"JÄGERSTÄTTER: "Ich verweigere den Kriegsdienst."
OBERST: "Nein, das tun Sie mir nicht an. Sie kennen die Konsequenzen?"
JÄGERSTÄTTER: "Ja, Herr Oberst."
OBERST: "Dann müssen Sie gute Gründe haben."
JÄGERSTÄTTER: "Ich bin Katholik.""
Herrgott, was war das für ein Sturschädel, der Innviertler Landwirt Franz Jägerstätter, der die Nazis für eine Verbrecherbande hielt und nicht mitschuldig werden wollte an dem Unglück, das Hitlers Armeen über Europa brachten. In seiner Jugend soll der Jägerstätter Franzl ein "wilder Hund" gewesen sein, ein Wirtshausraufbold, ein "Weiberer", wie er im Buche stand, aber dann, nach seiner Heirat, wurde der 1907 geborene Sohn einer Stallmagd ruhiger, ausgeglichener, wie man in seinem Heimatdorf Sankt Radegund bei Braunau sagte. Aber einen eigenen Schädel hat er zeit seines kurzen Lebens gehabt, der Jägerstätter Franz, die Gebote des Evangeliums galten ihm mehr als die deutsche "Kriegssonderstrafrechtsverordnung" von 1938, die Wehrdienstverweigerung mit der Todesstrafe sanktionierte.
"Das wird immer bleiben, dass manche Leute sagen: Das war ein katholischer Spinner und weiter nix."
Felix Mitterer bringt Leben und Sterben des Franz Jägerstätter als bäuerliches Stationendrama auf die Bühne. Die Reaktionen der Sankt Radegunder auf den radikalen Nonkonformismus ihres strenggläubigen Mitbürgers transportiert Mitterer in altehrwürdiger theatralischer Tradition:
"Ich habe mir überlegt: Wie mache ich denn das, dass ich die Dorfgemeinschaft und ihre Reaktionen reinbringe. Und dann ist mir eingefallen: Ich bilde aus der Dorfgemeinschaft einen Chor. Alle Schauspieler, die gerade nicht in ihrer Episodenrolle beschäftigt sind, spielen den Chor und geben die Volksmeinung wieder."
"Der Feigling. Feiger Hund. Feiger geht’s gar nimmer. Feig war der nicht, mein Franzl war doch nicht feig. Er hat sich umbringen lassen für seinen Glauben, ist das feig? Läßt seine Familie im Stich. Läßt seine Kinder im Stich. Läßt seine Heimat im Stich. Glaubt, er ist was Besseres. Hält sich für einen Heiligen. Er IST ein Heiliger. Der Einzige, der Nein gesagt hat. Einmal werdet Ihr einsehen, dass er im Recht war."
Regisseurin Stephanie Mohr hat eine straffe und konzise Inszenierung hingelegt. In strengen Tableaus, die an die Bauernbilder Wilhelm Leibls erinnern, vollzieht sich das dramatische Geschehen mit der Unerbittlichkeit einer antiken Tragödie. Der Gefahr, in den klobigen Syntaxen traditionellen Bauerntheaters zu versinken, entgeht die Regisseurin durch verfremdende Effekte, die sie immer wieder geschickt einsetzt an diesem Abend.
Felix Mitterer und seine Regisseurin wurden heftig akklamiert in der Josefstadt. Eine triumphale Leistung bot die Schauspielerin Gerti Drassl als Franziska Jägerstätter: eine patente, sensible und humorvolle Frau, die zu ihrem Franzl hält, auch als der schon in der Brandenburger Todeszelle schmachtet und allen Angeboten der Wehrmachtsjustiz widersteht: Standhaft weigert sich der Mesner von Sankt Radegund, seinen Kopf in letzter Sekunde noch aus der Schlinge zu ziehen, indem er etwa als Sanitäter einrückt. Nichts da, Franz Jägerstätter geht sehenden Auges in den Tod, auch ein Foto, das ihm seine Franziska aus dem Innviertel ins ferne Brandenburg schickt, kann den prinzipienfesten Katholiken von seinem Entschluss nicht abbringen: Auf dem Bild sind seine Kinder zu sehen, sechs, fünf und drei Jahre alt, drei Mädchen, sie halten ein Leintuch in der Hand, auf dem steht in ungelenken Lettern: "Lieber Vati, komm bald!"
