wieder hat der amerikanische Künstler John Baldessari 1971 diesen Satz mantraartig aufgelistet: "Ich werde keine langweilige Kunst mehr machen."
"Listen haben auch mit Langeweile zu tun, sagt die Kuratorin Marie-Laure Bernadac. Zum Beispiel bei Louise Bourgeois und ihren "Zeichnungen der Schlaflosigkeit". Wenn sie nicht schlafen kann, schreibt sie immer wieder dasselbe. Eine ewige Wiederholung aus Langeweile, um die Langeweile zu bekämpfen. Wie eine Strafarbeit schreibt sie immer wieder "je t'aime je t'aime je t'aime je t'aime". Die Langeweile ist wichtig bei Künstlern. Die Leere, die Angst davor, Kunst zu machen führt dazu, Worte, alltägliche, banale Worte immer wieder zu wiederholen. Wie besessen."
Von Listen besessen ist auch Christian Boltanski: Seit langem kreist sein Werk um die Themen Archivierung und Erinnerung. Eine seiner bekanntesten Arbeiten "Les suisses morts" - die toten Schweizer - zeigt Hunderte vergrößerte Schwarz-Weiß-Fotos aus Traueranzeigen - namenlose Tote. Für die Ausstellung im Louvre hat Boltanski ein Buch mit der Liste der "Louvre-Bewohner" erstellt, mit den Namen aller Mitarbeiter und, was besonders schwierig war, aller Künstler des Louvre.
"Das war erstmal ein Ding der Unmöglichkeit. Denn diese Liste gibt es nicht. Der Louvre ist in Abteilungen gegliedert, jede Abteilung hat da ihre Liste, aber keiner hatte die Liste aller Künstler von der griechischen Antike über die islamische Kunst, die grafische Sammlung bis ins 19. Jahrhundert. Boltanski hat all diese Namen gemischt, und zwar die richtigen Namen, nicht Künstlernamen wie Tintoretto oder Veronese."
Wissenschaftlern sind solche Listen ohne System und Ordnung ein Graus. Umberto Eco dagegen feiert sie: Im Louvre, den er als eine gigantische Reihung von Einzelwerken begreift, von denen wiederum viele Listen zeigen oder - wie in der Ausstellung "Mille et tre" - Listen sind; und in seinem listenreichen Buch "Die Unendlichkeit der Liste".
"Eine Liste entspringt dem Schauer des Unendlichen. Nicht immer ist es das Amt des Dichters, die Dinge zu nennen. Das ist ein Schwachsinn, den sich Heidegger ausgedacht hat, der auch sonst viel Stuss geredet hat. Normalerweise teilt ein Dichter uns doch vielmehr mit: "Ich bin nicht fähig, Dir zu sagen, wie sehr ich dich liebe; wie Gott beschaffen ist; oder wie schön eine Blume ist." Der Topos der Unsagbarkeit ist ungeheuer wichtig in der Literatur. Er überlässt es Dir, dem Leser, weiterzudenken. Ich, der Dichter, bin nicht in der Lage, dir alles zu nennen. Also versuche du, dir den Rest vorzustellen. Das ist die Funktion der literarischen Liste."
"Mille et tre" - Ausstellung im Louvre im Rahmen des Programms "Vertige de la liste" von Umberto Eco (7.11.09 - 8.02.10)
"I will not make any more boring art,
I will not make any more boring art,
I will not make any more boring art,
I will not make any more boring art,
I will not make any more boring art,
I will not make any more boring art"
Immer wieder hat der amerikanische Künstler John Baldessari 1971 diesen Satz mantraartig aufgelistet: "Ich werde keine langweilige Kunst mehr machen."
"Listen haben auch mit Langeweile zu tun, sagt die Kuratorin Marie-Laure Bernadac. Zum Beispiel bei Louise Bourgeois und ihren "Zeichnungen der Schlaflosigkeit". Wenn sie nicht schlafen kann, schreibt sie immer wieder dasselbe. Eine ewige Wiederholung aus Langeweile, um die Langeweile zu bekämpfen. Wie eine Strafarbeit schreibt sie immer wieder "je t'aime je t'aime je t'aime je t'aime". Die Langeweile ist wichtig bei Künstlern. Die Leere, die Angst davor, Kunst zu machen führt dazu, Worte, alltägliche, banale Worte immer wieder zu wiederholen. Wie besessen."
Von Listen besessen ist auch Christian Boltanski: Seit langem kreist sein Werk um die Themen Archivierung und Erinnerung. Eine seiner bekanntesten Arbeiten "Les suisses morts" - die toten Schweizer - zeigt Hunderte vergrößerte Schwarz-Weiß-Fotos aus Traueranzeigen - namenlose Tote. Für die Ausstellung im Louvre hat Boltanski ein Buch mit der Liste der "Louvre-Bewohner" erstellt, mit den Namen aller Mitarbeiter und, was besonders schwierig war, aller Künstler des Louvre.
"Das war erstmal ein Ding der Unmöglichkeit. Denn diese Liste gibt es nicht. Der Louvre ist in Abteilungen gegliedert, jede Abteilung hat da ihre Liste, aber keiner hatte die Liste aller Künstler von der griechischen Antike über die islamische Kunst, die grafische Sammlung bis ins 19. Jahrhundert. Boltanski hat all diese Namen gemischt, und zwar die richtigen Namen, nicht Künstlernamen wie Tintoretto oder Veronese."
Wissenschaftlern sind solche Listen ohne System und Ordnung ein Graus. Umberto Eco dagegen feiert sie: Im Louvre, den er als eine gigantische Reihung von Einzelwerken begreift, von denen wiederum viele Listen zeigen oder - wie in der Ausstellung "Mille et tre" - Listen sind; und in seinem listenreichen Buch "Die Unendlichkeit der Liste".
"Eine Liste entspringt dem Schauer des Unendlichen. Nicht immer ist es das Amt des Dichters, die Dinge zu nennen. Das ist ein Schwachsinn, den sich Heidegger ausgedacht hat, der auch sonst viel Stuss geredet hat. Normalerweise teilt ein Dichter uns doch vielmehr mit: "Ich bin nicht fähig, Dir zu sagen, wie sehr ich dich liebe; wie Gott beschaffen ist; oder wie schön eine Blume ist." Der Topos der Unsagbarkeit ist ungeheuer wichtig in der Literatur. Er überlässt es Dir, dem Leser, weiterzudenken. Ich, der Dichter, bin nicht in der Lage, dir alles zu nennen. Also versuche du, dir den Rest vorzustellen. Das ist die Funktion der literarischen Liste."
"Mille et tre" - Ausstellung im Louvre im Rahmen des Programms "Vertige de la liste" von Umberto Eco (7.11.09 - 8.02.10)