Der Vati kommt nicht. Er stellt seine pazifistische Prinzipienfestigkeit über die Loyalität zu seiner Frau und den Kindern. Franz Jägerstätter, auch das wird an diesem Abend deutlich, taugt nicht als Objekt eindimensionaler Heldenverehrung. Die Geschichte ist komplizierter. Als antinazistischer Märtyrer war der Mann ein Held, als Vater ein Versager: Er hat, das bleibt bei aller Bewunderung für seinen heroischen Widerstand ein Fakt, seine Frau und seine Kinder mit Vorsatz im Stich gelassen. Gregor Bloeb gibt den Jägerstätter Franzl als sonnig-naiven Katholenfundi, als vierschrötigen Gesinnungsethiker, der für das von ihm einmal als richtig Erkannte sehenden Auges den Weg aufs Schafott antritt.
"Und unsere Söhne haben unrecht? Unser Söhne und Brüder und Väter haben unrecht? Alle, die ihren Kopf hingehalten haben, haben unrecht? Ja, sie haben unrecht. Und seinen Kopf hat der Franz hingehalten, nicht eure Väter und Brüder und Söhne. Mein Sohn ist gefallen, mein Bruder ist gefallen, mein Vater ist gefallen. Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir furchtbar leid."
Im Uraufführungspublikum in der Josefstadt saß, sichtlich bewegt, auch Jägerstätters Tochter Maria, heute 75 Jahre alt: Das traurige Schicksal ihrer Familie auf der Bühne zu sehen, war nicht einfach für die alte Dame.
"Ja, es kommen halt die Erinnerungen wieder. Zum Anschauen ist es nicht leicht, obwohl es sehr gut gemacht ist."
Jawohl, es ist sehr gut gemacht. Ein starker Stoff, von einem gewiften Dramatiker in ein anrührendes, fesselndes, keine Sekunde lang langweiliges Stück gepackt. Dazu ein engagiertes Ensemble und Regisseurin, die das Ganze in stilsichere Bilder übersetzt. So muss kritisches Volkstheater aussehen.
OBERST: "Nein, das tun Sie mir nicht an. Sie kennen die Konsequenzen?"
JÄGERSTÄTTER: "Ja, Herr Oberst."
OBERST: "Dann müssen Sie gute Gründe haben."
JÄGERSTÄTTER: "Ich bin Katholik.""
Herrgott, was war das für ein Sturschädel, der Innviertler Landwirt Franz Jägerstätter, der die Nazis für eine Verbrecherbande hielt und nicht mitschuldig werden wollte an dem Unglück, das Hitlers Armeen über Europa brachten. In seiner Jugend soll der Jägerstätter Franzl ein "wilder Hund" gewesen sein, ein Wirtshausraufbold, ein "Weiberer", wie er im Buche stand, aber dann, nach seiner Heirat, wurde der 1907 geborene Sohn einer Stallmagd ruhiger, ausgeglichener, wie man in seinem Heimatdorf Sankt Radegund bei Braunau sagte. Aber einen eigenen Schädel hat er zeit seines kurzen Lebens gehabt, der Jägerstätter Franz, die Gebote des Evangeliums galten ihm mehr als die deutsche "Kriegssonderstrafrechtsverordnung" von 1938, die Wehrdienstverweigerung mit der Todesstrafe sanktionierte.
"Das wird immer bleiben, dass manche Leute sagen: Das war ein katholischer Spinner und weiter nix."
Felix Mitterer bringt Leben und Sterben des Franz Jägerstätter als bäuerliches Stationendrama auf die Bühne. Die Reaktionen der Sankt Radegunder auf den radikalen Nonkonformismus ihres strenggläubigen Mitbürgers transportiert Mitterer in altehrwürdiger theatralischer Tradition:
"Ich habe mir überlegt: Wie mache ich denn das, dass ich die Dorfgemeinschaft und ihre Reaktionen reinbringe. Und dann ist mir eingefallen: Ich bilde aus der Dorfgemeinschaft einen Chor. Alle Schauspieler, die gerade nicht in ihrer Episodenrolle beschäftigt sind, spielen den Chor und geben die Volksmeinung wieder."
"Der Feigling. Feiger Hund. Feiger geht’s gar nimmer. Feig war der nicht, mein Franzl war doch nicht feig. Er hat sich umbringen lassen für seinen Glauben, ist das feig? Läßt seine Familie im Stich. Läßt seine Kinder im Stich. Läßt seine Heimat im Stich. Glaubt, er ist was Besseres. Hält sich für einen Heiligen. Er IST ein Heiliger. Der Einzige, der Nein gesagt hat. Einmal werdet Ihr einsehen, dass er im Recht war."
Regisseurin Stephanie Mohr hat eine straffe und konzise Inszenierung hingelegt. In strengen Tableaus, die an die Bauernbilder Wilhelm Leibls erinnern, vollzieht sich das dramatische Geschehen mit der Unerbittlichkeit einer antiken Tragödie. Der Gefahr, in den klobigen Syntaxen traditionellen Bauerntheaters zu versinken, entgeht die Regisseurin durch verfremdende Effekte, die sie immer wieder geschickt einsetzt an diesem Abend.
Felix Mitterer und seine Regisseurin wurden heftig akklamiert in der Josefstadt. Eine triumphale Leistung bot die Schauspielerin Gerti Drassl als Franziska Jägerstätter: eine patente, sensible und humorvolle Frau, die zu ihrem Franzl hält, auch als der schon in der Brandenburger Todeszelle schmachtet und allen Angeboten der Wehrmachtsjustiz widersteht: Standhaft weigert sich der Mesner von Sankt Radegund, seinen Kopf in letzter Sekunde noch aus der Schlinge zu ziehen, indem er etwa als Sanitäter einrückt. Nichts da, Franz Jägerstätter geht sehenden Auges in den Tod, auch ein Foto, das ihm seine Franziska aus dem Innviertel ins ferne Brandenburg schickt, kann den prinzipienfesten Katholiken von seinem Entschluss nicht abbringen: Auf dem Bild sind seine Kinder zu sehen, sechs, fünf und drei Jahre alt, drei Mädchen, sie halten ein Leintuch in der Hand, auf dem steht in ungelenken Lettern: "Lieber Vati, komm bald!"
Der Vati kommt nicht. Er stellt seine pazifistische Prinzipienfestigkeit über die Loyalität zu seiner Frau und den Kindern. Franz Jägerstätter, auch das wird an diesem Abend deutlich, taugt nicht als Objekt eindimensionaler Heldenverehrung. Die Geschichte ist komplizierter. Als antinazistischer Märtyrer war der Mann ein Held, als Vater ein Versager: Er hat, das bleibt bei aller Bewunderung für seinen heroischen Widerstand ein Fakt, seine Frau und seine Kinder mit Vorsatz im Stich gelassen. Gregor Bloeb gibt den Jägerstätter Franzl als sonnig-naiven Katholenfundi, als vierschrötigen Gesinnungsethiker, der für das von ihm einmal als richtig Erkannte sehenden Auges den Weg aufs Schafott antritt.
"Und unsere Söhne haben unrecht? Unser Söhne und Brüder und Väter haben unrecht? Alle, die ihren Kopf hingehalten haben, haben unrecht? Ja, sie haben unrecht. Und seinen Kopf hat der Franz hingehalten, nicht eure Väter und Brüder und Söhne. Mein Sohn ist gefallen, mein Bruder ist gefallen, mein Vater ist gefallen. Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir furchtbar leid."
Im Uraufführungspublikum in der Josefstadt saß, sichtlich bewegt, auch Jägerstätters Tochter Maria, heute 75 Jahre alt: Das traurige Schicksal ihrer Familie auf der Bühne zu sehen, war nicht einfach für die alte Dame.
"Ja, es kommen halt die Erinnerungen wieder. Zum Anschauen ist es nicht leicht, obwohl es sehr gut gemacht ist."
Jawohl, es ist sehr gut gemacht. Ein starker Stoff, von einem gewiften Dramatiker in ein anrührendes, fesselndes, keine Sekunde lang langweiliges Stück gepackt. Dazu ein engagiertes Ensemble und Regisseurin, die das Ganze in stilsichere Bilder übersetzt. So muss kritisches Volkstheater aussehen.